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Da ist sie ja wieder: die Tram am Zoo.

© DAVIDS

Tram zum Bahnhof Zoo: Tschüs, 55 - zum Abschied der letzten Straßenbahn

Letzte Straßenbahn vor 50 Jahren im Berliner Westen. Lesen Sie hier den Tagesspiegel-Text zum Abschied von 1967.

Vor 50 Jahren fuhr die letzte Straßenbahn im Berliner Westen. An diesem Wochenende wurde daran erinnert – wieder war eine Tram unterwegs (allerdings auf einem Lkw). Lesen Sie hier den Tagesspiegel-Text von 1967.

Von Hakenfelde an der Niederneuendorfer Allee bis zum Richard-Wagner-Platz, vorbei an der Spandauer Zitadelle, durch Gartenfeld und Siemensstadt, durch Charlottenburg, säumten Tausende die Straßen, als gestern Vormittag die 55, letzte Straßenbahn in West-Berlin, auf ihre letzte Fahrt ging. Spandaus Bürgermeister Dr. Klaus Bodin verabschiedete sie am Ausgangspunkt, sprach vom U-Bahnhof, den die Randbezirkler erhoffen, und stellte resignierend fest, dass sich Menschen auf dem Mond tummeln würden, ehe man unter der Erde nach Spandau käme.

Schulklassen genossen eine freie Stunde und schwenkten frisch gewaschene Taschentücher und Schilder „55 adieu“. Älteren standen Tränen in den Augen, als die Bahn nach 75-jähriger Geschichte aus Spandau verschwand, und auch die Fahrer blieben nicht ohne Rührung. In den Fabriken schien die Arbeit zu stocken, denn ein guter Teil des Personals drängte sich an den Zäunen. Vor Siemens vertrat man winkend eigene Interessen, denn manches Produkt der Werke ist hier auf den Schienen vorbeigezogen. Werner von Siemens hatte die erste Elektrische erbaut. In der Osnabrücker Straße schwang ein Stubenmaler den Pinsel selbstvergessen ins Leere, als der Zug historischer Wagen vorüberfuhr. Scharen knipsender Fotoamateure kämpften um die Plätze in der ersten Reihe. Selbst der Verkehrsdirektor Dr. Goltz hatte die Schmalfilmkamera am Auge.

Die Otto-Suhr-Allee war verstopft, als der Konvoi in Charlottenburg einfuhr, an der Spitze die Bahn, die als letzte Straßenbahn West-Berlins dekoriert war, dahinter der Zug mit der BVG-Kapelle auf offenem Waggon. Bürgermeister Spruch spricht die letzten Worte, während die Wagen wenden und sich zur Fahrt zum Betriebshof aufstellen und Kinder Fahrscheine stempeln lassen, bis den Schaffnern die Farbe ausgeht. Nummernschilder, Klingeln und was sonst noch bei letzten Fahrten verloren zu gehen pflegt, ist noch an den Wagen, als sie durch das Tor zum Betriebshof in der Königin-Elisabeth-Straße rollen.

Der Andenkenverkauf am Wochenende hat den Bedarf gedeckt. Von den Sonderfahrscheinen hatte man eine weitere Auflage von nochmals 25 000 Stück drucken lassen. Direktor Neubecker von der BVG dankte seinen alten Straßenbahnern, die jetzt, zum Kummer des Betriebsrates, bei der U-Bahn oder im Bus arbeiten. Finanzsenator Striek, oberster Dienstherr des Betriebes, verkündete, man wolle den U-Bahnbau in die Außenbezirke vorantreiben, damit es reizvoller werde, am Stadtrand zu wohnen. Und der für Berlin typische Einheitstarif werde weiter beibehalten, weder der Senat noch BVG wollten die Fahrgäste benachteiligen, die einen weiten Weg zur Arbeitsstelle in der Stadt zurücklegen müssten.

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