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Im Einsatz, um Leben zu retten. Der Berliner Polizei mangelt es offensichtlich an grundlegender Ausrüstung, um erfolgreich zu arbeiten.

© Wolfgang Kumm/dpa

Update

Tödliche Schüsse im Benjamin-Franklin-Klinikum: Berliner Polizei im Funkloch

Der Polizeieinsatz nach den tödlichen Schüssen auf einen Arzt war gefährlich. Vor allem weil die Beamten Flure und Zimmer durchsuchen mussten - teils ohne Funkkontakt.

Am Tag nach den tödlichen Schüssen im Benjamin-Franklin-Klinikum in Steglitz hielten sich die Ermittler von Mordkommission und Staatsanwaltschaft mit weiteren Informationen zu den Hintergründen zurück. „Die Tatwaffe wird derzeit kriminaltechnisch untersucht, die Körper des Schützen und des Opfers wurden obduziert“, sagte Justizsprecher Thomas Fels. Wie viele Schüsse abgegeben wurden, ob der 72-jährige Täter aus Spandau legal oder illegal im Besitz der Waffe war, und warum der Mann seinen Arzt erschoss: Offene Fragen wurden wegen der „laufenden Ermittlungen“ nicht beantwortet.

Stattdessen rückte eine vermeintliche Randnotiz des Einsatzes in den Fokus: Offenbar hatte während des Geschehens einmal mehr das Digitalfunknetz der Polizei teilweise versagt. Unmittelbar nach den Schüssen war zunächst nicht klar, ob es sich bei dem Schützen um einen Einzeltäter handelte oder ob nicht doch mehrere Täter im Franklin-Klinikum unterwegs waren. Beamte durchsuchten die Flure und Zimmer nach weiteren Schützen.

Nur war eine Verständigung über den digitalen Polizeifunk kaum möglich: „Sechs Kollegen standen eine Stunde im zweiten Stock und haben nur Bruchstücke des Funkverkehrs hören können“, bemängelt Benjamin Jendro, Sprecher der Polizeigewerkschaft GdP. Statt präziser Lageinformationen erreichten die Beamten nur abgehackte Wortfetzen und statisches Rauschen. In einer für Polizisten, Patienten und Angestellte potenziell lebensgefährlichen Situation wussten die Einsatzkräfte also nicht, was ihre Kollegen machten – weitere Täter hätten davon profitieren können.

Digitalfunkprobleme seit Jahren bekannt

Die Probleme beim Digitalfunk sind seit Jahren bekannt: Es gibt zu wenig sendestarke Basisstationen in der Stadt. Wird das Funksignal zu schwach, suchen die Handfunkgeräte der Beamten automatisch die nächste Station – und werden durch diesen sogenannten „Zellwechsel“ kurzzeitig lahmgelegt. Mitunter würden bis zu 200 dieser „Zellwechsel“ in nur einer Stunde gemessen, heißt es bei der GdP – der Beamte sei dann weder erreichbar, noch könne er Funksprüche absetzen. Besonders am Stadtrand, in Gebäuden, U-Bahnhöfen, Tunneln und Tiefgaragen gebe es diese Probleme.

„Ich will nicht ausschließen, dass es während des Einsatzes Probleme mit dem Digitalfunk gab“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Man werde den Einsatz „auch in Bezug auf den Digitalfunk“ auswerten. Der Sprecher führte außerdem bauliche Gründe für die Kommunikationsprobleme an: Das Franklin-Klinikum sei ein „stark abgeschirmter Stahlbetonbunker“, es sei auch über die Handynetze schwierig gewesen, stabile Verbindungen zu bekommen.

Grüne: Henkel ignoriert Problem

Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux machte Innensenator Frank Henkel (CDU) für die Probleme verantwortlich. „Eine gesicherte Kommunikation gehört zur Grundausstattung der Polizei. Es ist schlimm, dass Innensenator Henkel das Problem seit Jahren ignoriert“, erklärte Lux am Mittwoch.

Es gebe keine Alternative zum Digitalfunk, mehr Basisstationen müssten her. „Obwohl der Innen- und der Hauptausschuss ihn wiederholt dazu aufgefordert haben, hat Henkel bis heute keinen Maßnahmen- und Kostenplan vorgelegt“, sagte Lux. Es sei weder klar, wie viele Basisstationen zusätzlich benötigt würden, noch könne man die Kosten dafür abschätzen.

Innenverwaltung: Weitere Basisstationen in Planung

Innenstaatssekretär Bernd Krömer verwies ebenfalls auf die Stahlbetonbauweise als Ursache der Funkprobleme. Dies sei der Grund "warum dort eine Kommunikation nur schwer möglich ist. Dort funktioniert weder Digitalfunk- noch Handynetz." Der Betreiber des Gebäudes verantworte die digitale Ausstattung, außerhalb des Gebäudes sei die Digitalfunkversorgung hingegen "gut".

Krömer sagte, dass berlinweit mittlerweile 58 Basisstationen installiert seien. Eine "zweite Ausbaustufe" sei aber notwendig, die Planungen dazu würden "kurz vor dem Abschluss" stehen. Krömer machte den rot-roten Vorgängersenat für die mangelhafte Versorgung verantwortlich: Es habe sich gezeigt, dass die "damals bestellte Billig-Variante" nicht ausreiche.

GdP: Bei gefährdeten Gebäuden sollte Basisstation Pflicht sein

Die GdP forderte die Installation von 100 zusätzlichen Basisstationen. „Außerdem sollte man darüber nachdenken, ob man es bei besonders gefährdeten öffentlichen Gebäuden nicht zur baulichen Pflicht machen solle, eine Basisstation aufzustellen“, so GdP-Sprecher Jendro. Auch Feuerwehr und andere Sicherheitsbehörden würden davon profitieren.

Das Franklin-Klinikum teilte mit, dass die Ambulanz der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie bis Ende der Woche geschlossen bleibe. Patienten mit Termin würden am Virchow-Klinikum versorgt.

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