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Unreal Estate House heißt dieses Minihaus von Architekt Van Bo Le-Mentzel. Rund 5 000 Euro kostet das Modell.

© Benjamin Heck/dpa

Tiny-Houses gegen Mietsteigerungen: Wohnen auf kleinem Fuß in Berlin

Mietpreisbremse hin oder her: Wohnen ist teuer. Die Tiny-House-Bewegung findet in Deutschland deshalb immer mehr Anhänger – doch sie stoßen hierzulande auf bürokratische Hürden.

Der Anstieg der Mieten und Hauspreise hat das Wohnen in Deutschland zuletzt deutlich verteuert. Alternativen zum klassischen Hausbau werden daher immer attraktiver. Die neue Wohnform „Tiny Houses“ macht es möglich, schon mit wenigen tausend Euro zu einem Eigenheim zu kommen. Die sogenannten Winzig-Häuser bieten nur zwischen acht und 55 Quadratmeter Wohnraum.

Die Bewegung aus den USA steht in Deutschland jedoch noch ganz am Anfang und stößt hier auf so manche rechtliche Hürde. Denn klein oder nicht klein: Bei der Baugenehmigung und beim Erschließen des Baugrundstücks gilt dasselbe Recht wie beim Einfamilienhaus. Hanspeter Brunner aus Staufen bei Freiburg gehört hierzulande zu den Ersten, die sich ihren Traum von den eigenen vier Wänden im kleinen Maßstab erfüllt haben.

Sein Vorbild ist der US-Amerikaner Jay Shafer. „Er wollte ein winziges Häuschen für sich, dafür erhielt er aber keine Baugenehmigung“, erzählt Brunner. „Daraufhin kam er auf die Idee, sein Haus auf einen Doppelachsanhänger zu bauen.“ Shafer gilt als Begründer der Tiny-House-Bewegung in den USA, die durch die Immobilienkrise 2008 Aufschwung erhalten hat. Und er entwickelte Baupläne zum Nachmachen.

Für Europa gelten andere Vorschriften

Brunner wollte eine dieser Anleitungen zunächst eins zu eins übernehmen. „Das Dumme war: Die Pläne waren nicht umsetzbar, weil sie auf unsere Straßenvorschriften nicht gepasst haben und auch nicht auf die Anhänger“, sagt er. „Die amerikanischen Pläne können leider nur als Anregung dienen.“

Man brauche Skizzen, die für Europa gemacht sind, oder einen entsprechenden Kurs zum Selberbauen. Dafür benötige der Häuslebauer nicht viel: „Akkuschrauber, ein paar Grundwerkzeuge wie Hammer, Schraubenzieher und einen Winkel, eine Handkreissäge und eine Gehrungssäge – das sind alles Dinge, die man in jedem Baumarkt kaufen kann“, zählt Brunner auf. Wer nicht selbst zum Hammer greifen will, kann sich an eine Handvoll professioneller Anbieter von Minihäusern wenden.

Wie vielen Anhängern der Bewegung geht es Brunner nicht nur ums Geldsparen, sondern auch um eine gesellschaftliche Idee. „Ich möchte wissen, wie sich das anfühlt, wenn man mit dem Minimalen auskommt und auf acht Quadratmetern Grundfläche lebt.“ Sein selbst gezimmertes Eigenheim sieht aus wie ein schwedisches Holzhaus mit Veranda – eben nur etwas verkleinert und mit einem Anhänger unter dem Boden.

Das winzige Haus ist ab 5000 Euro zu haben

Auf acht Quadratmetern Grundfläche gibt es (fast) alles, was auch ein großes Haus bietet: einen Wohnraum mit vier Quadratmetern, eine separate Schrankwand, eine kleine Kombüse, eine Dusche und eine Kompost-Toilette. „Oben habe ich auf der gleichen Grundfläche im Dachspitz das Schlafzimmer“, berichtet Brunner. Etwa 14.000 Euro hat er für das Haus im Eigenbau bisher ausgegeben. Es werden wohl 18.000 Euro bis 20.000 Euro sein, wenn es fertig ist.

Acht Quadratmeter, vier Räder: Das Reich von Hanspeter Brunner.
Acht Quadratmeter, vier Räder: Das Reich von Hanspeter Brunner.

© Hanspeter Brunner

Der Berliner Architekt Van Bo Le-Mentzel, der soziale Projekte rund um schönes Wohnen für Menschen mit wenig Geld anschiebt, hat ein Modell für rund 5000 Euro entwickelt. Er hat es Unreal Estate House getauft. „Der Name ist eine Anspielung auf ,Real Estate‘, das englische Wort für Immobilie.“ Die Pläne dafür will er gratis im Internet zur Verfügung stellen. Beim Entwurf hat Le-Mentzel sich von dem Bauhaus-Architekten Walter Gropius inspirieren lassen.

Le-Mentzels Häuschen steht ebenfalls auf einem Anhänger. Auch hier gibt es alles kompakt: „Die Küche hat einen Falttisch, und wenn man den hochklappt, ergibt sich ein neuer Raum. Und dort sind die Toilette und die Dusche untergebracht“, beschreibt der Architekt. „Es gibt einen Holzofen, der befindet sich außerhalb des Hauses.“ Über ein Rohr wird die Wärme nach innen geleitet. Auf der oberen Etage ist das Schlafzimmer. Wie die meisten „Tiny Houses“ ist das Minigebäude völlig autark und braucht keine Anschlüsse für Strom, Wasser oder Abwasser. 

Parkplätze als Lebensraum: Das ist nicht legal

Die Kernfrage bei diesem Projekt war für Le-Mentzel: Wie kann man gut leben, ohne Miete zu zahlen? „Das Unreal Estate House ist ein Weg: Man kann Plätze und Flächen, die nicht genutzt werden, etwa Parkplätze, zum Lebensraum erklären. Das ist allerdings nicht legal.“

Und damit hat man schon den heikelsten Punkt erreicht. Denn in Deutschland darf man sich nicht an jeder Ecke niederlassen, die einem gefällt. Ob groß oder klein: „In dem Moment, wo Sie etwas bauen, unterliegen Sie dem Baurecht“, erklärt Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren. Auch wer sein Häuschen auf einen Anhänger stellt, kommt nicht an den Vorschriften vorbei, wenn er sich auf Dauer an einem Ort niederlassen will.

Entscheidend sind die Landesbauordnungen und die kommunalen Bebauungspläne. „Der Bebauungsplan regelt das Baurecht in der Kommune“, sagt Reinhold-Postina. „Hier steht drin, was an welcher Stelle gebaut werden darf.“ Deshalb rät sie jedem Bauherrn, sich zuerst beim zuständigen Bauamt zu erkundigen.  Eine Möglichkeit, ohne Baugenehmigung in dem mobilen Zuhause zu leben, ist beispielsweise, sich einen Platz auf einem Campingplatz zu suchen, der Dauerstellplätze zur Verfügung stellt. Einen Energieausweis brauchen die „Tiny Houses“ laut Paragraf 16, Absatz 5 der Energiesparverordnung übrigens nicht.

Julia Räsch

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