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Diese Ferkel leben in einem Hof in Mecklenburg-Vorpommern, der sich für mehr Tierwohl einsetzt.

© picture alliance / dpa

Tierschutz in Deutschland: "Den meisten Tieren geht es heute schlecht"

Am Samstag wollen Zehntausende in Berlin für mehr Tierwohl auf die Straße gehen. Die Politik muss handeln, findet der Präsident des Deutschen Tierschutzbunds.

Herr Schröder, der Senat hat unlängst eine Bundesratsinitiative angeschoben, um die Schweinehaltung zu verbessern. Welche Rolle spielt Berlin beim Thema Tierschutz?
Berlin mag keine große Nutztierhaltung haben, aber eine Stimme im Bundesrat. Dieser ist beteiligt an aller Tierschutzgesetzgebung. Insofern ist Berlin wichtig für den Tierschutz und die Normenkontrollklage, die der Senator eingereicht hat, ist ein Zeichen, dass sich Berlin grundsätzlich um die Frage kümmert – ohne eigene ökonomische Interessen.

Senator Dirk Behrendt (Grüne) begründete die Klage auch damit, dass Berlin eine Verbraucherstadt ist. Welche Verantwortung für den Tierschutz sehen sie bei den Konsumenten?
Jeder, der mit Fleisch zu tun hat – ob er züchtet, schlachtet, verarbeitet oder isst – trägt eine Verantwortung. Wogegen ich mich strikt wehre ist, dass die Verbraucher an der Ladenkasse jedes ordnungsrechtliche Versagen auslöschen und erledigen sollen. Der Verbraucher muss seinen Anteil leisten. Wenn ein zweites iPhone und ein dritter Fernseher kein Problem sind, dann muss man auch mehr für 100 Gramm Putenschnitzel zahlen, wenn damit mehr Tierwohl verbunden ist.

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Sie sehen also die Politik in der Verantwortung oder auch die Unternehmen?
Wir haben alle eine Verantwortung. Ein Handelsunternehmen, das immer noch Billigpreisbewerbung für Fleisch macht, sollte seine Verantwortung wahrnehmen und so eine Werbung lassen. Das hilft nicht, die Gesellschaft in den Fragen des Tierwohls voranzubringen. Die erste Pflicht besteht darin, dass wir ein Tierschutzgesetz haben, das den Ansprüchen genügt. Da sind die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat gefordert, denn der Tierschutz ist ein föderales Instrument. Heute geht es den meisten Tieren schlecht und wir müssen darum kämpfen, dass es ihnen überhaupt ein bisschen besser geht.

Am Freitag hat die Grüne Woche begonnen. Welche Signale gehen mit Blick auf den Tierschutz von der größten Landwirtschafts- und Lebensmittelmesse der Welt aus?
Die Grüne Woche ist immer ein Brennspiegel der agrarökonomischen Fragen. Sie ist leider noch immer sehr stark ökonomisch getrieben. Wir erleben aber, dass in den vergangenen Jahren zunehmend die Fragen des Tierwohls und Tierschutzes in den Mittelpunkt kommen. So steigt die Teilnahmezahl bei Pressekonferenzen, die wir organisieren, stetig und auch Bauernbund-Präsident Joachim Rukwied wird öfter zum Tierwohl befragt. Der Druck ist da und deshalb wird die Grüne Woche immer mehr zu einem gesellschaftlichen Dialog. Wir führen den aber auch auf der Straße und demonstrieren für eine Agrarwende.

Bei der „Wir haben es satt“-Demo werden wieder Zehntausende Menschen erwartet. Gehört das inzwischen zur Tradition oder sehen Sie darin ein Zeichen für einen gesellschaftlichen Wandel?
Wir werden jedes Jahr mehr Menschen, die auf die Straßen gehen und auch das Bündnis wird immer breiter. Wir sind ja kein Bündnis von bekloppten Tier- und Umweltschützern, sondern Abbild der Gesellschaft. Die Tafeln sind beteiligt, ebenso die Kirchen, Bauernverbände, der BUND, der Nabu. Deutlicher kann die Gesellschaft nicht sagen, dass durch alle Schichten und Interessen eine andere Agrarpolitik gewünscht wird. Dass wir aber jedes Jahr wieder hier stehen müssen, zeigt, dass die Politik das noch immer nicht verstanden hat.

Ein anderes Thema, das Berlin sehr bewegt: Seit dem ersten Januar gilt ein verschärfter Leinenzwang für Hunde in der Hauptstadt. Wie bewerten Sie das?
Ich kann durchaus verstehen, dass es an bestimmten Stellen in Berlin, wo viele Menschen sind, notwendige Regeln braucht. Ein Leinenzwang per se verstößt aber gegen das Tierschutzgesetz. Deshalb muss hier nochmal klar nachgebessert werden. Wenn der Senat einen Leinenzwang verabschiedet, muss er auch große, stadtnahe Flächen schaffen, in denen die Tiere frei laufen können. Wenn Hunde zur Stadt gehören und die Stadt die Hundesteuer kassiert, hat sie auch für die Hunde zu sorgen.

Thomas Schröder (53) ist seit 2011 Präsident des Deutschen Tierschutzbunds. Der Kölner isst selbst kein Fleisch.

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