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Ein bisschen Bürgerrechte einschränken, sollte drin sein, findet Premierministerin May.

© AFP

Terror und Wahlen in Großbritannien: Theresa Mays falsche Antworten auf den Terror

Statt über wirksame Strategien gegen Terrorismus nachzudenken, will die britische Premierministerin die Bürgerrechte einschränken. Sorry, aber das geht nicht. Ein Gastbeitrag.

Die Bürgerrechte sind für Theresa May nicht mehr als eine Dekoration des Rechtsstaats. So lässt sich etwa ihre Aussage verstehen, im Kampf gegen den Terrorismus müssten eben die Bürgerrechte eingeschränkt werden, um auch bei dünner Beweislage mögliche Terroristen überführen zu können. Die britische Premierministerin rüttelt damit an den Prinzipien des Rechtsstaats, ja, am Rechtsstaat selbst. Denn was macht den Rechtsstaat aus, wenn nicht seine Prinzipien? Wer den Nachweis klarer Absichten oder der Schuld nicht mehr erbringen und nur noch auf Verdacht Menschen einsperren will, zerstört den Rechtsstaat. Bürgerrechte sind nicht bloß Deko, sie machen unsere freiheitlichen Rechtsstaaten aus. Wer sie einschränkt oder abschafft, tut das, was die Terroristen mit ihren grauenhaften Taten erreichen wollen.

Die markige Forderung der britischen Premierministerin mag dem Wahlkampf geschuldet sein und vom eigenen Versagen ablenken. Als Innenministerin kürzte sie das Budget der Polizei um 18 Prozent, seit 2010 müssen die 43 Sicherheitsbehörden sparen. Aber Theresa May steht mit ihren Forderungen, notfalls auf Errungenschaften des Rechtsstaats zu verzichten, nicht allein.

Es ist unerträglich, dass die Terroristen, sei es in London, Manchester, Paris oder anderswo, unter uns sind, teilweise hier aufgewachsen sind. Und schlimm ist auch, dass wir uns vor Angriffen durch Autos, die als Waffe benutzt werden, schützen müssen.

250 Beschlüsse der EU drehten sich um Terrorbekämpfung

Wir sollten endlich dazu übergehen, gegen den Terrorismus sinnvolle und wirksame Strategien zu finden. Stattdessen propagieren Konservative und Sozialdemokraten die schnelle Lösung durch mehr Überwachung überwiegend Unverdächtiger. Der Übergang in den Überwachungsstaat, der seinen Bürgern mit Generalverdacht gegenübertritt, ist der falsche Weg. Ein EU-weites System zur Überwachung von Fluggastdaten ist beschlossen und soll 500 Millionen Euro kosten. Ein Ein- und Ausreisesystem wird mit einer Milliarde Euro veranschlagt.

Die Liste von Maßnahmen lässt sich immer weiter fortführen, in den vergangenen Jahren waren es insgesamt rund 250 Beschlüsse der Europäischen Union, um den Terror zu bekämpfen. Bisher wurden Hunderte Millionen Euro in solche zumeist anlasslosen Überwachungsmaßnahmen gesteckt, ohne jemals zu überprüfen, welchen Effekt sie haben. EU-Kommissar Julian King hat endlich eine Überprüfung angekündigt, aber währenddessen flattern immer mehr Vorschläge auf den Tisch.

Viele der bekannten Terroristen waren polizeibekannt und wurden bereits als Gefährder eingestuft. Wir müssen bei den bekannten Risikopersonen ansetzen. Dafür brauchen wir besser ausgestattete Polizei und Ermittlungsbehörden, auch Überwachung, aber eben nicht ohne jeden Verdacht. Gemeinsame Ermittlungsteams der Europäischen Polizeibehörde Europol und Polizei in den EU-Mitgliedstaaten können gemeinsam Verdächtige ermitteln, doch mit einigen Hunderttausend Euro pro Jahr sind diese gemeinsamen Ermittlungsteams chronisch unterfinanziert.

Wir dürfen der Terrorbekämpfung nicht den Rechtstaat opfern

Die Daten sind da: Oftmals wissen Polizei und Ermittlungsbehörden, wer in welchem Flugzeug sitzt, an welchem Ort wohnt und in der Vergangenheit verdächtig war. Aber es fehlt am länderübergreifenden Austausch der Daten und an gemeinsamen Ermittlungen der Behörden. Wir müssen auch die Polizeipräsenz vor Ort stärken und Polizisten zur Vertrauensperson im Viertel machen. Beamte vor Ort haben ein Auge darauf, wer verdächtig ist und können bei Radikalisierung Warnsignale geben. Menschen, oft sind es Jugendliche, gleiten nicht von heute auf morgen in die islamistische Szene ab. Aber in Deutschland hat noch nicht einmal jeder Polizist einen Internetzugang. 

EU-weit gibt es durchaus sinnvolle Maßnahmen: Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche sollen die Geldströme des Terrorismus austrocknen, der Zugang zu Waffen soll erschwert werden, eine europäische Gefährderdatenbank sammelt Daten über Terrorverdächtige. Ja, wir dürfen dem Terrorismus nicht weichen. Um ihn zu bekämpfen, dürfen wir jedoch nicht den Rechtsstaat in sein Gegenteil verkehren. 

- Der Autor ist innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament

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