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Jeder zehnte Deutsche ist tätowiert, schätzen Experten. Elf Prozent von ihnen wollen aber die Tattoos wieder loswerden.

© Thilo Rückeis

Tätowierungen: Weg mit der Jugendsünde

Tattoos werden manchmal lästig. Mit einem Laser lassen sich die Farbmoleküle in der Haut sprengen – aber nicht ohne Risiko.

Feine weiße Narben schlängeln sich überall auf der gebräunten Haut des linken Unterarms. „Da haben sie mir vor zehn Jahren ein Tattoo rausgeschliffen, in einem Krankenhaus in Thüringen. Dass solche Narben bleiben würden, haben sie mir vorher aber nicht gesagt“, sagt Uwe Krüger, ein drahtiger Mann in schlichter sportlicher Kleidung, der eher unauffällig wirkt. Wie die Entfernungstechnik damals genau hieß, weiß er nicht mehr. Schon seit Langem ist der 51-jährige Kraftfahrer dabei, seine „Jugendsünden“ – viele Tätowierungen auf Oberkörper und Armen – wieder loszuwerden. „Man hat’s mal als Jugendlicher machen lassen und als Erwachsener kommt man an den Punkt, an dem man sagt: Ey, wie dumm bist du gewesen.“ Nun sitzt er in der Wilmersdorfer Praxis des Plastischen Chirurgen Georgios Xydias und hat gleich seine vierte Laserbehandlung, bei der die Tattoos entfernt werden. Georgios Xydias hat sich darauf spezialisiert.

Es gibt viele Menschen, die Tätowierungen innig lieben – am vergangenen Wochenende trafen sich wieder tausende von ihnen auf der „Tattoo Convention“ in Berlin-Treptow. Weshalb das Tattoo-Geschäft auch in Berlin boomt. Doch bei manchen, wie bei Uwe Krüger, erkaltet die Liebe irgendwann und sie wollen den mehr oder weniger gelungenen Körperschmuck wieder tilgen lassen.

Zum Beispiel von Georgios Xydias. Der Arzt hat eine Statistik parat: Knapp zehn Prozent aller Deutschen sind tätowiert und sogar mehr als 20 Prozent der 25- bis 34-Jährigen. Elf Prozent aller Tätowierten wollen ein oder mehrere der Bilder in der Haut wieder entfernen lassen – meist nach etwa zehn Jahren.

Sechs Wochen braucht die Haut, um sich zu regenerieren

Uwe Krüger zeigt seinen rechten Oberarm: Dort sind von einer ehemaligen Tätowierung nach der Behandlung nur noch hellgraue Umrisse zu erkennen. Ähnlich ist es auch auf der Brust. Bei sehr dunklen Stellen dauert das Entfernen länger. „Jetzt war gerade sechs Wochen Pause, damit sich die Haut regenerieren kann.“ Gleich wird Krüger sich noch einmal auf den Behandlungsstuhl in Xydias’ Behandlungszimmer setzen.

Dort hat gerade noch ein anderer Patient Platz genommen. Er und Georgios Xydias tragen Brillen, die die Augen vor den Laserstrahlen schützen sollen. Xydias führt den Laserkopf zur tätowierten Brust und schaltet das Gerät ein. Jetzt sieht man einen roten Lichtstrahl, der einen kleinen roten Punkt auf die Haut wirft. Dann tippt Xydias auf den Touchscreen am Gerät und legt los: Ein leises Knacken ertönt – ein Geräusch wie bei einem Gasherd, dessen Flamme sich nicht mit dem Piezozünder entfachen lässt. Dazu kommt ein monotones Piepen. „Dieser Laser hat einige Picosekunden lang eine Energie wie ein Atomkraftwerk“, erklärt Xydias. „Eine Pikosekunde ist eine Billionstel Sekunde. Die Farbpigmente werden so gesprengt.“ Aus den Poren der Patienten dringt jeweils ein kleiner Blutstropfen, der wie ein Stecknadelkopf auf der Haut sitzen bleibt.

„Das fühlt sich an, als würde man an einer kleinen Stelle von hundert heißen Nadeln gepiekst“, sagt der zweite Patient, ein 54-jähriger Gastronom mit Bürstenhaarschnitt, der seinen Namen lieber nicht in diesem Zusammenhang lesen möchte. Nennen wir ihn einfach Hartmut Schröder. Schlimm sei es aber nur an den Stellen, „wo nur Haut und Knochen drunterliegen, am Brustbein zum Beispiel“, sagt Schröder. Und: „Ich ärgere mich über meine eigene Dummheit, weil ich bei den ersten beiden Tätowierungen so blauäugig rangegangen bin.“ Damit meint er aber nicht etwa, dass er sich überhaupt hat tätowieren lassen. Nein, er ärgert sich, weil die Tattoos nichts geworden sind. Er hat sich die weiblichen Mitglieder seiner Familie – Nichte, Mutter, Schwester – fotorealistisch auf Brust und Bauch stechen lassen. Doch zwei der drei Hautbilder hatten keinerlei Ähnlichkeit mit den Vorlagen. Jetzt lässt er sich die Tätowierungen so weit aufhellen, dass sich ein weiterer Tätowierer ans Werk machen kann.

Ein Experte rät: Es ist besser, die Tätowierung zu behalten

Schon vor zehn Jahren hat Xydias zum ersten Mal in einer Klinik mit einem Laser Tattoos entfernt. Der Chirurg bemängelt, dass man in Deutschland kein Mediziner sein muss, um sich einen Laser zu kaufen und sich damit als Tätowierungsentferner selbstständig zu machen. „In anderen Ländern ist das verboten.“

Ähnlich drückt es auch der Spezialist Carsten Philipp aus: „Es ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt, wer das machen darf. Da gibt es eine gesetzliche Grauzone.“ Philipp ist Leiter des Zentrums Lasermedizin an der Evangelischen Elisabeth-Klinik in Tiergarten und Präsident der deutschen Gesellschaft für Lasermedizin. Dort werden etwa angeborene Gefäßerkrankungen behandelt, Warzen und Vorstufen zu Krebserkrankungen. Aber auch er entfernt im Zentrum Lasermedizin Tattoos – allerdings mit weniger Überzeugung als Xydias: „Ich rate jedem, der zu mir kommt, seine Tätowierung zu behalten. Der Patient muss mich überreden, es zu machen.“ Es gebe viele Gründe gegen die Entfernung: Es sei schmerzhaft, kostspielig und langwierig und wenn der Patient die Behandlung zwischendrin abbreche, sehe es schlimmer aus als vorher. „Es kann immer ein Schatten auf der Haut bleiben oder helle Stellen. Ich lehne sofort ab, wenn ich den Eindruck habe, dass die Motivation fremdbestimmt ist. Wenn ein Patient aber sagt: Ich will mit dem Ding nicht mehr leben – dann mache ich es.“ In zehn bis 14 Sitzungen, alle sechs bis acht Wochen über zwei Jahre verteilt, mit einem hochwertigen Nanosekunden-Laser. „Großflächige Tätowierungen fasse ich aber nicht an.“

Wenn schon, dann besser professionell

Warum er es überhaupt anbietet, wenn er doch recht widerwillig an die Sache herangeht? „Die Laser sind da und es ist besser, wir machen es, bevor es jemand macht, der nicht professionell genug herangeht. Einige Anbieter ätzen Tattoos etwa mit Säure oder Salzen weg. Da bleiben schwere Narben zurück.“

Auch die früher oft verwendeten Laser mit lang gepulsten Lichtquellen, sogenannte IPLs, die die Farbstoffe nur aufheizten, hinterließen oft Vernarbungen. „Wer das heute noch macht, ist kriminell. Wir benutzen Laser, die extrem kurz gepulst sind. Die Blitze führen zu einem schlagartigen Zerplatzen der Farbpartikel. Wenn man dabei nicht aufpasst, gibt es Schäden. Es kann etwa das Bindegewebe zerstört werden.“

Die zersprengten Farbpartikel verteilen sich zunächst im Körper – und landen zum Schluss in den Lymphknoten. Dort blieben sie, sagt Philipp, ohne Chance, jemals wieder aus dem Körper ausgeschieden zu werden. „Die Farbe bleibt im Körper. Bei Menschen mit Tätowierungen sind die Lymphknoten ganz schwarz.“ Schon beim Tätowieren selbst lande ein Teil der Farbe dort. Über die gesundheitlichen Folgen davon gebe es zwar keinerlei Studien. Für ihn ist das aber einer der Gründe, warum er meint, dass ein Tattoo lieber an Ort und Stelle bleiben sollte. „Das ist ruhiger für den Körper, wenn die Tätowierung vertragen wurde. Es gibt Dinge, die wir noch nicht wissen. Vielleicht entstehen beim Zersprengen der Farbpigmente neue Substanzen im Körper. Wir kennen die möglichen Reaktionen nicht. Wenn die Tätowierung allerdings nicht vertragen wurde und es eine Entzündungsreaktion gibt, darf sie nicht gelasert werden, dann muss ein plastischer Chirurg sie herausschneiden.“

Xydias, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Lasermedizin ist, sieht die Geschichte mit den Lymphknoten nicht als Argument, mit der Entfernung einer Tätowierung zu zögern: „Bei der Tätowierung gelangt schon 80 Prozent der Tinte in den Kreislauf und dann in die Lymphknoten. Nur 20 Prozent bleiben überhaupt in der Lederhaut. Im Vergleich zur Tätowierung ist das Entfernen mit dem Laser nur eine geringe Belastung für den Körper.“

Xydias sieht sich noch einmal die Narben auf dem Arm seines Patienten Uwe Krüger an, die von der Entfernung vor zehn Jahren stammen: „Das war bestimmt eine Dermabrasion.“ Eine Hautabschleifung. Auch keine Methode, zu der man raten kann. Uwe Krüger ist froh, dass das Entfernen jetzt, zehn Jahre später, so viel besser funktioniert: „Sogar angezogen fühle ich mich inzwischen viel wohler in meiner Haut – jetzt, wo die Tätowierungen fast weg sind.“

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