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Studie: Junge Migranten sind mehrheitlich schwulenfeindlich

Zwei Drittel der türkischstämmigen Jugendlichen und die Hälfte der russischstämmigen Jugendlichen in Berlin haben offenbar schwulen- und lesbenfeindliche Ansichten. Integrationssenatorin Knake-Werner fordert mehr Aufklärung in der Schule.

Unter Jugendlichen ohne Migrationshintergrund ist ein Viertel homophob eingestellt. Das ergab eine Umfrage unter Berliner Gesamtschülern und Gymnasiasten, die im Auftrag des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) durchgeführt und vom Bundesfamilienministerium finanziert wurde.

„Das Ergebnis ist bedenklich“, sagte Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Linke), die die Studie gemeinsam mit dem LSVD gestern vorstellte. „Das Ergebnis überrascht mich nicht“, sagte Eren Ünsal von der Türkischen Gemeinde Deutschland, „viele Türken sehen in der Homosexualität eine Bedrohung für das Fortbestehen der Familien.“ Auch gelte Homosexualität im Islam als Todsünde. Alarmierend seien auch die Ansichten der Schüler ohne Migrationshintergrund, sagte Knake-Werner. So sind 26 Prozent dieser Gruppe der Meinung, Schwule und Lesben sollten nicht die gleichen Rechte haben.

Für die Studie befragte ein Team von Sozialpsychologen der Universität Kiel im Sommer vergangenen Jahres 1000 Jungen und Mädchen im Alter von 14 bis 20 Jahren, die in Berlin Gesamtschulen und Gymnasien besuchen. Abgefragt wurde die Einstellung zu Homosexualität und die eigene Erfahrung von Diskriminierung, die Religiosität und das Verhältnis zum traditionellen männlichen Rollenverständnis. Nach Auskunft des LSVD ist es die erste Studie, die untersucht, wie sich der Migrationshintergrund von Schülern auf die Einstellung zur Homosexualität auswirkt.

Drei Viertel der befragten Jugendlichen aus Einwandererfamilien finden es „abstoßend“, wenn sich schwule Männer oder lesbische Frauen auf der Straße küssen, zwei Drittel finden, dass die Eltern versagt haben, wenn ein Kind homosexuell wird. Bei den Jungen ohne Migrationshintergrund findet die Hälfte die Vorstellung küssender Männer „abstoßend“, und ein Viertel sieht die Schuld bei den Eltern. Gefragt wurde auch, ob die Schüler den Kontakt zu einem Nachbarn abbrechen würden, wenn sie wüssten, dass dieser schwul ist, und ob sie finden, dass in der deutschen Gesellschaft genug getan werde für Schwule und Lesben.

Die Studie ergab, dass die Homophobie bei den russisch- und türkischstämmigen Jungen zunimmt, je religiöser sie sind und je mehr sie sich selbst diskriminiert fühlen. Je integrierter sie sind, umso mehr sinkt die Schwulenfeindlichkeit. Bei den türkischstämmigen Jugendlichen, und nur bei dieser Gruppe, nimmt die Homophobie ab, je älter sie werden.

Sozialsenatorin Knake-Werner forderte die Lehrer auf, im Unterricht noch intensiver über gleichgeschlechtliche Partnerschaften aufzuklären. Nur wenige Lehrer würden die angebotenen Fortbildungsmaßnahmen dazu wahrnehmen. „Da müssen wir nachsteuern“, sagte Knake-Werner. Die Grünen im Abgeordnetenhaus forderten, an den Schulen „Diversity-Beauftragte“ zu benennen, die als Ansprechpartner zum Thema „Vielfalt“ fungieren. Eren Ünsal von der Türkischen Gemeinde rief alle muslimischen Organisationen zur Unterstützung beim Kampf gegen Homophobie auf. Religiöse Vorschriften müssten liberaler interpretiert werden. Sie warnte aber, alle Muslime als schwulenfeindlich an den Pranger zu stellen. „Das hilft nicht weiter. Wir müssen Schritt für Schritt aufklären.“

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