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Street Art gibt es überall in Berlin. Man muss sie nur entdecken - wie hier im Hof des Hauses Schwarzenberg in Mitte.

© Lars von Törne

Street-Art: Berlins endlose Leinwände

Tausende bestaunten Street-Art im „The Haus“, heute endet das Projekt. Aber Straßenkunst gibt es in der ganzen Stadt – unsere Empfehlungen.

Mehr als 100 Künstler und mehr als 70.000 vom Veranstalter gezählte Besucher in zwei Monaten: Nicht nur den Zahlen nach war das Street-Art-Projekt „The Haus“ in der Nürnberger Straße in Schöneberg ein Ereignis der Superlative. Nun endet die temporäre Ausstellung (31. Mai bis Mitternacht geöffnet), für deren Besuch viele Neugierige teils stundenlang anstanden, danach wird das Gebäude abgerissen. Street-Art aber bleibt Berlin erhalten: Quer durch die Stadt hinterlassen Künstler täglich neue Spuren.

In den Höfen des Hauses Schwarzenberg in Mitte zeigen Street Art Künstler aus aller Welt ihre Kunst.
In den Höfen des Hauses Schwarzenberg in Mitte zeigen Street Art Künstler aus aller Welt ihre Kunst.

© Lars von Törne

Kunst im Haus Schwarzenberg in Mitte

Kunst und Politik gehen hier Hand in Hand. Nicht nur bei dem Wandgemälde „Remember Fukushima“ des britischen Street-Art- Künstlers Morganico, dessen Werk im Hofeingang des Hauses Schwarzenberg in Mitte einen Blickfang bietet. Auch sonst liegen Kreativität und Protest bei diesem Ort eng beieinander, der seit mehr als 20 Jahren tapfer der Gentrifizierung in Berlins historischem Stadtzentrum trotzt. Ein „gallisches Dorf“ hat Pop-Art-Künstler Jim Avignon das Areal in der Rosenthaler Straße 39 mal genannt. Dank eines geheimen Zaubertranks entfalten die Bewohner und Gäste hier statt Muskelkraft vor allem enorme künstlerische Energie.

Kaum ein Zentimeter der rauen Wände, der nicht mit mehreren Schichten kunstvoll verarbeiteter Farben, Papiere und anderer Materialien bedeckt ist. Und in der Galerie Neurotitan im hinteren Teil der einstigen Fabrik zeigen immer wieder auch Street-Art-Künstler ausgewählte Werke. Aktuell sind hier bis zum 10. Juni unter dem Titel „Current Habits“ etwa Arbeiten des Duos Quintessenz sowie von Kera zu sehen – Künstler, die auch „The Haus“ mitgestaltet haben. Lars von Törne

Man trifft das Riesenweib in der Straße am Friedrichshain.
Man trifft das Riesenweib in der Straße am Friedrichshain.

© Gewobag

Blickfang an der Hauswand

Direkt Am Friedrichshain reckt sich die schlanke Frau in den Himmel, ihr Körper teils fotorealistisch genau und zugleich in blau-rot-weißen Farben verfremdet. Ein Blickfang für alle, die hier täglich vorbeikommen. Eine Begegnung, die Passanten einen Moment stoppen lassen in den alltäglichen Besorgungen und Besorgnissen. Die gesamte Giebelwand hoch ragt das Kunstwerk. Street-Art-Künstler haben es schon vor einigen Jahren geschaffen, unterstützt von der Gewobag, der das Haus gehört. Seit Jahren engagiert sich die Wohnungsbaugesellschaft, die in Berlin gut 70.000 Wohnungen bewirtschaftet, in Sachen Street-Art.

In etlichen Bezirken lassen sich die bis zu 40 Meter hohen Kunstwerke finden. In Tegel prangt etwa ein Singvogel an der Seitenwand eines 14 Stockwerke hohen Gebäudes an der Neheimer Straße. Das Gefieder des Stars schimmert blau, der Bauch ist eine Blumenwelt. Nahebei hat der Künstler Fintan Magee an eine andere Hochhauswand eine junge Familie gesprüht. Und in der Greifswalder Straße war das Street-Art-Duo Herakut tätig. Gerd Nowakowski

Street Art im Naturpark

Genaugenommen müsste es wohl Park-Art heißen, was hier auf dem Schöneberger Südgelände zu sehen ist. Denn die Kunst befindet sich mitten in einem urwüchsigen Naturpark, der im Laufe der Jahrzehnte auf einem stillgelegten Eisenbahngelände entstanden ist. Folgt der Besucher dem Tälchenweg, einer der Spazierrouten, die durchs Grün führen, kommt er an einer alten Bahnunterführung vorbei – der Freiluftgalerie. Sprühen ist hier offiziell erlaubt, aber nur montags bis sonnabends von 15 Uhr bis zur Schließung des Parks. Sonn- und feiertags muss die Dose zu bleiben. Hört sich erst einmal wenig wild an. Aber was dort zu geregelten Zeiten entsteht, kann sich durchaus sehen lassen. Und ganz lehrreich ist es auch, den Künstlern bei der Arbeit zuzuschauen (Naturpark Schöneberger Südgelände, Prellerweg 47 - 49, täglich ab 9 Uhr bis Einbruch der Dunkelheit, Eintritt 1 Euro). Björn Seeling

Endstation Teufelsberg. Graffiti in der ehemaligen Abhörstation.
Endstation Teufelsberg. Graffiti in der ehemaligen Abhörstation.

©  Cay Dobberke

Installationen aus Schrott

Zum Teufelsberg im Grunewald wird nie eine U-Bahn fahren, doch immerhin zeigt ein buntes Graffitibild an einer Innenwand der früheren US-Abhörstation genau das: einen älteren U-Bahnzug mit dem Fahrtziel „Teufelsberg“. Viele Graffiti sind politischer und handeln zum Beispiel vom Krieg – bis hin zum zynischen „Thank god, it’s our bomb“, bei dem ein Uncle Sam auf einer Bombe reitet. Alle Fotos finden Sie in dieser Bildergalerie:

Führungen bietet das Team um den Pächter Marvin Schütte für 15 Euro an. „Stille Begehungen“ ohne Stadtführer kosten acht, für Studenten sechs Euro (www.teufelsberg-berlin.de). Die einstige „Field Station Berlin“ der amerikanischen und britischen Spione ist viel maroder als das Ex-Bürohaus „The Haus“. Vandalismus und Verwitterung haben den Gebäuden stark zugesetzt. Draußen gibt es künstlerische Installationen aus Schrott und Naturmaterialien. Cay Dobberke

Patchwork. Die Fassade des Kinos Intimes in Friedrichshain.
Patchwork. Die Fassade des Kinos Intimes in Friedrichshain.

©  Angie Pohlers

Die perfekte Collage für Instagram

Die Hauswand gleich am Anfang der Niederbarnimstraße Ecke Boxhagener Straße ist wie gemacht für den großen Auftritt: Über mehrere Meter ganz eben, ohne Fenster, Türen, Treppenabsatz, denn im Raum dahinter verbirgt sich der Vorführsaal des Kinos Intimes. Draußen an der Fassade toben sich nachts regelmäßig Street-Art-Künstler aus. Seit Jahren schon ist das hier eine kreative Insel im sonst so eierschalenfarben sanierten Kiez. Vor allem Touristen, die Richtung Simon-Dach-Straße strömen, zücken ihre Handys und verbreiten die Bilder in die ganze Welt. Hashtag Streetart, Hashtag Friedrichshain. Da sind einige Likes auf Facebook und Instagram sicher.

Aktuell im Angebot: Donald Trump als Säugling mit Stars-and-Stripes-Windel, in Schablonentechnik an die Wand gesprüht. Das modellierte Halbrelief einer Hyäne und ihrer Jungen, das Fell mit Dollarzeichen überzogen. Ein großes, pinkes Poster der Street-Art-Legende El Bocho mit seinem Markenzeichen, der Figur Lucy. Glitzerkonfetti. Eine verspiegelte Kachel. Eine schwarze Metallkonstruktion in Form eines Stücks Käse, in Fußhöhe an die Wand montiert. Auf wenigen Quadratmetern tobt hier eine Materialschlacht. Angie Pohlers

Blaue Stunde. Ein Wandbild in der Weddinger Koloniestraße.
Blaue Stunde. Ein Wandbild in der Weddinger Koloniestraße.

©  Melanie Berger

Politisches und Kunst

In Gesundbrunnen balancieren zwei weiße Gestalten auf blauem Hintergrund an einer Hauswand entlang. Das Bild in der Koloniestraße ist nicht die einzige Street-Art-Kunst im rauen Berliner Norden, auch dann nicht, wenn man die viel fotografierte Brandwand mit den Köpfen der Boateng-Brüder an der U-Bahnstation Pankstraße als Werbung statt als Kunst einstuft. In der Uferstraße und an der Panke heißt es an Backsteinwänden und Eingängen von Altbauten: „Das ist die sozialste Stadt, bist du pleite, dann holen sie dich ab!“ oder „Liebe ist Freiheit“. In dem zum Restaurant umgebauten alten Bus, der zum Café Pförtner auf dem Uferhallen-Gelände gehört, ist in Edding „On my Moped I am God“ verewigt. Politisch wird es an den Fensterschildern des Wohnprojekts in der Schererstraße. „Alles für alle – und zwar sofort“. Melanie Berger

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