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In der JVA Moabit müssen die Bediensteten an vielen Fronten kämpfen.

© Bernd Settnik/dpa

Strafvollzug: Berlins Justizvollzugsbedienstete schlagen Alarm

Mitarbeiter im Justizvollzug fühlen sich überlastet und vom Senat im Stich gelassen. Der kritisierte Justizsenator sieht die Schuld woanders.

Von Fatina Keilani

Hoher Krankenstand, Personalmangel, randalierende Gefangene: Berlins Justizvollzugsbedienstete schlagen Alarm. Sie sind völlig überlastet und fühlen sich vom Senat im Stich gelassen. „Es kommt immer häufiger zu Übergriffen, sowohl unter den Gefangenen als auch auf uns“, berichtet eine Mitarbeiterin der JVA Moabit. In ihrer Anstalt sind regelmäßig weniger als 90 Prozent des vorgesehenen Personals vorhanden, in Tegel sind es immerhin zwischen 90 und 92 Prozent. Das geht auch aus einer parlamentarischen Anfrage hervor, die von der Justizverwaltung im April beantwortet wurde.

Mehr als 600 Mitarbeiter im gesamten Vollzug sind zudem laut Senat dauerkrank, im vergangenen Jahr wurden 13.600 Fehltage registriert. Senator Dirk Behrendt (Grüne) verweist auf seine Vorgänger. „Wir arbeiten hier die Altlasten der von der CDU mitgetragenen Sparbeschlüsse des Senats vom 24. Januar 2012 ab, weshalb nicht oder nicht der Altersfluktuation entsprechend Justizvollzugsbedienstete ausgebildet werden konnten“, teilte er mit. „Infolge dieser Nichtausbildung in den Jahren 2012 und 2013 konnten viele Stellen im Allgemeinen Vollzugsdienst (AVD) nicht besetzt werden.“

Was macht der Senator?

Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe und sein CDU-Kollege Sven Rissmann lassen ihm das nicht durchgehen. „Fakt ist, dass auch im letzten halben Jahr praktisch nichts passiert ist“, sagt Luthe. „Die Justizvollzugsbeamten sind an der Grenze der Belastbarkeit und statt klarer Lösungen – bis 2025 gehen allein über 230 Beschäftigte in der JVA Tegel in den Ruhestand – wurschtelt der Senator weiter herum.“

Auch Rissmann konstatiert: „Ich vermisse einen Justizsenator. Zum Thema Strafvollzug habe ich bisher nichts gesehen, dabei kann man sagen: Die Lunte brennt.“ Er erwarte jetzt „zumindest Ehrlichkeit“, und dazu gehöre, die Stellensituation nicht auf dem Papier zu betrachten, sondern in der Wirklichkeit. Offene Stellen müssten schnell besetzt, dauerkranke Bedienstete pensioniert werden, um ihre Stellen nicht länger zu blockieren. Thomas Goiny, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten (BSBD), spürt ebenfalls ein Vakuum: „Ich weiß gar nicht, ob ich einen Senator habe, denn ich höre und sehe nichts von ihm“, sagt er.

Personalmangel

Dabei herrscht Not am Mann: Die Frage nach dem Krankenstand beantwortet die Justizverwaltung wie folgt: „Die Gesundheitsquote der Mitarbeiter der Berliner Justizvollzugsanstalten betrug im Jahr 2016 durchschnittlich 83,5 Prozent.“ Zum Vergleich: Im Schnitt liegt der Krankenstand aller Branchen insgesamt um die vier Prozent, er ist also im Vollzug massiv erhöht. Am Stichtag 30. März 2017 waren in den Justizvollzugsanstalten 2591 Personen beschäftigt. Der Stellenplan 2017 weist insgesamt 2859,37 Stellen aus. Von den 2591 gehen 881 bis 2025 in den Ruhestand.

Und es ist nicht leicht, überhaupt Personal zu finden. „Aufgrund der unzureichenden Besoldung gibt es zu wenige Bewerber für offene Stellen“, sagt Birgit Polnik, Frauenvertreterin der JVA Moabit und zugleich BDSB-Landesvize. „Und unter den Kollegen herrscht auch Frust. Es mangelt an Wertschätzung für unsere Arbeit, die sich in einem angemessenen Gehalt ausdrückt. Wir entfernen uns immer weiter vom Bundesniveau.“

96 ausgebildete Nachwuchskräfte kommen 2017

Senator Behrendt sieht immerhin für die Zukunft eine Besserung voraus. Offenbar hatten die Anwerbekampagnen seines Vorgängers Thomas Heilmann (CDU) Erfolg, jedenfalls werden in diesem Jahr 96 fertig ausgebildete Nachwuchskräfte übernommen, weitere 162 sollen in diesem Jahr ihre Ausbildung beginnen. Das wurde erst möglich, nachdem im Doppelhaushalt 2016/2017 Anwärtersonderzuschläge beschlossen wurden. Sie hätten sich als „außerordentlich probates Mittel erwiesen, die Bewerbersituation für den AVD zu verbessern“, teilte Behrendt mit. In vielen Gesprächen mit Bewerbern habe sich deutlich gezeigt, dass viele sich erst durch die Erhöhung der monatlichen Besoldung für die Ausbildung entscheiden konnten.

In der Zwischenzeit kämpfen die Bediensteten an vielen Fronten. Ein Mitarbeiter der JVA Moabit beobachtet verschärfte Probleme mit Nordafrikanern. Diese seien brutal, insbesondere Frauen gegenüber respektlos und kennten keine Hemmschwellen. Viele hätten psychische Probleme, randalierten in den Hafträumen, verschmierten dort Fäkalien; von Frauen nähmen sie kein Essen an. Das betrifft bisher vor allem die Untersuchungshaftanstalt; in der Strafhaft sind diese Gefangenen noch gar nicht angekommen.

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