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Sabine Schmidt in einem Oberteil aus ihrer eigenen Kollektion

© Anett Kirchner

Steglitz-Zehlendorf: Kleidung für sensible Haut

Sabine Schmidt macht Kleidung für Menschen mit empfindlicher Haut und Allergien. Sie hat selbst Neurodermitis - und wollte endlich schöne Sachen tragen.

Manchmal kratzt sich Sabine Schmidt die ganze Nacht durch. Weil ihr von Neurodermitis geplagter Körper so stark juckt, dass sie nicht anders kann. Nach dem Aufstehen morgens mag sie ihre Haut dann nicht ansehen. Und das Bettlaken – voll mit Hautfetzen, Schuppen, Blut verschmiert. Und immer die leidige Frage: was ziehe ich heute an? Sie möchte schön aussehen, will sich nicht verstecken.

Seit 52 Jahren lebt die Zehlendorferin mit dieser Krankheit. Jetzt hat sie aus der Not eine Tugend gemacht. Sie entwickelt spezielle Kleidung für Frauen mit empfindlicher Haut.

Denn aus eigener Erfahrung möchte sie den Betroffenen Mut machen: „egal, wie kaputt die Haut ist, gehe hinaus nehme teil, habe Spaß am Leben.“ Und so hat sie mit einer Berliner Modedesignerin zusammen spezielle Muster für ihre Stoffe entwickelt. Überwiegend in rot, mit großen Blumen oder Schmetterlingen, dazwischen gelegentlich kleine, rote Punkte. Damit es nicht so auffällt, wenn die Haut einmal wieder blutet. Denn in einfarbiger Kleidung – womöglich in weiß – fühlt sich Sabine Schmidt unwohl.

An diesem sommerlichen Nachmittag sitzt sie im Garten hinter dem Gründerzeithaus in Dahlem, in dem ihr Büro ist. Sie trägt eine Tunika aus ihrer eigenen Kollektion, bunt, freundlich und leicht wirkt der Stoff. So, wie sie selbst an diesem Tag.

Nähte reiben auf der Haut

Heute gehe es ihr gut, sagt sie und lächelt breit, beginnt dann aber reflexartig an ihren Händen zu kratzen. „Gewohnheit“, nennt sie es und will lieber über ihre Kleidung sprechen. Denn da gibt es noch andere Aspekte, die für Menschen wie sie wichtig sind: wulstige Nähte mit grobem Zwirn zum Beispiel, die reiben auf der Haut, chemische Farbstoffe, die reizen, Etikette aus Kunststoff und natürlich wenn der Stoff zu rau oder aus Wolle ist.

Sabine Schmidt arbeitet überwiegend mit Bio-Baumwolle aus ökologischer Landwirtschaft; versehen mit einem GOTS-Zertifikat, das für Global Organic Textile Standard steht. Entweder sind die Stoffe mit der Interlock-Strickart hergestellt oder gewebt. Die Nähte ihrer Kleidung lässt sie nach Möglichkeit außen anbringen, mehrfach umgeschlagen und so verarbeitet, dass trotzdem die Optik stimmt.

Etiketten werden lose angenäht, damit es möglich ist, sie heraus zu trennen. Der Druck der Muster unterscheidet sich insofern von normaler Kleidung, als dass er digital jeweils nur einseitig außen aufgebracht wird, damit die Farbe innen die empfindliche Haut nicht reizen kann.

Kleidung herzustellen, bei der an all diese Dinge gedacht wird, damit leistet Sabine Schmidt vermutlich Pionierarbeit. Denn sie habe in der Mode-Fachwelt und der Textilbranche  recherchiert. Nichts. „Das wundert mich, denn es gibt doch immer mehr Menschen mit einer sensiblen Haut.“ Und weil es für sie persönlich derart essentiell ist, hat sie kurzerhand daraus eine Geschäftsidee entwickelt.

Sabine Schmidt ist 1965 in Wedding geboren, dann aber in Steglitz-Zehlendorf aufgewachsen. Sie hat die Mühlenau-Grundschule besucht und Abitur am Beethoven-Gymnasium in Lankwitz gemacht. Später studierte sie Betriebswirtschaft an der Freien Universität Berlin (FU) in Dahlem.

Stücke aus der Kollektion
Stücke aus der Kollektion

© Anett Kirchner

An diese Zeit erinnert sie sich ungern. Denn während des Studiums litt sie besonders unter ihrer Hautkrankheit. Hinzu kamen zahllose Allergien. Zerkratzte Arme und Hände versuchte sie mit langärmeligen T-Shirts zu überdecken. „Besonders im Sommer fragte mich jeder, ob mir nicht warm sei.“ Und sie erinnert sich weiter, dass sie sich dann am liebsten Zuhause verkriechen wollte.

Sämtliche Therapien habe sie probiert: von Akupunktur, Hypnose, Kältekammer bis zur Ernährungsumstellung. Auch die vielen Kuren halfen immer nur kurzfristig. Was sie aber merkte: im Süden am Meer war es besser. „Deshalb konnte ich nicht in Berlin bleiben", entschied sie. Denn gerade hier im grünen Steglitz-Zehlendorf mit den vielen Bäumen und Pollen war ihre Lebensqualität besonders eingeschränkt.

Endlich schöne Kleider tragen

So zog Sabine Schmidt nach Teneriffa und blieb 22 Jahre dort. Auf der kanarischen Insel arbeitete sie unter anderem in der Wirtschaftsförderung und gab später Sprachkurse in Deutsch. In der Anfangszeit war ihre Haut gesund, später nicht mehr. Und wieder plagte sie dasselbe Problem. „Ich kaufte mir eine Nähmaschine und wollte eigene Kleidung schneidern“, schildert sie, stellte aber fest, dass das nur bedingt funktionierte. Denn sie wollte schöne, professionelle Sachen tragen.

Also ging sie, mit einem Businessplan in der Tasche, 2015 zurück nach Berlin; genau genommen nach Steglitz-Zehlendorf. Im Gründerinnenzentrum ließ sie sich beraten, nahm an einem Vorgründungs-Coaching des Berliner Senates teil und bekam einen Gründer-Kredit.

Ihre kleine Firma heißt nun Xaxiraxi. Den Namen hat sie sich von den Ureinwohnern der Kanaren geliehen, die ihre Göttin des Lichts so nannten. „Das passt symbolisch zu dem, was ich erlebt habe“, erklärt Sabine Schmidt. Denn sie möchte Licht ins Dunkel bringen, jenen Menschen Hoffnung geben, die glauben, an dieser Krankheit oder an Allergien verzweifeln zu müssen.

Und so ist sie stolz auf ihre erste Sommer-Kollektion: drei Oberteile, zwei Hosen und eine Innenhose, die man unter einem Kleid tragen kann. Weil sie selbst keine Fachfrau in diesem Bereich ist, holt sie sich Hilfe bei Profis. Die Kleidung lässt sie etwa von einer Textilproduktionsfirma aus Gera herstellen. Testperson ist immer sie selbst.

„Natürlich will ich meine Kleidung verkaufen, alles andere wäre gelogen, aber ich möchte auch ein Vorbild sein“, wiederholt sie noch einmal zum Schluss. Und wenn man die Narben auf ihren Armen und Händen sieht, wirkt es nicht wie eine Floskel.

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