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Einig gegen Rassismus. Das gehört zu den Grundsätzen der Eisbären Berlin, wie ihr Sprecher sagt. Hier feiern die Spieler Thomas Oppenheimer, Mark Olver, Constantin Braun und Jamie MacQueen gemeinsam ein Tor.

© City-Press GbR, Mathias Renner

Sportvereine und Populismus: Tor zur Welt: Wie Berlins Sportvereine mit der AfD umgehen

Eintracht Frankfurt will AfD-Wähler aus dem Fußball raushalten. Wie gehen Berlins Sportvereine mit den Rechtspopulisten um? Viele wehren sich gegen Rassismus – und werben um skeptische Fans.

Harald Sielaff braucht nur ein Wort, um Klartext zu reden. „Lächerlich.“ Damit ist in Kürze alles gesagt. Die längere Version geht so: „Ich würde so einen Antrag schlicht ablehnen. So ein Aufruf macht die AfD ja nur noch interessanter.“ Auf jeden Fall hat Sielaff, das Vorstandsmitglied des Fußballklubs Viktoria 1889 Tempelhof-Lichterfelde, Wichtigeres zu tun, als sich länger als ein paar Sekunden mit so einem Plan zu beschäftigen.

Eintracht-Präsident: "Für Nazis ist bei uns kein Platz"

Den Plan hatte Peter Fischer entwickelt, der Präsident des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt. Er will keine AfD-Wähler in seinem Klub. Fischer hatte vor Kurzem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt: „Es verträgt sich nicht mit unserer Satzung, AfD zu wählen.“ Das war die diplomatische Version. Gegenüber dem Hessischen Rundfunk wurde er dann etwas deutlicher: „Es gibt für die braune Brut keinen Platz. Solange ich da bin, wird es keine Nazis bei Eintracht Frankfurt geben.“ AfD-Wähler also raus aus einem Verein.

Und in Berlin? Wie steht man da zu den Ansichten von Fischer? Wird da jetzt auch die Satzung intensiv studiert?

Wird sie nicht. Niemand von jenen Vereinen und Verbänden, die der Tagesspiegel befragt hat, geht so weit wie Fischer, aus verschiedenen Gründen. Bei den Begründungen gibt es allerdings ganz unterschiedliche Aussagen.

"Die AfD ist nicht verboten. Sie hat alle demokratischen Rechte"

Harald Sielaff, der Viktoria-Funktionär, sagt erst mal, „dass die AfD keine verbotene Partei ist“. Sie habe alle demokratischen Rechte. Aber Sielaff würde „nicht mal AfD-Mitglieder“ aus dem Verein werfen, nur weil sie dieser Partei angehörten. Etwas ganz anderes ist es, „wenn sich jemand in seiner Eigenschaft als AfD-Mitglied vereinsschädigend verhält“.

Bleibt natürlich die grundsätzliche Frage, die auch Fischer nicht beantworten kann und wird: Wie soll man prüfen, ob jemand AfD-Wähler ist? Geht gar nicht. Deshalb sagt Sielaff ironisch: „Es gibt ja so etwas wie ein Wahlgeheimnis.“

"Sport ist das beste Feld zur Verständigung"

Kaweh Niroomand, der Manager des Volleyball-Bundesligisten BR Volleys, findet Fischers Idee dagegen alles andere als lächerlich. „Emotional und bezogen auf die Partei stehe ich zu 300 Prozent hinter der Ansage des Eintracht-Präsidenten“, sagt er. „Fischer hat recht mit seiner Aussage, dass Rassisten in seinem Umfeld nichts zu suchen haben.“ Niroomand war eingebunden in die Planungen für die Bewerbung von Berlin für die Olympischen Spiele 2024. „Wir haben ja schon bei der Bewerbung gesagt, dass Sport das beste Feld der Verständigung zur Überwindung von Unterschieden ist, sei es bei Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft.“

Nur: Es gibt natürlich ein Aber, auch bei Niroomand. Und dieses Aber ist der Gedanke an die Praxis. „Dieser Plan ist praktisch nicht durchsetzbar.“ Stichwort Wahlgeheimnis, die formale Ebene.

Aber der Manager denkt nicht bloß formal, er betrachtet die Diskussion als Chance, inhaltlich zu arbeiten. Gut, „es gibt im Umfeld des Sports viele Fans, die AfD wählen“. Das ist nun mal so. „Die muss man mit dem Sport zurückholen. Die Auseinandersetzung mit denen ist ein hoher Preis der Demokratie. Wir können nicht bloß durchgestylte Vereinsmitglieder haben.“

Fußball-Verband kennt bislang keine Grenzüberschreitungen

Wie Niroomand kann auch Bernd Schultz, der Präsident des Berliner Fußball-Verbands (BFV), Fischers Aussagen generell nachvollziehen. Auf Berlin seien sie aber nicht zu übertragen. „Wir haben ein recht entspanntes Verhältnis zu den Politikern der AfD im Sportausschuss“, sagt Schultz. Durch Grenzüberschreitungen, etwa Anfeindungen gegen Athleten, sei in der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus noch niemand aufgefallen. „Nazi-Vergleiche sind deshalb auch nicht angebracht“, sagt der BFV-Präsident. „Sollte es aber auf Landesebene zu solchen Äußerungen kommen, würde sich der BFV deutlich dagegen positionieren.“

"Die integrative Wirkung des Sports sollte man nicht unterschätzen"

Heiner Brandi, der Direktor des Landessportbundes (LSB), hat mit der AfD natürlich Erfahrungen gemacht, allerdings wenige, die ihn weiterbringen. Die beiden AfD-Mitglieder im Sportausschuss des Abgeordnetenhauses, Frank Scheermesser und Tommy Tabor, seien bislang völlig unauffällig gewesen. Auf keine Einladungen des LSB, etwa zu Mitgliederversammlungen, hätten die beiden je reagiert. Der LSB vertritt 640 000 Sportler.

Dafür kann Brandi viel zu Roland Gläser sagen, dem AfD-Abgeordneten aus Pankow. Der hatte im November 2017 eine schriftliche Anfrage an den Senat gestellt. Thema: „Kampf gegen rechts aus Steuermitteln.“ Gläser wollte wissen, wie viel Geld das Land unter anderem für die „Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit“ ausgibt. Die gemeinnützige GmbH engagiert sich in den sozialen Brennpunkten der Stadt und tritt in Zusammenarbeit mit dem LSB für soziale Integration ein. Dass Gläser dieses Projekt ins Visier nahm, ärgert Brandi. Gerade die integrative Wirkung des „Mediums Sport“ dürfe von der Politik nicht gering- geschätzt werden.

Viele Clubs stehen für Toleranz und eine offene Gesellschaft

Viele Klubs haben ein distanziertes Verhältnis zur AfD. Zum Stichwort AfD kommt oft die Antwort: „Wir stehen für Toleranz und eine offene Gesellschaft.“ Dann verweisen die Vereine auf ihr soziales Engagement und ihre Unterstützung in der Flüchtlingsarbeit. Sportvereine brächten Menschen aus aller Welt zusammen.

Zugleich bemühen sich viele Vereine, die Politik von den Sportstätten fernzuhalten, nach dem Motto: „Politik hat im Stadion oder in der Halle keinen Platz.“ Für Daniel Goldstein, Pressesprecher der Eisbären Berlin, ist die Sache jedoch komplizierter. Die Ränge im Eisstadion seien nun mal ein Abbild der Gesellschaft, viele Fans stammten aus Ostberlin und Brandenburg, aus Gegenden also mit relativ vielen AfD-Wählern. Der politischen Diskussion dürften die Vereine nicht aus dem Weg gehen, fordert Goldstein. „Grundsätzlich stehen die Eisbären ein gegen jeglichen Populismus und Rassismus“, sagt er. Der Mutterkonzern der Eisbären, die US-Firma Anschutz Entertainment, sehe gesellschaftliche Vielfalt als besondere Stärke an, auch wenn die deutsche Gesellschaft wie die Eishockey-Fanszene in dieser Frage gespalten sein mag.

"Die Bundesliga wäre nichts ohne die Spieler aus aller Welt"

Bob Hanning, Manager beim Handball-Erstligisten Füchse Berlin, sieht die Sache mit der AfD ebenfalls differenziert. „Für rechtes Gedankengut ist bei uns kein Platz“, sagt er. „Für Meinungsfreiheit schon.“ Wer aus Frust sein Kreuz bei der AfD mache, dürfe nicht pauschal verurteilt werden. „Aber bei Diskriminierung ist für mich Feierabend!“

Der Manager distanziert sich indirekt von der AfD und deren Forderung nach einer strikten Beschränkung der Einwanderung. Für Hanning steht außer Zweifel, dass der Sport von der Einwanderung der vergangenen Jahrzehnte stark profitiert hat. „Die Arbeit unserer Jugendabteilung lebt von der gesellschaftlichen Vielfalt“, sagt er. „Auch die Bundesliga wäre nichts ohne die Spieler aus aller Welt.“

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