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Umstritten. Vor Volksentscheid wirft die Tegel-Initiative dem Senat einen Verstoß gegen das Abstimmungsgesetz vor.

© dpa

Sponsoren bei Volksentscheiden: Volkes Stimme – fremd finanziert

Wer darf was? Es herrscht Streit über die Geldgeber von Volksentscheiden und die Gegenkampagnen des Senats.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Lassen sich Volksentscheide kaufen? Wenn Unternehmen wie Sixt und Ryan Air die Initiative zur Offenhaltung des Flughafens Tegel unterstützen, stellt sich die Frage, ob dies noch dem Grundgedanken der direkten Demokratie entspricht. Der Autovermieter versprach seinen Kunden für eine Unterschrift pro Tegel einen 10-Euro-Gutschein – und bekam dafür ein Bußgeld von 30 000 Euro aufgebrummt. Der irische Billigflieger organisierte eine eigene Plakatkampagne mit dem Logo der Initiative, die bisher nicht öffentlich als Spende deklariert wurde, wie es eigentlich vorgeschrieben ist.

„Ich habe der Landesabstimmungsleiterin unverzüglich mitgeteilt, dass Ryan Air eine eigene Kampagne durchführen möchte“, sagte der Generalsekretär und Fraktionschef der Liberalen, Sebastian Czaja dem Tagesspiegel. Ob dies als Spende bewertet werde, habe die Abstimmungsleiterin Petra Michaelis zu beurteilen. In deren Amt wundert man sich. „Mir ist davon nichts bekannt“, sagte Geschäftsstellenleiter Geert Baasen am Dienstag. Aber er wolle dies intern noch einmal klären.

Der FDP-Mann Czaja leitet die Initiative „Berlin braucht Tegel“, die im Büro des Landesvorstands seiner Partei sitzt. Bisher ist nicht bekannt, wieviel Geld aus welchen Quellen der Initiative zugeflossen ist. Im Abstimmungsgesetz des Landes Berlin gibt es lediglich die Regel, dass Geld- und Sachspenden über 5000 Euro unter Angabe des Spenders unverzüglich anzuzeigen sind. Für die Bewertung von Sachspenden gilt der marktübliche Preis.

Transparenzpflicht für Spender

Diese Vorschrift wurde im Juli 2010 vom Abgeordnetenhaus beschlossen. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wer Volksabstimmungen mit großen Spenden unterstütze. Die rot-rote Koalition verwies damals auf schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit: Als 2008 Unterschriften für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof gesammelt wurden, organisierte die CDU Spenden-Dinner und die „Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“ (ICAT) warb Sponsorengelder privater Unternehmen ein, die aber nicht genannt werden wollten. ICAT sprach damals von 350 000 Euro, die man für die Kampagne brauche.

Ein Jahr später wurde der Volksentscheid zur Gleichstellung von Ethik- und Religionsunterricht von der Evangelischen Kirche mit rund 650 000 Euro massiv unterstützt. Beide Volksabstimmungen und deren strittige Finanzierung führten nicht nur zur gesetzlichen Mitteilungspflicht für Spenden, sondern auch zu einem Spendenverbot für Fraktionen, kommunale Vertretungen und Unternehmen, die mindestens zu 25 Prozent in öffentlichem Eigentum sind.

Oliver Wiedmann, Berliner Chef des Vereins „Mehr Demokratie“, hält die 2010 beschlossenen Regelung für ausreichend. Wichtig sei, dass die Transparenzpflicht von privaten Spendern nicht umgangen werden könne. Die bundesweite Erfahrung mit Volksbegehren sei jedoch, „dass man nicht mit Geld Kampagnen drehen kann“. Entscheidend für den Erfolg sei die Glaubwürdigkeit der sie tragenden Initiativen, sagt Wiedmann.

Kritik an Senatskampagne

Und was darf der Senat? Die Tegel-Initiative beantragte am Montag beim Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung, um einen Werbebrief des Regierungschefs Michael Müller (SPD) für die Schließung Tegels zu stoppen. Sie beklagt fehlende Chancengleichheit, weil der Senat mehr Geld ausgebe als die Initiative. Das Landesabstimmungsgesetz erlaubt dem Senat allerdings, seine Argumente „unter Beachtung des Gebots der Sachlichkeit geltend zu machen“. Dies schließe den Einsatz „angemessener öffentlicher Mittel“ ein. Die Briefaktion kostet dem Vernehmen nach fast 400 000 Euro.

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag der Initiative "Berlin braucht Tegel" am Mittwoch zurückgewiesen. Das Gericht ließ den Antrag gar nicht erst zu, weil dafür das Verfassungsgericht des Landes Berlin zuständig sei. Eine „abschließende Sonderzuweisung“ an den Gerichtshof liege bereits vor.

Eine ähnliche Senatskampagne, beim Volksentscheid „Pro Reli“, hatte das Oberverwaltungsgericht im April 2009 untersagt, weil es die Chancengleichheit der Initiatoren verletzt sah. Ein Urteil, das aus formalen Gründen nicht anfechtbar war, sich aber nicht an den Grundsätzen orientierte, die vom Berliner Verfassungsgericht schon 1996 entwickelt wurden – und bis heute gelten. Damals wies das Verfassungsgericht eine Klage ab, die sich gegen eine Werbekampagne des Senats für die Volksabstimmung zur Fusion von Berlin und Brandenburg richtete.

Der Kern des Urteils: Das Verfassungsgebot der staatsfreien Meinungs- und Willensbildung des Volkes verpflichte die Regierung bei Volksabstimmungen zur Sachlichkeit, aber nicht zur Neutralität. Der Senat sei berechtigt, durch Öffentlichkeitsarbeit auf die Zustimmung der Bevölkerung hinzuwirken. Das verletze nicht die Chancengleichheit von Parteien oder die Interessen einzelner Bürger. Zur Frage der „Angemessenheit“ des Einsatzes öffentlicher Mittel für die Senatswerbung sagte das Gericht damals nichts.

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