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Diese Exil-Journalisten gestalteten die Sonderausgabe des Tagesspiegel.

© Thilo Rückeis

Sonderausgabe #jetztschreibenwir: Geflüchtete Journalisten schreiben und diskutieren im Tagesspiegel

Nach der Schlussproduktion der gedruckten Sonderausgabe von geflüchteten Journalisten gab es noch eine Debatte: Wie kommen die Zeitungsmacher in Deutschland in Arbeit? Danach wurde gefeiert.

Als der Tagesspiegel-Chor den finalen Ton gesungen hat und der Applaus verstummt ist, klettert der stellvertretende Chefredakteur Arno Makowsky auf das Podium. „Es war ein langer Tag“, sagt er an diesem Freitagabend. In der linken Hand hält er eine Fernbedienung mit der er durch die Samstagsausgabe des Tagesspiegels klickt, die auf die Wand neben ihm projiziert wird.
Es war ein langer Tag, weil der Tagesspiegel erstmals eine Ausgabe gemacht hat, an der viele geflüchtete Journalisten mitgeschrieben haben. Sie sitzen mit auf der Bühne. Sie tragen Kopfhörer. Es wird simultan übersetzt. Markowsky spricht Deutsch, sie sprechen Farsi, Syrisch oder Somali.

Seit Juli arbeiteten die Exiljournalisten im Tagesspiegel

Im Juli hatten die Exil-Journalisten in einem Workshop damit begonnen, an ihren Texten zu arbeiten. Einer von ihnen ist Abdulrahman Omaren. Vor einem Jahr kam nach Berlin. Jetzt steht der Syrer neben Makowsky. Die Kopfhörer liegen locker auf den Schultern. So wie die Syrer mit ihren Tieren umgehen, so gingen sie auch mit der Gesellschaft um, sagt Omaren. Deshalb faszinierte ihn, wie die Deutschen mit ihren Hunden umgehen. Er schrieb es auf. Ein anderer ist Hussein Ahmad. Auch er steht auf dem Podium, schiebt er die Hände tief in die Taschen seiner Hose. Auf der Meinungsseite schrieb er, was es bedeutet, eine eigene Meinung zu haben. „In Syrien gibt es eine Meinung. Die des Diktators. Das Volk hat keine Meinung“, sagt er. Seine Freunde und er hatten keine Ahnung, was Freiheit bedeutet. „In Deutschland wundere ich mich täglich, wie normal es ist, seine Meinung frei zu sagen.“ Dieses neue, andere Perspektive sei wichtig, sagt der frühere Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning. „Journalisten können Brücken bauen“ - zwischen Flüchtlinge und der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Auch deshalb nennt er die Sonderausgabe ein „Zeichen gegen die Angstmacher“.

Der Tagesspiegel-Chor sang zum Launch der Sonderausgabe.
Der Tagesspiegel-Chor sang zum Launch der Sonderausgabe.

© Doris Spiekermann-Klaas

Später diskutiert auf dem Podium Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff darüber, welche geflüchtete Journalisten haben, dauerhaft in Deutschland zu arbeiten. Neben Casdorff sitzt Rebecca Roth. Sie gründete die Neuen Deutschen Medienmacher. Die Organisation hilft auch 25 exilierten Journalisten mit einem Mentoren-Programm. „Es war erstaunlich, dass wir so schnell Mentoren finden konnten“, sagt Roth und fragt, wie nachhaltig das sei. „Es ist toll, ein Praktikum machen zu können, doch wie geht es danach weiter?“

"Wir brauchen mehr Zeit"

Eine Antwort darauf hat auch die syrische Journalistin Amloud Alamir nicht. Sie arbeitet für den RBB und Deutschlandradio Kultur. Auf dem Podium sagt sie: „Wir brauchen mehr Zeit.“ Ein Monat Praktikum reiche nicht aus. „Gibt es die Aussicht, als freier Journalist, Beiträge zu liefern?“ Im Tagesspiegel wird zumindest einer der Journalisten ein Volontariat beginnen, der an der Sonderausgabe mitarbeiten. „Das was hier errungen wurde, darf nicht vergehen“, sagt Casdorff. Auch könnten Journalisten Plattformen gründen, auf denen sie ihre Artikel und Themen anbieten könnten. Dann meldet sich ein Geflüchteter aus Afghanistan. Er fragt, warum so wenig über Afghanistan, aber viel über Syrien berichtet werde. Eine Syrerin antwortet: Die Afghanen wollten in Freiheit leben. Ihr gehe es darum, zu leben. "In Syrien kann ich jederzeit getötet werden."

Am Freitagabend nahmen die Exiljournalisten die ersten Exemplare der Sonderausgabe in Empfang.
Am Freitagabend nahmen die Exiljournalisten die ersten Exemplare der Sonderausgabe in Empfang.

© Doris Spiekermann-Klaas

Der Tagesspiegel hat geflüchtete Journalisten eingeladen und mit ihnen jenes Leid, das sonst nur am Rande wahrgenommen wird. Es gebe viel Redebedarf, sagt Roth. "Wir müssen alle viel mehr miteinander sprechen." So fühlten sich viele Geflüchtete auch schlecht informiert über politische Entscheidungen und Gesetzeslagen. Roth sagt, hier könnten gerade die geflüchteten Journalisten, die in Deutschland arbeiten, eine wichtige Funktion übernehmen.

Am Ende des Abends werden die ersten Ausgaben des Tagesspiegel angeliefert. Danach wird noch gefeiert.

Die Ausgabe der geflüchteten Journalisten #jetztschreibenwir erscheint am heutigen Sonnabend.

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