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Mehr Videoüberwachung in Berlin? Das zumindest will das Aktionsbündnis.

© Paul Zinken/dpa

Update

Sicherheit in Berlin: Linke: Gesetzentwurf zur Videoüberwachung ist verfassungswidrig

Ein rechtliches Gutachten im Auftrag der Linken soll beweisen: Der Entwurf des Aktionsbündnisses für mehr Videoüberwachung ist rechtlich nicht umsetzbar. Die Koalitionspartner stimmen zu.

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Ein rechtliches Gutachten hat ergeben, dass der Gesetzentwurf des „Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ verfassungswidrig ist. Demnach beinhalte das Gesetz Passagen, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar seien. Die Ergebnisse des Gutachtens stellte die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus am Freitag vor. Sie hatte das Gutachten bei dem Strafrechtler Fredrik Roggan in Auftrag gegeben. Das Aktionsbündnis für mehr Videoaufklärung und Datenschutz“ will mehr Videoüberwachung in der Hauptstadt und sammelt noch bis Mitte März Unterschriften für die erste Stufe des Volksbegehrens.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Udo Wolf, sagte zu dem Gutachten: „Wir hatten von Beginn an verfassungsrechtliche Bedenken und wollten Rechtssicherheit.“ In dem Gutachten ginge es nicht um die politische Dimension des Themas, sondern allein um die rechtliche. Man spiele hier mit der Volksgesetzgebung, weil das Gesetz formaljuristisch so gar nicht möglich sei. Der Sprecher für Datenschutz der Linken, Niklas Schrader sprach von einer „exorbitanten Überwachungsintensität“, die in dem Gesetzentwurf festgehalten sei.

Roggan kritisierte vor allem die Absätze, in denen es um die Video- und Tonaufzeichnungen im öffentlichen Raum geht, die nicht gekennzeichnet werden sollen weil aus denen nicht klar hervorgeht, in welchen Fällen die Aufnahmen nicht gekennzeichnet werden müssen. Zumal diese Form der nicht gekennzeichneten Videoüberwachung Roggan zufolge bereits in einem Bundesgesetz zum so genannten „Kleinen Lauschangriff“ definiert sei. Damit habe das Land Berlin keine Gesetzgebungskompetenz. Dazu sei das Gesetz auch noch schlecht formuliert. Als Beispiel nannte er die „möglichst intelligente Videoüberwachung“. Hier sei nicht klar, ob oder wann entsprechende Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden dürfe. An einigen Stellen verweise der Text auf sich selbst.

Initiative will das Gesetz nachbessern

Das Aktionsbündnis sieht diese Probleme nicht. „Die im Gutachten länglich erörterten Fragen der Gesetzgebungskompetenz des Landes sind höchstrichterlich geklärt“, heißt es in der Pressemitteilung. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum Videoaufklärung in den Berliner U-Bahnen, Bahnhöfen, Bussen und Straßenbahnen und auch in allen anderen Bundesländern verfassungsrechtlich in Ordnung sein soll, nur auf öffentlichen Plätzen in Berlin nicht“, sagte der Mit-Initiator des Bündnisses Heinz Buschkowsky (SPD), der knapp 15 Jahre lang Bezirksbürgermeister von Neukölln war.

Seit der Vorstellung des Gesetzentwurfs im Juni 2017 habe das Bündnis einige Anregungen bekommen, wie zwei oder drei Formulierungen noch klarer gefasst werden könnten, teilte das Bündnis mit. Der ehemalige Berliner Justizsenator und ebenfalls Mit-Initiator Thomas Heilmann (CDU) erklärte, es sei von Beginn an geplant gewesen, das Gesetz nachzubessern, sobald die Senatsverwaltung es geprüft habe.
Inzwischen hat das Aktionsbündnis rund 18 000 Unterschriften gesammelt, sobald es die noch erforderlichen restlichen 2000 zusammen hat, geht der Entwurf zur Prüfung an die Innenverwaltung. Eine versteckte Überwachung sei nicht Ziel der Initiative, sagte Heilmann dem Tagesspiegel. Und das Gutachten sei vielmehr ein politisches Eigentor der Linken. Denn im Umkehrschluss könne das jetzt vorliegende Rechtsgutachten die Grundlage dafür bilden, dass nach gewissen Änderungen eine Videoüberwachung verfassungsmäßig sei.

Koalition ist sich einig

Innensenator Andreas Geisel (SPD) schloss sich der Auffassung der Linken an, dass „eine Reihe von Passagen des Gesetzentwurfs verfassungswidrig sind“. Sobald die Unterschriftensammlung beendet sei, werde seine Behörde den Text des Volksbegehrens rechtlich prüfen „und dann sehen wir mal weiter“, sagte Geisel am Rande der SPD-Fraktionsklausur in Hamburg. Der Senator bestätigte, dass der Gesetzentwurf juristisch nachgebessert werden darf.
Unabhängig davon müsse die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Initiative weitergetrieben werden, sagte Geisel. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass man an kriminalitätsbelasteten Orten in Sachen Videoüberwachung mehr machen kann.“ Überrascht hat den Senator das Gutachten nicht. „Ich kannte es, wir sind ja in einer Koalition.“

In der SPD wird derzeit noch darüber diskutiert, so hört man aus Fraktionskreisen, ob Rot-Rot-Grün der Initiative um Heilmann und Buschkowsky bei einem Volksentscheid einen eigenen Gesetzentwurf als Alternative entgegenstellen soll. Auch der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, hält das Videoüberwachungsgesetz für verfassungswidrig. Er sagte, man werde als Koalition „über geeignete Maßnahmen für mehr Sicherheit im öffentlichen Raum sprechen“.

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