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Warten gehört dazu auf dem Bürgeramt in Berlin Kreuzberg im Rathaus Kreuzberg.

© Mike Wolff

Serie zur Berliner-Verwaltungsreform: Diese Verwaltung wird Berlin nicht gerecht

In Berlins Verwaltung hakt es. Der ehemalige Grünen Politiker Hartmut Bäumer erklärt, wie er das Neben- und Durcheinander der Verwaltungen beenden würde.

Berlin ist eine Weltstadt, eine großartige Stadt. Der Verwaltungsalltag in der Metropole wird dieser Feststellung nicht gerecht. Staatsversagen oder organisierte Unverantwortlichkeit sind die Vokabeln, mit denen selbst Abgeordnete von Regierungsfraktionen den Zustand beschreiben.

Einige Beispiele: Beim Heiraten sollte man sich Zeit lassen oder auf Umlandgemeinden ausweichen, Kinder bekommen auch lieber nicht, wenn man eine Geburtsurkunde benötigt, ältere Kindern gehen in verrottende Schulen, Rechtsansprüche auf Unterhalt alleinerziehender Elternteile können nicht erfüllt werden. Autos anmelden, kurzfristig einen Pass verlängern – eher Glücksache.

Die Flüchtlingsunterbringung läuft nur schleppend. Über den BER soll gar nicht erst gesprochen werden. Und schuld sind immer die anderen, der unfähige Bezirk, der ignorante Senat, die vorherige Regierung oder, oder … keinesfalls diejenigen, die per Wahlen eingesetzt wurden, diese Stadt zu regieren.

Zuerst das Problembewusstsein

Das rechtliche Grundkonstrukt der Stadt Berlin ist bald 100 Jahre alt und geht auf politische Kompromisse bei der Eingemeindung einer Reihe damaliger Großgemeinden zurück. Es ist den Herausforderungen einer Metropole im 21. Jahrhundert nicht mehr gewachsen und bedarf der Modernisierung von Grund auf.

Folgende Problembereiche sind als Erstes anzugehen: die Steuerung der Einheitsgemeinde vom Neben- und Durcheinander zwischen Senats- und Bezirksebene durch klare Verantwortungsaufteilung befreien, dysfunktionale Strukturen auflösen, ein zeitgemäßes Personalmanagement etablieren und die im E-Government-Gesetz angedachten Digitalisierungsschritte wenigstens in Angriff nehmen.

Steuern und steuern lassen

Im Hinblick auf die Steuerungsfähigkeit der Einheitsgemeinde Berlin müssen Senat und Abgeordnetenhaus für eine aufgabenbezogene Verantwortungsverteilung zwischen Senats- und Bezirksebene durch Eindeutigkeit und Klarheit bei den Zuständigkeiten sorgen. Die Fehler der Verfassungs- und Verwaltungsreform von 1995/1998 (scheinbare Stärkung der Bezirke, Wegfall der Fachaufsicht, Einführung des Eingriffsrechts des Senats usw.) sind zu korrigieren.

Der Regierende Bürgermeister, die Bürgermeisterin nimmt seine/ihre Steuerungsfunktion für die Einheitsgemeinde wahr und versteht sich nicht nur als Moderator zwischen den Ebenen. Die Bezirksbürgermeister als Leiter einer nachgeordneten Behörde der Einheitsgemeinde werden in ihrer Funktion dahingehend gestärkt, dass sie den Stadträten Fristen zur Erledigung von Vorlagen setzen und im Konfliktfall zwischen zwei Stadträten für eine endgültige Entscheidung sorgen können.

Den Bezirken werden bestimmte festgelegte Aufgaben, die keine gesamtstädtische Bedeutung haben, zur alleinigen Erledigung zugewiesen, ohne dass es hierbei eine Eingriffs- oder Weisungsmöglichkeit seitens der Senatsverwaltung jenseits der Rechtsaufsicht gibt. Alle Aufgaben mit gesamtstädtischem oder rein staatlichem Bezug werden den Bezirken zur Erledigung nach Weisung wie in allen sonstigen Bundesländern übertragen. Dies garantiert eine einheitliche Praxis in ganz Berlin.

Für die rein bezirklichen Aufgaben erhalten die Bezirke ausreichende Globalbudgets, für die übrigen Aufgaben eine kostendeckende Zuweisung.

Es hakt bei Ausstattung und Personal

Die Stadt Berlin braucht ein zeitgemäßes Personalmanagement, das den Interessen der Stadt, aber auch den vielen engagierten MitarbeiterInnen gerecht wird. Die in der Sache notwendige, in der Form falsche Personaleinsparungspolitik nach der Rasenmähermethode unter Wowereit/Sarrazin war der politischen Kultur der Stadt geschuldet, keine konkreten Entscheidungen zu treffen und möglichst die Senatsebenen zu schonen.

Die technische Ausrüstung der Verwaltung hinkt extrem den deutschen und europäischen Standards hinterher. Trotz eines fortschrittlichen E-Government-Gesetzes ist nur ein Bruchteil der IT-Arbeitsplätze einheitlich ausgestattet, in den Bezirken und Senatsverwaltungen werden eigene Systeme vorgehalten, was einheitliche Verwaltungsabläufe behindert.

Ab 1. Januar 2018 sind alle Einrichtungen der Stadt für die Durchführung ihrer Aufgaben zur Abnahme der Leistungen des IT-Dienstleistungszentrums (ITDZ), verpflichtet. Ein zur Vereinheitlichung der Ablaufstrukturen begrüßenswerter Ansatz. Es scheint aber an den notwendigen Vorbereitungen des ITDZ durch die zuständige IKT-Staatssekretärin zu fehlen. Eine leider typische Berliner Geschichte …

Um politisch voranzukommen, ist eine Reform des Gesetzes zur Wahl des Abgeordnetenhauses notwendig. In Zukunft sollten in Berlin nur noch Landeslisten aufgestellt werden, um den Einfluss rein bezirklichen Denkens bei den Listenaufstellungen der Parteien zu begrenzen. Er ist durch die direkt gewählten Abgeordneten aus den Bezirken hinreichend gewährleistet.

Allein dieser letzte Vorschlag macht deutlich, dass wir in Berlin Menschen vom Schlage eines Macron oder eines Freiherrn vom Stein benötigen, die Kenntnis haben, Mut und Charisma. Sie sind in den Berliner Parteien allenfalls versteckt vorhanden.

Hartmut Bäumer war Ministerialdirektor im baden-württembergischen Ministerium für Verkehr und Infrastruktur und Mitglied der Enquetekommission „Eine Zukunft für Berlin“.

Was muss sich ändern in Berlin? Lesen Sie jetzt die gesamte Serie zur Verwaltungsreform als kostenfreies E-Magazin.

Hartmut Bäumer

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