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Das Zementwerk Berlin an der Rummbelsburger Bucht, Vom Dach des Betonsilos hat man einen Rundum-Blick auf die Skyline von Berlin wie z.B. auf die Plattenbauten in Lichtenberg.

© Kitty Kleist-Heinrich

Serie: Bezirke vor der Wahl: Lichtenberg: Aufstrebendes Mauerblümchen

Lichtenberg entwickelt sich dank sanierter Kieze und Neubauquartiere zur gefragten Adresse für Zuzügler. Wohnen mit Concierge und Essen mit Stern – ist hier alles zu haben.

Lichtenberg? Schwer im Kommen. Jedenfalls unter Berlinern und Zugereisten, die was auf Dauer suchen, die den Innenstadt-Hype entbehren können und sich auch vom schadhaften Image des Bezirks nicht beeindrucken lassen, den Ältere immer noch reflexhaft mit der Stasi-Zentrale verbinden, mit Plattenbauten an überbreiten Straßen und runtergerockten Industriegeländen.

Erst einmal wäre zu klären, was überhaupt alles zu Lichtenberg gehört, denn kein Bezirk kann ja allein aus spätstalinistischen Magistralen, Brachen und hohen, kastenförmigen Häusern bestehen. Hohenschönhausen zum Beispiel ist seit der Bezirksreform ein Teil von Lichtenberg – okay, kein so tragendes Argument. Aber Friedrichsfelde gehört dazu, und das bedeutet Tierpark, Schloss und – wer’s mag – Sozialistenfriedhof. Speziell der lange ein wenig vernachlässigte, nun aber wieder aufstrebende Tierpark dürfte für viele Berliner aus anderen Bezirken und auch für Touristen der einzige Berührungspunkt mit Lichtenberg sein, eine grüne Insel.

Immerhin. Aber es gibt hier noch mehr zu sehen und sogar zu wohnen. Denn nehmen wir mal Karlshorst. Das ist jener Ortsteil, den die russischen Besatzer damals so schick fanden, dass sie sich einen großen Teil davon einfach mal zur Habe nahmen. Sie sind lange abgereist, und ihr einstiges Reich ist zum Anziehungspunkt für Zuzügler geworden, die die wilden Jahre hinter und die Karriere vor sich haben und nun was mit Familie machen wollen. Alte Villen und Neubauten, die ebenfalls in Bodennähe bleiben, bestimmen das neue Bild – Karlshorst könnte das neue Pankow werden, wenn alles glatt geht.

Das Umfeld kann allerdings noch zulegen

Trés chic ist auch die Rummelsburger Bucht mit vielen neuen Wohngebäuden am Wasser, wo neulich sogar eindeutig ein Fischotter gesichtet wurde. Das war noch lange nach der Wende kaum absehbar, denn diese Ecke war bekannt für schmutzende Industrie, ein berüchtigtes Gefängnis, ein Heizkraftwerk und unzählige Bahngleise. Heute steht am Wasser der Bucht ein komplett neuer Stadtteil mit Wohnungen und Reihenhäusern der gehobenen Kategorie. Wer was Großzügiges mit Concierge am Eingang sucht und nicht in die Friedrichstraße oder zum Potsdamer Platz will, sollte mal hier genauer hinschauen.

Das Umfeld kann allerdings noch zulegen. Der Weitlingkiez rund um den Bahnhof Lichtenberg hatte mal einen miesen Ruf als rechtsradikales Biotop – doch das ist weitgehend trockengelegt, die Bausubstanz, die gerade saniert wird, kann mal vom Feinsten sein, das ist so eine Art Friedrichshain im Wartestand; irgendwann kommt sicher auch den Besitzern der schätzungsweise drei Dutzend Nagelstudios hier mal eine neue Geschäftsidee.

Selbst Hohenschönhausen, der Inbegriff der Plattensiedlung, sieht längst erträglich aus, hier wurde ebenso viel für Optik und Infrastruktur getan wie in Marzahn oder Hellersdorf. Die alten Villen um Ober- und Orankesee waren schon immer begehrt, das hat sich bis heute nicht geändert. Malchow, Falkenberg und Wartenberg kennt man flüchtig von den Fahrplänen des Nahverkehrs, wer dort nicht wohnt, muss auch nicht hin. Aber auch dort am östlichen Stadtrand wird allerhand gebaut, vor allem für junge Familien.

Schlechter Ruf von der Stasi

Aber was ist jetzt eigentlich mit Lichtenberg selbst? Um noch einmal auf den schlechten Ruf zurückzukommen: Der hängt wohl meist mit der Erinnerung an die Normannenstraße zusammen, wo die Stasi ihren Hauptsitz hatte – eine Adresse, die bekannter war als der gesamte Bezirk drumherum. Heute ist das Gebäude, das während der Wende von den Bürgern so lustvoll gestürmt wurde, ein Museum. Typischer für das neue Lichtenberg ist aber eher das weithin sichtbare Hochhaus an der Landsberger Allee, ein gescheitertes, nie fertig gestelltes Einkaufszentrum, das lange leer stand, bis eine unbekannte österreichische Hotelgesellschaft wagemutig ein Hotel hineinsteckte: Andel’s Hotel, eine 534-Zimmer-Burg, die sogar über Aufzüge für Reisebusse verfügt.

Der Clou ist allerdings, dass es oben unter dem Dach eine Bar mit fabelhaftem Blick über das östliche Berlin gibt, und dazu ein Restaurant namens „Skykitchen“, das sogar mit einen Michelin-Stern ausgezeichnet ist – das war garantiert in keinem Entwicklungsplan vorgesehen für das Mauerblümchen unter den Berliner Bezirken.

In unserer Bezirksserie zur Wahl stellen wir in der nächsten Folge Marzahn-Hellersdorf am 27.8. vor. Mehr zur Wahl in Berlin finden Sie auf unserer neuen interaktiven Seite wahl.tagesspiegel.de.

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