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Trotz zehn Jahren Homo-Ehe in Deutschland ist Homophobie nach wie vor ein gesellschaftliches Problem.

© dpa

"Schwul" ist kein Schimpfwort: Schulen klären muslimische Eltern auf

Berlin ist ein buntes Potpourri aus Menschen verschiedenster Identitäten. Dennoch ist Homophobie an vielen Schulen ein Problem. Mit Schulbeginn geht ein Elternbrief raus, der Akzeptanz fördern soll.

Homosexualität und Islam – das scheint nicht zusammenzupassen. Aber wer weiß schon, dass es im Mittelalter Kalifen gab, die offen homosexuell lebten – Kalifen, die Muslimen als Nachfolger Mohammeds gelten. „Auch im islamischen Kulturkreis wurden bestimmte Formen der Homosexualität über viele Jahrhunderte toleriert“, steht in einem neuen Elternbrief, den der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) und der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) gemeinsam zum Thema „Gleichgeschlechtliche Liebe“ erarbeitet haben – auf Deutsch-Türkisch und Deutsch-Arabisch.

Zu Schuljahresbeginn wird der Elternbrief von der Senatsbildungsverwaltung an alle Berliner Schulen versendet. Er gehört zu einem fünfteiligen Paket für die Schulen – gemeinsam mit vier sogenannten Handlungsanregungen gegen „Mobbing an der Schule aufgrund der sexuellen Identität“ für die Schulleitung, die Schüler, die Lehrer und das Schulpersonal. Jeweils auf vier Seiten werden knapp die wichtigsten Punkte behandelt. Die Blätter sollen in allen weiterführenden Schulen ab Klasse sieben verteilt werden. „Wir wollen alle Zielgruppen gleichzeitig ansprechen, aber auf unterschiedliche Weise“, sagt Semiramis Ceylan, Mitarbeiterin des Lesben- und Schwulenverbandes Berlin-Brandenburg. „Auch bei Lehrern gibt es noch Nachholbedarf.“

Im Mittelpunkt der Aktion stehen dennoch die muslimischen Eltern: „Für viele gilt Homosexualität als schwer wiegende Sünde“, sagt Jouanna Hassoun vom Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule, die Workshops an Schulen organisiert. Das Thema werde in den Familien totgeschwiegen, weil viele Eltern glaubten, Homosexualität gebe es in ihrem Kulturkreis nicht. Deshalb findet Jouanna Hassoun die Passage im Elternbrief über die homosexuellen Kalifen sehr hilfreich beim Argumentieren. Des Öfteren diskutiert sie mit Müttern über das Thema. Allerdings seien das meist Frauen, die sich in Projekten engagierten. „Es ist für den LSVD nicht so einfach, direkt an die Eltern heranzukommen“, sagt Jouanna Hassoun. Deshalb sei es so wichtig, dass der Türkische Bund mit im Boot ist, sagt Jörg Steinert, Geschäftsführer des LSVD. Im Elternbrief wirbt TBB-Vorstandssprecher Serdar Yazar um „Akzeptanz und Respekt für gleichgeschlechtliche Lebensweisen.“ Yazar veranstaltet für den TBB auch Elternseminare, in denen das Thema vorkommt.

Durch die Briefe sollen Eltern einerseits für die Sexualität der eigenen Kinder sensibilisiert werden. Andererseits sollen sie ihre Kinder dazu anleiten, Homosexualität mit mehr Respekt zu begegnen. Damit es weniger Gewalt gegen Homosexuelle durch muslimische Jugendliche gibt. „Es ist wichtig, dass Eltern nicht darüber hinweggehen, wenn ihre Kinder ,schwul‘ als Schimpfwort benutzen“, sagt Jouanna Hassoun.

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