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Die Journalistin und Politikwissenschaftlerin Kristin Helberg stellte in der neuen Salonreihe „Diwan“ des Tagesspiegels ihr Buch „Verzerrte Sichtweisen. Syrer bei uns“ vor.

© Kai-Uwe Heinrich

Salon-Reihe von Tagesspiegel und Friedrich-Naumann-Stiftung: Auf Tuchfühlung im Diwan

In der Salon-Reihe von Tagesspiegel und Friedrich-Naumann-Stiftung sprechen Leser mit Geflüchteten. Es geht ums Kennenlernen. Bei der Premiere traf Syrien-Expertin Kristin Helberg auf Ahmad Al-Dali.

Als sie in Damaskus lebte, erzählt Kristin Helberg, führte sie jeden Tag, auf der Straße, beim Krämer, im Restaurant, unzählige Mini-Gespräche. "Guten Morgen Abu Ahmad, wie geht's deiner Frau?", "As-salumu-aleikum, Ibrahim, was für eine Hitze!" Denn die Syrer, so wie die deutsche Journalistin und Politikwissenschaftlerin sie zwischen 2001 und 2008 in Damaskus kennengelernt hat, sind gesellig und immer für ein freundliches Schwätzchen zu haben. "Wenn diese Syrer jetzt als Flüchtlinge nach Berlin kommen, dann erscheinen ihnen hier viele Menschen verschlossen und kalt", sagt Helberg. "Dass auch Deutsche gerne plaudern, merken sie erst, wenn der erste Schritt getan, das Eis gebrochen ist."

Eins von vielen Missverständnissen, das die in Berlin lebende Autorin in ihrem gerade erschienenen Buch „Verzerrte Sichtweisen. Syrer bei uns. Von Missverständnissen, Ängsten und einem veränderten Land“ beschreibt. Ob es das Verhältnis zur Familie ist, zum Staat, zur Privatsphäre, zu den Geschlechterrollen oder zu den Älteren: Überall gibt es unterschiedliche Auffassungen. Die sich aber erklären, verständlich machen lassen.

Pauschalisieren will Kristin Helberg nicht

Im "Diwan", der neuen Salon-Reihe von Tagesspiegel und Friedrich-Naumann-Stiftung, versuchte Helberg genau das am Montagabend im Tagesspiegel-Haus. Sie stellte ihr Buch vor und diskutierte darüber mit Ahmad Al-Dali, 26 Jahre alt und 3D-Designer, der jeden Samstag von Maria Fiedler im Mehr-Berlin-Teil interviewt wird. Im Publikum: Tagesspiegel-Leser und Geflüchtete, überwiegend Exiljournalisten, die bei der Sonderausgabe #jetztschreibenwir vom 15. Oktober mitgearbeitet haben. Simultandolmetscher ermöglichten, dass alle verstehen konnten, was gesagt wurde.

Pauschalisieren will Kristin Helberg natürlich nicht: "Es sind ganz verschiedene Gruppen von Syrern gekommen. In Berlin sieht man viele gebildete Syrer, die in Projekten von Stiftungen und Institutionen mitmachen. Aber es gibt natürlich auch viele, die noch frustriert im Heim sitzen und kein Wort Deutsch verstehen." Mit Verallgemeinerungen kennt Ahmad Al-Dali sich aus: "Manche Deutsche denken, dass alle Syrer Extremisten sind oder Frauen angrapschen wie in Köln zu Silvester. Aber es ist genauso eine Verallgemeinerung, wenn man ein paar tausend Demonstranten in Dresden mit 80 Millionen Deutschen gleichsetzt." Er fragt: "Es gibt viele Programme für Neuankömmlinge, wieso gibt es nicht oder nur wenige Programme für die Deutschen? Aufklärung muss in beide Richtungen gehen."

Ein anderer Zugang

Mariam Meetra aus Afghanistan hat bei der #jetztschreibenwir-Ausgabe mitgearbeitet, sie findet: "Deutsche und Flüchtlinge kennen einander zu wenig. Wir Exiljournalisten haben den Auftrag, Fragen zu beantworten, von unseren Erfahrungen zu erzählen. Deshalb bin ich heute hier. Wenn wir die Möglichkeit finden, sollten wir miteinander sprechen."

Genau das passiert im "Diwan" – bei arabischer Musik und Essen. "Solche Veranstaltungen sind wichtig, weil sie ein persönliches Erlebnis, einen anderen Zugang ermöglichen", sagt Tagesspiegel-Leserin Ilse Kischlat. Gisela Tautz-Wiesner sieht das ebenso: "Es fördert das Verständnis, wenn man die Menschen direkt kennenlernt. Vieles beruht ja auf Missverständnissen." Und sie fände es gar nicht schlecht, wenn auch die Deutschen sich an Benimmregeln erinnern würden, die für Syrer normal sind: zum Beispiel für ältere Menschen im Bus aufzustehen.

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