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Puzzle an der Wand. Im S-Bahnhof Schönhauser Allee wurden jetzt die letzten Bilder an der Stützwand montiert.

© Davids/Sven Darmer

S-Bahnhof Schönhauser Allee: In die Geschichte reisen und rumstehen

Die S-Bahn montierte in Mauernischen Bilder von der Station und ihrer Umgebung. Nun gibt es eine Zeitreise beim Warten – mit Tagesspiegel-Zitaten.

Das Ding ist schwer. Stephan Becker und seine Kollegen stehen auf einem wackligen Gerüst und stemmen eine PVC-Platte nach oben. In einer Mauernische am S-Bahnhof Schönhauser Allee. Endlich sitzt sie am Platz – und hält. Das erste Stück eines dreiteiligen Puzzles ist kurz vor 22.30 Uhr befestigt. Es gehört zu einem neuen Wandkunstwerk mit Motiven rings um den Bahnhof. Und mit Zitaten aus den „Mehr Berlin“-Seiten des Tagesspiegel. Insgesamt 24 Bögen sind jetzt damit ausstaffiert. In der Nacht zu Mittwoch wurden die letzten gefüllt.

Seit Mitte April wurden die Bilder nachts angebracht. Der S-Bahn-Verkehr musste deshalb auf dem Gleis vor der Mauer jeweils von 22 Uhr an bis zum Betriebsbeginn am nächsten Morgen gesperrt werden. Wie eine Hälfte des Bahnsteigs. Fahrgäste sahen den Arbeiten meist neugierig zu und fotografierten auch fleißig, wie Becker in einer kurzen Arbeitspause sagte. Und die meisten hätten bereits das Zwischenergebnis gelobt. Aus dem zuvor doch ziemlich tristen Bahnhof ist mit der Bildergalerie ein kleines Schmuckstück geworden.

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Doch die Bahn hat sich nicht nur auf die gemauerte Stützwand mit ihren Nischen konzentriert. Sie hat zwar auch dort bereits im vergangenen Jahr die angebrachten Schmierereien entfernt, aber auch den gesamten Bahnsteig gründlich gereinigt, den Dreck aus den Gleisen entfernt, die Taubenvergrämung erneuert und auch ein wenig Farbe spendiert.

Die Wand war seither nicht wieder beschmiert worden. „Ein kleines Wunder“, sagte Friedmann Keßler, bei der Bahn zuständig für die Bahnhöfe der Region. Nun hofft er, dass es den Fotos und Zitaten auch so geht und sie von Graffiti verschont bleiben. Vorbeugend sind sie dagegen aber auch geschützt.

Ohne Arcaden. Der Bahnhof Schönhauser Allee, damals noch ohne Einkaufszentrum. Das Foto entstand im Frühsommer des Jahres 1988.
Ohne Arcaden. Der Bahnhof Schönhauser Allee, damals noch ohne Einkaufszentrum. Das Foto entstand im Frühsommer des Jahres 1988.

© imago/Seeliger

1,6 Kilometer Leisten

Die Arbeit war aufwendig. Erst mussten die Bögen mit Lasertechnik vermessen werden. Das Problem: Die Mauern waren zum Teil uneben. Die schwierigste Montage hatte man sich deshalb für die letzte Nacht aufgehoben, um aus Erfahrung zu lernen. Es hat geklappt.

Nach dem Messen wurden die Metallleisten angefertigt, auf denen dann die einzelnen Platten Stück für Stück genietet wurden. 1,6 Kilometer Leisten waren nach Beckers Angaben erforderlich; die Platten wiegen zusammen 4,6 Tonnen. Jedes Motiv setzt sich aus drei bis vier Einzelteilen zusammen.

Eine Reise durch die Geschichte

Entwickelt hat das Konzept die Agentur Markstein zusammen mit der Bahn. Markstein war auch bereits an der Umgestaltung der Stationen im Nord-Süd-Tunnel beteiligt, die zu einem kleinen Geschichtsmuseum geworden sind. Ziel der Bahn sei es, auch kleinere Stationen aufzuwerten, sagte Keßler. An der Schönhauser Allee habe die Bahn insgesamt rund 190.000 Euro investiert.

Die Bilder ermöglichen nun eine Zeitreise: Als an der Schönhauser Allee noch keine Häuser standen, aber die ersten Filmaufnahmen in Deutschland entstanden, bis zu den Protesten rund um die Gethsemanekirche vor der Wende. Nur zu einem Unfall gibt es keine Dokumentation. Bei Bauarbeiten war 1987 ein Teil des Bahnsteigdaches eingestürzt. Aber zu sehen gibt es auch sonst genug.

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