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Die Gedenkbibliothek in Kreuzberg platzt aus allen Nähten.

© iamgo

Rot-rot-grüne Koalitionsverhandlungen: Der Neubau der ZLB wird verschoben - und damit aufgehoben

Berlins Bibliothekslandschaft sollte einen modernen Neubau erhalten, 270 Millionen Euro stehen seit Klaus Wowereits Zeiten bereit. Nun kippen die rot-rot-grünen Demnächst-Koalitionäre das Vorhaben. Man fasst sich an den Kopf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Was wurde gelästert über das Lieblingsvorhaben Klaus Wowereits, in seinem Heimatbezirk Tempelhof den Neubau der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB) zu errichten! Der Bedarf, angesichts der überlasteten, antiquierten Bibliothekszentren in Ost und West, liegt auf der Hand.

270 Millionen Euro wurden bereitgestellt; die rot-schwarzen Koalitionäre wussten, was sie ihrem Vormann schuldig waren. Um den Standort drohte Streit, da durchschlug der nunmehr ehemalige Regierende Bürgermeister den gordischen Knoten, indem er das Tempelhofer Feld durchdrückte, das zwar bei nüchterner Kriterienabfrage nicht vorne lag, aber dafür seine Herzensangelegenheit war. Tempelhof! Pflichtschuldigst fanden alle Untergebenen den Standort prima. Sei’s drum – die Sache selbst war und blieb groß: ein Haus zu schaffen für alle Bücher und alle Bürger, für jedermanns Bildung und Weiterbildung. Und mehr noch: ein Haus, in dem die Bürger, das Volk, der Demos zu sich selber findet, im zwanglosen Miteinander; wie schon verwirklicht in den großzügigen Stadtbibliotheken von Amsterdam oder Stuttgart.

Doch dann erhob sich der unberechenbare Demos und veranstaltete einen Volksentscheid, und das fiel auch noch in die Abenddämmerung des Regierenden. Damit war Tempelhof erledigt, und die spöttisch so benannte „Klaus-Wowereit-Gedenkbibliothek“ löste sich ins Nichts geplatzter Träume auf.

Kaputtsparen wollte man nicht mehr - und tut es doch

Also alles auf Anfang. Immerhin blieben zwei diskutable Standorte für einen neuerlichen Anlauf übrig. Entweder neben der Amerika-Gedenkbibliothek oder auf dem Marx-Engels-Forum, der unbekanntesten Leerfläche von Mitte. Hoffnungsfroh die Bibliotheksleute, denn der Neubau als solcher war bereits in die Finanzplanung aufgenommen.

Und nun der Tiefschlag. Die Demnächst-Koalitionäre von Rot- Rot-Grün schieben den Neubau auf die ganz lange Bank. „Nicht vor 2021“, drang es aus den Verhandlungszimmern. „Verschieben“ bedeutet in der Politik, ein Vorhaben zu den Akten zu legen.

Man fasst sich an den Kopf. „Kaputtgespart“ worden sei Berlin, heißt es seit längerer Zeit unisono; in diesen Fehler wolle man nicht erneut verfallen. Gut so. Die Politik muss Prioritäten setzen. Darunter ein Haus für alle, in einer Gesellschaft, deren Zusammenhalt in letzter Zeit etwas strapaziert ist, die sich Herausforderungen zuallererst im Kopf zu stellen hat. Moderne Bibliotheken – da hat Berlin noch nachzuholen, aber ein hochmotiviertes Team arbeitet daran – sind nicht einfach mehr Depots für das Speichermedium Buch. Sie sind Informationsvermittler, ganz gleich mit welchen Medien. Und trotz aller Elektronik – das Gespräch, die Beratung, der zwischenmenschliche Kontakt sind so gefragt wie eh und je.

Gefragt ist ein Haus für Bürger, für alle und jeden. Ein Haus für das Abenteuer der Bildung, das Bücher brauchen mag oder andere Medien, das aber bitter nötig ist vor, neben und nach allen Schulen und Anstalten: Ein solches Haus, heiße es Zentral- und Landesbibliothek oder sonstwie, ist nötig. Hier und jetzt und zum Auftakt einer Koalition, die erst noch begreifen muss, was Priorität hat.

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