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Schauspieler Rolf Zacher bei der Filmpremiere zu "Ohne Gnade" im Jahr 2013.

© dpa/Tim Brakemeier

Rolf Zacher (1941 - 2018): "Kinski hätte gesagt: Halt die Schnauze"

Als der Tagesspiegel vor einigen Jahren den Schauspieler Rolf Zacher interviewen wollte, ging das schief. Aus Anlass seines Todes veröffentlichen wir den Gesprächsversuch erneut.

Er galt als einer der besten deutschen Charakterdarsteller. Und als eigensinnig. Nun ist Rolf Zacher im Alter von 76 Jahren gestorben. Aus diesem Anlass veröffentlichen wir erneut die Aufzeichnung eines Gesprächs, das die Tagesspiegel-Redakteure Lars von Törne (Text) und Thilo Rückeis (Foto) im Sommer 2003 mit ihm zu führen versuchten. Anlass war damals, dass Zacher bei einer Berliner Veranstaltung aus seiner Autobiographie lesen wollte. Redaktionelle Anmerkungen sind in kursiver Schrift markiert, die Fragen und Wortmeldungen der Tagesspiegel-Redakteure sind durch Fettungen hervorgehoben.

Wir treffen uns in einem Café zum Gespräch. Erst will Zacher, dass der Fotograf nach den Aufnahmen geht, dann erlaubt er ihm, zu bleiben. Um nicht die Interviews des vergangenen Herbstes zu wiederholen, wollen wir ihn zu zwei aktuellen Themen befragen, zu denen er bestimmt etwas zu sagen hätte: Zur Friedman-Affäre und zu Zachers neuem Film.

Tagesspiegel: Guten Tag, Herr Zacher...

Zacher: ...eines sage ich Ihnen gleich: Zu Friedman äußere ich mich nicht. Seit Tagen rufen Fernsehsender deswegen bei mir an. Aber das hat doch nichts mit mir zu tun.

...Immerhin haben Sie, wie Sie in Ihrem Buch schreiben, einschlägige Erfahrungen mit Drogen, mit der Justiz und mit der öffentlichen Meinung. Was empfehlen Sie also Friedman?

Wie gesagt: Dazu äußere ich mich nicht.

Dann reden wir über etwas anderes. In ihrem neuen Film spielen Sie einen Fußballtrainer...

Darüber rede ich auch nicht.

Wieso das nicht?

Da kann man ein andermal drüber reden.

Mmmhh.

Komm, lass mal schnell machen. Du stellst präzise Fragen, ich antworte präzise.

Mmmhh. Eigentlich hatten wir uns das anders vorgestellt. Sie drehen einen neuen Film, also will man darüber etwas erfahren...

...ja, aber es geht ja darum, dass das Ding richtig aufgebaut wird. Das soll nicht verkleckern. Das soll Zacher-Bouum machen.

Versuchen wir's mal allgemein. Sie spielen jetzt einen Fußballtrainer. Ansonsten kennt man Sie ja eher für Rollen, in denen Sie - wie Sie mal sagten - sich selbst spielen...

...Nein, das habe ich nie gesagt. Ich habe gesagt: Jeder hat alles in sich. Wenn ich die Rolle spiele, dann lebe ich die. Wenn ich drehe, dann suche ich die Rolle in mir.

Rolf Zacher vor dem Tagesspiegel-Interview 2003.
Rolf Zacher vor dem Tagesspiegel-Interview 2003.

© Thilo Rückeis

Wie erarbeiten Sie sich eine neue Rolle?

Zacher wendet sich zum Fotografen, der interessiert zuhört: Weißt Du, das stört mich. Sei mir nicht böse. Aber musst Du denn jetzt noch hier sein? - Interviewer: Wir haben uns als Team mit Ihnen verabredet... - Zacher: Ja, aber das stört mich, wenn Du da sitzt. - Fotograf: Okay, ich bin flexibel. Zacher: Ich weiß, dass Du ein netter Junge bist. Und nach dem Interview trinken wir einen zusammen.- Fotograf: Okay, ich fahr in die Redaktion. - Zacher: Ach, Du gehst jetzt? Nee, dann bleib einen Moment. Magst mich gerne, ja? Darfst bleiben. Zum Interviewer: Und Du brauchst niemals jemanden vor mir in Schutz zu nehmen. Ich bin eben ehrlich. Das verwechseln die Menschen immer und sagen: Der hat Zicken. Aber ich habe keine Zicken. Ich bin nur ehrlich, ein sehr mitfühlender Mensch. Nächste Frage bitte. Ich muss auch noch zur Bank, ich habe überhaupt kein Geld mehr. Was zahlt Ihr eigentlich fürs Interview? Haha, so war ich früher. Ein Zocker.

...die Frage war, wie Sie sich neue Rollen erarbeiten.

Der Unterschied zu anderen Schauspielern ist: Ich lebe das vor der Kamera und spiele das nicht nur. Man spielt immer sich selbst.

Fällt es Ihnen schwer, zwischen Ihren Rollen und Ihrem Privatleben zu trennen?

Rod Steiger, mit dem ich den Zauberberg gedreht habe, hat gesagt: Wenn Du vor der Kamera stehst, bist Du immer an der Grenze des Wahnsinns, auf der Kippe. Das mag ich.

Auch im Privatleben?

Ja, Du lebst ja weiter, was Du vor der Kamera spielst. Wenn ich spiele, dass mein Kind gestorben ist, dann bereite ich mich auf diese Gedanken schon Tage vorher vor, und das bleibt dann auch lange in mir drin.

Sie haben Ihrer Autobiographie den Titel eines Ihrer erfolgreichsten Filme gegeben: "Endstation Freiheit". Ihr Leben als Film?

Der Titel hat mir einfach gut gefallen. Im Film stirbt die Hauptfigur am Ende - und ich bin noch mal neu geboren worden.

Nach Ihrem Heroin-Entzug, meinen Sie?

Ja. "Endstation Freiheit" kann den Tod meinen. Oder Leben geschenkt zu bekommen.

Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt?

Bescheiden und demütig zu sein. Zum Fotografen: Nick nicht immer! Das macht mich fertig. Nee, so geht das nicht. - Fotograf: Okay, ich geh’ dann doch mal.

Wieso stört Sie das jetzt so?

Das irritiert mich. Du musst lernen: Es gibt Dinge, die man nicht begreift, aber man muss sie akzeptieren.

Ich fand Ihr Verhalten einfach unfreundlich.

Nein, das ist nicht unfreundlich.

Sie waren mit uns beiden verabredet. Also ist es unfreundlich, einen wegzuschicken.

Nein.

Doch.

Jetzt hör doch mal auf. Sieh mal Deinen ernsten Blick. Was bist Du für ein Sternzeichen?

Krebs.

Jaaa, ich weiß, die sind weich und sensibel. Ich bin auch weich und sensibel. Kinski war anders. Der hätte gesagt: Halt die Schnauze.

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