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Ein Team, eine Meinung, ein Aufkleber.

© Mike Wolff, Twitter/nobelhartschmutzig

Restaurant in Berlin-Kreuzberg: Keine Handys, keine Waffen, keine AfD

Der Kreuzberger Edel-Wirt Billy Wagner sperrt Rechtspopulisten per Logo aus seinem "Nobelhart & Schmutzig". Das verursacht viel Streit.

Billy Wagner ist keiner, der seinen Gästen die Wünsche von den Augen abliest und dann auch gleich erfüllt. Der rauschebärtige Szene-Star hat präzise Vorstellungen von den Besuchern, die in sein Kreuzberger Restaurant mit dem schrägen Namen "Nobelhart & Schmutzig" passen. Dort findet seine Show statt, und die Plätze sind äußerst begehrt, meist auf einen Monat im Voraus gebucht. Auch Profis finden ihn gut: Der Guide Michelin hat gleich im ersten Jahr einen Stern herausgerückt und der Gault&Millau 16 von 20 Punkten – für minimalistische Gerichte wie den Saibling mit Fenchel oder Hühnerbrust mit Kamille, zubereitet unter dem Schlagwort "brutal lokal".

Das bedeutet, dass sämtliche Zutaten aus der Umgebung Berlins von persönlich bekannten Erzeugern kommen. Die Gäste sollten aufgeschlossen gegenüber diesem Konzept sein – schon deshalb, weil es zum einheitlichen Zehn-Gang-Menü keine Alternative gibt, höchstens eine Umleitung für Vegetarier. Andere Vorgaben hat Wagner gleich mit Logo-Aufklebern an die Eingangstür geheftet: Keine Handys, keine Kameras, keine Waffen. Seit Donnerstag hat er drunter noch einen vierten Aufkleber befestigt, der eindeutig aussagt: keine AfD. Das Foto hat Wagner auch gleich auf die Facebook-Seite des "Nobelhart" hochgeladen, wo sich sofort eine hitzige Debatte entspann.

Keine Handys, keine Waffen, keine AfD: Im "Nobelhart & Schmutzig" würde Beatrix von Storch nicht bedient werden.
Keine Handys, keine Waffen, keine AfD: Im "Nobelhart & Schmutzig" würde Beatrix von Storch nicht bedient werden.

© Mike Wolff / Nobelhart & Schmutzig

Der Anti-AfD-Aufkleber wurde direkt nach der Berlin-Wahl bestellt

Es gibt bisher keine konkreten Anzeichen dafür, dass sich bei der AfD jemand für das Restaurant interessieren könnte. Aber Wagner macht aus seiner Meinung nie ein Geheimnis und liebt Provokationen – "Who the fuck is Paul Bocuse?" steht auf einem T-Shirt, das er einer Schaufensterpuppe angezogen hat, die er auch auf seiner Facebook-Seite zeigt. Den Anti-AfD-Aufkleber hat er unmittelbar nach der Berliner Wahl bestellt, aber erst in dieser Woche bekommen und angebracht. "Ich würde so jemandem nichts servieren", sagt er für den Fall, dass ein AfD-Prominenter in seinem Restaurant auftauchte.

Sich wichtigmachen zu wollen indem politische Aussagen publiziert werden, ist ein unwürdiger Akt für einen Restaurantbetreiber, der besser durch seine Küche überzeugt.

schreibt NutzerIn Lanarkon

Aber den zusätzlich ironischen Dreh hat die Sache aus einer ganz anderen Ecke bekommen. Vor einigen Wochen war auch Spiegel-Kolumnist Jan Fleischhauer zu Besuch und formulierte sein Missvergnügen anschließend unter der Überschrift "Man isst deutsch": "Ich weiß jetzt, wie AfD-Küche schmeckt", schrieb er, und "als wir beim Sauerampfersalat angekommen waren, musste ich mich einmal vergewissern, dass ich an einem der Nebentische nicht Beatrix von Storch übersehen hatte". Fleischhauers Indizienkette: Es gebe kein fremdes Gemüse auf den Tellern, der Koch kaufe nur bei Erzeugern, die er beim Vornamen kenne, und alle säßen um einen Herd und äßen deutsch.

Kein Braten für Beatrix von Storch: Billy Wagner (Mitte) und Küchenchef Micha Schäfer (rechts)
Kein Braten für Beatrix von Storch: Billy Wagner (Mitte) und Küchenchef Micha Schäfer (rechts)

© Mike Wolff

Im Netz sorgt die Praxis für viel Streit

Um diese Auffassung ernsthaft vertreten zu können, sollte man allerdings besser nicht selbst hingehen. Wagner, ein mehrfach preisgekrönter Sommelier, hat in seiner Hipster-Attitüde nicht das Geringste mit dem Klischee vom deutschen Wirt gemein, ebenso wenig sein ganz auf geschmackliche Perfektion konzentrierter Küchenchef Micha Schäfer, der mit zwei jungen Frauen arbeitet. Zudem nutzen beide zwar konsequent die Begriffe „lokal“ und „regional“, von „deutsch“ ist aber nirgendwo die Rede. Und von deutschen Traditionsgerichten könnte das Essen nicht weiter entfernt sein.

Auf Facebook gehen die Argumente nun heftig hin und her. Einer fühlt sich an die Nazizeit erinnert („Juden unerwünscht“) und möchte nicht mehr zu Gast sein, wo man auf „Intoleranz als Markenzeichen“ setze, ein anderer nennt den Aufkleber „total peinlich und undemokratisch“. Andere applaudieren der Aktion – und Wagner selbst zitiert im Getöse nur kühl die Rechtslage: Das Hausrecht erlaube es dem Gastwirt, jeden Gast auch ohne Begründung abzuweisen, sofern nicht bereits eine vertragliche Beziehung bestehe. Und auf Anfrage setzt er hinzu: Das Posting sei richtig, weil es genau die Leute vergraule, „mit denen ich nicht an einem Tisch sitzen will“.

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