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Seyran Ates hält die Eröffnungspredigt in der Moschee in Moabit.

© AFP

Religion in Berlin: Liberale Moschee in Moabit eröffnet

In der Ibn-Rushd-Goethe-Moschee sollen alle Religionen gemeinsam beten können. Die Eröffnungspredigt hielt Frauenrechtlerin Seyran Ates.

Der kleine Start einer kleinen liberalen Moscheegemeinde wurde am Freitagvormittag zu einem Medienereignis mit allen Konsequenzen: Allein etwa 20 Fernsehteams waren im Saal der Moabiter St. Johannis-Gemeinde angetreten, um die Pressekonferenz der Rechtsanwältin, Autorin und Frauenrechtlerin Seyran Ates und ihrer Mitstreiter zu verfolgen.

Diese Pressekonferenz war der Beginn der zweitägigen Eröffnungszeremonie für die Ibn-Rushd-Goethe-Moschee, an deren Ende das bei der Gemeinde provisorisch untergebrachte Gotteshaus allen Interessierten zur Verfügung stehen soll – nicht nur Sunniten, Schiiten, Sufis und Aleviten, sondern auch Juden und Christen.

„Aber wir gehen noch einen Schritt weiter“, sagte einer der sieben Gesellschafter, der Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-Hakim Ourghi, auch die Anwesenheit von Atheisten sei ausdrücklich erwünscht.

Im Anschluss an die Pressekonferenz hielten Gläubige verschiedener islamischer Richtungen ein Freitagsgebet ab; die Predigt sprach Seyran Ates selbst. Es handelt sich um die erste muslimische Moschee in Deutschland, in der Frauen nicht nur gemeinsam mit Männern unverschleiert beten, sondern auch selbst predigen dürfen. Ähnliche Projekte gibt es bislang nur in England und Amerika.

Kirchenmitglieder um Sicherheit besorgt

Naturgemäß wurde der Eröffnungstag von deutlicher Polizeipräsenz begleitet, sowohl in Uniform als auch in Zivil. Seyran Ates betonte zwar, es habe bisher keine ausdrücklichen Drohungen gegeben, doch es liege auf der Hand, dass die neue liberale Moschee nicht nur Freunde habe. Das betraf nicht nur konservative Muslime, die sich an diesem Tag nicht zu Wort meldeten, sondern auch die gastgebende protestantische Gemeinde, die offenbar gespalten ist.

Die Eröffnung der Moschee stand unter Polizeischutz.
Die Eröffnung der Moschee stand unter Polizeischutz.

©  J. MacDougall / AFP

Vor der Tür wurde ein Flugblatt verteilt, auf dem „Aktive Bürger Christliches Deutschland“ schimpfen: „Weltfremde Traumtänzer(innen) gründen hier in unserer evangelischen Gemeinde Sankt Johannis eine Moschee, holen damit den Terror direkt zu uns und schänden auch noch Goethe!“ Die unterzeichnende Familie kündigt ihren Austritt aus der Kirche an. Durch sachliche Nachfragen an die Gemeindevertreter wurde aber deutlich, dass auch die Eltern der angeschlossenen Kindertagesstätte sich schlecht informiert fühlen und wegen der Sicherheit besorgt sind.

Superintendent Bertold Höcker, der Leiter des Kirchenkreises Stadtmitte, sagte dazu, man wolle mit der Gastfreundschaft für die Moscheegemeinde eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit Muslimen fortsetzen und einen „weiteren Meilenstein“ setzen. Gemeindepfarrerin Sabine Röhm räumte ein, dass es Kontroversen gebe und auch die Sicherheitsfrage eine Rolle spiele.

Seyran Ates hat über ihren Kampf um die neue liberale Moschee auch ein Buch geschrieben, das seit Freitag verfügbar ist. Nach ihren Angaben hat sie die Rechtsform der gemeinnützigen GmbH gewählt. Über die Zahl der Gemeindemitglieder machte sie keine Angaben, sagte aber, dass sie natürlich sehr klein anfange. Viele Anhänger des liberalen Islam seien aber aus Angst abgesprungen. „Wir geben der schweigenden Mehrheit mit unserer Initiative eine Stimme“, ergänzte Ourghi, der die Erwartung äußerte, dass die Zahl der Mitglieder rasch steigen werde.

Langfristiges Ziel ist eigene Moschee

Die Startfinanzierung der Moscheegemeinde erfolgt bislang aus privaten Mitteln der Gründerin, die eine ganze Reihe von Verwandten zur Mitarbeit bewegt hat, und aus Spenden. Ates hob hervor, dass „viele türkische Männer“ unter den Unterstützern seien. Für den Raum in der Gemeinde zahlt sie keine Miete, sondern ein Nutzungsentgelt, das die zusätzlichen Kosten abdecken soll. Langfristiges Ziel ist aber eine eigene Moschee, besser noch ein Gebäude mit Gebetsräumen für verschiedene muslimische Konfessionen und einem gemeinsamen zentralen Saal.

Zwei Besucher der Pressekonferenz erregten besondere Aufmerksamkeit: die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) überreichte Blumen, während ihr Vorgänger Heinz Buschkowsky im Hintergrund blieb, aber dennoch zahlreiche Pressefragen beantwortete. Als er zum Abschluss auf die Bühne gerufen wurde, hatte er die Veranstaltung aber offenbar schon verlassen.

Namensgeber der Moschee ist der Gelehrte Ibn Rushd (1126-1198), der in Andalusien und Marokko lebte und als Kommentator der Schriften des Aristoteles hervortrat. Johann Wolfgang von Goethe wird mit der Erwähnung für seine Hochschätzung der islamischen Kultur gewürdigt.

Der zweite Teil der Eröffnungsfeierlichkeiten findet an diesem Sonnabend von 10 bis 21.30 Uhr in Alt-Moabit 25 statt

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