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Abgeholzt. Der Anblick der abgesägten Bäume entlang der Heerstraße zwischen Frey- und Stößenseebrücke schmerzt viele.

© André Görke

Radverkehr in Berlin: Dürfen für Radwege Bäume gefällt werden?

An einigen Straßen Berlins werden Bäume Radwegen geopfert. Nun wird diskutiert, ob der fahrradfreundliche Umbau der Stadt solch einen Eingriff in die Natur rechtfertigt.

Wenn Grüne Grün opfern, sehen Bürger rot. Das gilt auch, wenn es zugunsten des Radverkehrs passiert wie zurzeit beispielsweise an der Heerstraße in Spandau, der Stahlheimer in Prenzlauer Berg und am Schleswiger Ufer im Hansaviertel. Überall beklagten sich Anwohner über das Vorgehen der Behörden – bei grünen Bezirksstadträten in Pankow und Mitte sowie bei der Verkehrsverwaltung des Senats.

Noch bis Ende Februar dürfen Bäume überhaupt gefällt werden. Dabei ist das Phänomen, dass Baumfällungen den Anwohnern nur schwer zu vermitteln sind, alt. Neu ist die Fragestellung, ob der fahrradfreundliche Umbau der Stadt solche Eingriffe in die Natur rechtfertigt. Dieser Konflikt beschäftigt aktuell nicht nur die Grünen, sondern die Koalition insgesamt. Zuletzt wurde das Thema beim Besuch von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) im SPD-Fraktionsvorstand diskutiert; heute dürfte es im Umweltausschuss des Parlaments ebenfalls eine Rolle spielen.

Ein wesentlicher Anlass sind die 61 Bäume, die an der bisher nur für Autofahrer optimierten Heerstraße zwischen Frey- und Stößenseebrücke einem Radweg geopfert werden, der die bisherige, am ebenfalls maroden Gehweg verlaufende schmale Buckelpiste durch einen 1,6 Meter breiten Radweg ersetzen soll.

Eine seltene Ausnahme

Dieser Fall sei „eine sehr, sehr seltene Ausnahme“, heißt es bei der Verkehrsverwaltung. In aller Regel hätten „auch künftig die erhaltenswerten Bäume Vorrang vor der Schaffung einer Radverkehrsanlage im Seitenraum“. Weitere Radwegprojekte, für die Bäume gefällt werden müssten, gebe es aktuell nicht. In einem gerade erschienenen Flyer zum Thema heißt es, dass Fällungen am ehesten an Kreuzungen nötig werden könnten. Das betreffe dann aber einzelne Exemplare.

Dass an der in dem Bereich von Wald gesäumten Heerstraße zusätzliche Nistmöglichkeiten geschaffen und in der Nähe 92 neue Bäume gepflanzt werden sollen, überzeugt Kritiker nur teilweise. Mehrere Anwohner gaben zu bedenken, dass im betroffenen Bereich nahezu keine Fußgänger unterwegs seien, sodass sich ausnahmsweise ein kombinierter Geh- und Radweg angeboten hätte.

SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz rät, in solchen Fällen auch mal eine Ausnahme von der Regel zu machen, also beispielsweise einen schmaleren Gehweg zu bauen, um Bäume zu schonen. Die Verkehrssenatorin habe gegenüber der SPD klar signalisiert, dass die Behörden nur nach sehr gründlicher Prüfung der Alternativen Fällgenehmigungen erteilen. Genau so wolle es auch die SPD.

Keine Nacht-und-Nebel-Aktionen

Einig sind sich Buchholz und sein Fachkollege Georg Kössler aus der Grünen- Fraktion, dass man den Leuten lieber nicht versprechen sollte, die Stadt ohne eine einzige weitere Baumfällung radfahrfreundlich umzubauen. „Was aber gar nicht geht, sind Nacht-und-Nebel-Aktionen“, sagt Kössler. Die Leute sollten frühzeitig informiert und Bäume nachgepflanzt werden – „möglichst dreimal so viele und in unmittelbarer Nähe“.

Die Sache mit Nacht und Nebel erlebten manche Bewohner des Hansaviertels, als im Januar am Schleswiger Ufer sieben große Bäume fielen. Mehrere Initiativen behalten das Bezirksamt seitdem im Auge – und auch das Abgeordnetenhaus, dessen Umweltausschuss sich an diesem Donnerstag mit einem Antrag zum zügigen Ausbau des Spreeradwegs westlich des Regierungsviertels befasst. SPD-Mann Buchholz will diesem Antrag das Versprechen hinzufügen, dass die Bürger frühzeitig einbezogen werden.

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