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Fahrradfreundliche Stadt Berlin? Wenn man die Zustände an Orten wie dem Hauptbahnhof betrachtet, hat man nicht immer diesen Eindruck. Es gibt viel zu wenige Möglichkeiten, sein Rad abzustellen.

©  Kai-Uwe Heinrich

Radfahren in Berlin: Abstellplätze zwischen Fahrradleichen und Felgenkillern

Es wurde viel getan, um Berlins Straßen für Radfahrer attraktiver und sicherer zu machen. Doch wo kann geparkt werden? Dieses Problem bleibt oft ungelöst.

Parkplatzprobleme sind eine alte Autofahrersorge. Und eine, mit der auch Radfahrer zunehmend zu kämpfen haben – und die der Fußgänger, die über wild parkende Fahrräder steigen müssen. An mehreren Orten, vor allem im Südwesten, ist jetzt Besserung in Sicht.

Stadtweit ist die Zahl der Stellplätze in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen, allein an den S-Bahnhöfen binnen fünf Jahren um ein Viertel auf mehr als 10.000. Aber sie existieren längst nicht überall, wo sie gebraucht würden. Oder sie sind von Fahrradruinen blockiert wie am Hauptbahnhof. Während auf dem südlichen Washingtonplatz ganz überwiegend intakte Räder an den Bügeln parken, dominieren vor allem auf der Ostseite des Europaplatzes die „Leichen“. Einige stehen augenscheinlich seit Monaten hier; Moos wächst um platte, brüchig gewordene Reifen. Ein paar Räder, die an Fahnenmasten festgekettet sind, hat die Bahn mit Mahnungen versehen: In 14 Tagen würden sie entfernt und später versteigert, steht auf den datierten Banderolen aus Papier.

Für die versammelten Ruinen nebenan erklärt sich die Bahn auf Nachfrage nicht zuständig: Die Ständer befänden sich allesamt auf städtischen Flächen. Das Ordnungsamt von Mitte teilt mit, dass Schrottfahrräder mit einem sogenannten Gelbpunkt markiert würden, der dem Eigentümer drei Wochen Zeit gebe. Danach beauftrage das Amt die BSR. Hinweise auf Schrottfahrräder kämen sowohl von internen als auch von externen Stellen. Am Hauptbahnhof scheint lange niemand vorbeigeschaut zu haben.

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Fahrradparkhaus ist im Gespräch

Aber auch um andere typische Pendlerbahnhöfe ist die Situation chaotisch, etwa an der Prenzlauer Allee und ganz besonders in Zehlendorf. Dort hat ein Tagesspiegel-Leser sich ans Bezirksamt gewandt, weil praktisch sämtliche Geh- und Radwege inklusive dem Tunnel unter der Bahn blockiert sind. Die Antwort, die er aus dem Umweltamt erhielt, ist freundlich, lang – und ernüchternd: Die Situation werde auch „weiterhin sehr unbefriedigend sein“, schrieb die Behörde. „Für eine ebenerdige Lösung fehlen uns die Flächen, für eine innovative Lösung (Fahrradparkhaus, 2. Ebene etc.) die Gelder.“ Dabei hatten die Bezirksverordneten schon im Juni 2012 auf Antrag der SPD-Fraktion beschlossen, dass sich dringend etwas tun müsse. Immerhin wird inzwischen geprüft, wo ein zweiter Zugang zum S-Bahnhof entstehen kann. Als Favorit gilt eine Variante westlich des Teltower Damms, denn nur so ließe sich das Gedränge beheben und Abstellplatz für Räder schaffen. Sogar ein Fahrradparkhaus ist im Gespräch.

Während sich in Bernau das Fahrradparkhaus bereits bewährt, gibt es in Berlin jetzt zumindest Hoffnung darauf: Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler nannte kürzlich die Bahnhöfe Mexikoplatz und Krumme Lanke als mögliche Standorte. Die Konzentration auf den Südwesten ist beabsichtigt, denn dort startete gerade ein Test, bei dem 75 Berufspendler aus dem Umland auf Pedelecs umgestiegen sind. Das Pilotprojekt „E-Bike-Pendeln“ wird vom Senat als Modellprojekt im „Schaufenster Elektromobilität“ gefördert. Die künftigen Parkhäuser sollen dagegen privat betrieben werden. Gratis geparkt werden kann dort also voraussichtlich nicht.

Die doppelstöckigen Fahrradständer, die Gaebler im Sommer präsentierte, waren nur ein Muster und wurden nach der Vorführung wieder weggeräumt. Nach Auskunft einer Sprecherin ist die Stadtentwicklungsverwaltung nicht direkt für Fahrradstellplätze zuständig. Aber man unterstütze die Tiefbauämter der Bezirke und beteilige sich mit 200.000 Euro pro Jahr am Bau von Abstellplätzen an Bahnhöfen und Haltestellen von S-Bahn und BVG. Die optisch fragwürdigen Doppelstock-Ständer seien wohl eher für Tiefgaragen geeignet als fürs Straßenland.

"Felgenkiller" dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben

Auch beim Radfahrerclub ADFC sind sie umstritten, zumal sie – etwa für Räder mit Lenkerkorb – für zu eng befunden wurden. Nach Auskunft von ADFC-Fachreferent Detlef Wendtland verstoßen Bauherren stadtweit systematisch gegen die Bauordnung. Nach der dürfte es die primitiven „Felgenkiller“ schon seit 1992 nicht mehr geben. Trotzdem werden sie vor allem vor Supermärkten unverdrossen weiter installiert, und für die Bahn gebe es gar keine verbindlichen Vorschriften. Laut Bauordnung müsse sich der Rahmen am Bügel festschließen lassen können und das Rad auch erreichbar sein, wenn die Nachbarplätze belegt sind. „Man kann sich schon freuen, wenn die Hälfte von dem gebaut wird, was die Bauordnung verlangt“, resümiert Wendlandt. Er sieht einen Zusammenhang zwischen der großen Zahl der Ruinen und der Qualität der Abstellanlagen: Teileklau sei oft der Anfang vom langsamen Ende eines Rades. Bei der Entsorgung seien die Bezirksämter sehr unterschiedlich aktiv.

Während in den Niederlanden bewachte Stellplätze Standard sind, müssen Berliner auf die Qualität ihres Schlosses oder ihr Glück hoffen. Leider oft vergeblich, wie eine Anfrage der Grünen an den Senat erwies: Von 26.513 gestohlenen Rädern 2013 verschwand fast jedes zehnte an einem S-Bahnhof. Den Spitzenplatz belegte Adlershof (87 Diebstähle) vor dem Treptower Park, wo 81 Räder verschwanden – und wo schätzungsweise fast ebenso viele Leichen vor sich hingammeln. Die meisten sind so heruntergekommen, dass sie selbst ohne Schloss niemand mehr klauen dürfte.

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