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Bart Sammut und Michael Stütz, Festivalleiter von "Xposed"

© Jana Demnitz

Xposed Film Festival: "Queeres Kino ist körperlich und kritisch"

Ab Donnerstag findet das Filmfestival Xposed in Kreuzberg statt. Die Gründer Bart Sammut und Michael Stütz über die Bedeutung eines queeren Kinos, Sehnsüchte und die Sichtbarkeit von ethnischen Minderheiten.

Bart und Michael, Sie veranstalten Ihr Festival bereits zum zwölften Mal. Was gibt es in diesem Jahr zu sehen?

Unser Programm ist abwechslungsreich und bunt, und zu vielfältig und komplex, um es in wenigen Sätzen zu erklären. Aber soviel sei gesagt: Für die Zuschauer*innen wird es klassische sexpositive Beiträge, abstrakte und experimentelle Arbeiten geben, aber auch Filme, die über die übliche LGBTQI Identitätspolitik hinausgehen und weitere gesellschafts- und sozialpolitische Fragen in ihr Narrativ integrieren. Es geht um Klasse, Rassismus oder den Massenkonsum unserer Wegwerfgesellschaft. Da möchte ich auf den Film "Fresh Kill" von Shu Lea Cheang verweisen. Unser Programm ist inklusiv, sinnlich, kritisch, politisch. Wir kreieren einen queeren Raum, der sich nicht nur als oppositioneller Gegenentwurf zur weiten Welt sieht, sondern der auch mit viel Imagination und Kreativität eine alternative Realität schaffen kann.

Haben Sie sich auf besondere Themen fokussiert?

Wir haben bewusst ohne konkreten Schwerpunkt im Kopf das Programm gestaltet. Der Prozess ist zum Teil intuitiv, zum Teil weiß man natürlich auch genau, was im Programm noch fehlt, und recherchiert dann proaktiv in eine bestimmte Richtung. Die Themen ergeben sich im Laufe der kuratorischen Arbeit, oder man zieht die Verbindungen ganz am Ende und findet übergeordnete Themen, zum Beispiel die Sehnsucht nach Nähe und Verbindung. Viele Filme spiegeln diese Sehnsucht wieder und werfen Fragen auf. Wie sieht die Suche danach aus, wie differenziert sind diese Sehnsüchte? Aus einem relativ simplen Begriff kann hier also eine komplexe Abhandlung werden, die viele Fragen aufwirft, aber keine einfachen Antworten bietet. Man versucht unterschiedliche Perspektiven gegenüber zu stellen, Brüche zu erzeugen anstatt nur Ähnlichkeiten oder Redundanzen. Das queere Kino ist natürlich ein körperliches, ein begehrendes Kino, aber auch eines der Kritik und Infragestellung.

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Michael, vor zwei Jahren hatten Sie mir im Interview gesagt, dass in der Filmszene nur langsam ethnische Minoritäten sichtbarer werden, sowohl hinter als auch vor der Kamera. Hat sich seitdem Ihrer Meinung nach etwas zum Positiven verändert?

Meine Perspektive ist natürlich weiß und cis-männlich, ganz klar. Der Wunsch des Festivals nach mehr Repräsentation von People of Color, von ethnischen Minderheiten und von Stimmen aus dem Globalen Süden ist nach wie vor stark ausgeprägt. Ich denke, das spiegelt sich auch im Programm wieder. Nach oben ist da immer noch Luft, da müssen wir ganz klar daran arbeiten. Unser Kurator*innen-Team, unser Festival-Team überhaupt muss inklusiver werden. Prinzipiell aber würde ich sagen, dass das Festival in den letzten Jahren schon bewusster und selbstkritischer mit diesem Thema umgegangen ist. Inzwischen gibt es auch einige queere Festivals in Berlin, die ihren Fokus auf PoC, Trans* Menschen oder Migrant*innen richten. Aus Brasilien kommen im Moment viele Filme, die sich mit alltäglichem Rassismus, Empowerment und der Entdeckung der eigenen Wurzeln kritisch beschäftigen. Das Thema Klasse ist ebenso ein allgegenwärtiges, nicht nur im brasilianischen Kontext. Beide Themen bringt der Dokumentarfilm "Waiting for B" von Paulo Cesar Toledo & Abigail Spindel wunderbar zusammen. Festivals müssen ganz klar proaktiv nach diesen Filmen suchen und sie in ihre Programme integrieren, mit einem Bekenntnis zur Vielfalt.

In diesem Jahr wird die österreichische Medienkünstlerin und Filmemacherin Valie Export zu Gast sein. Wie ist es zu der Zusammenarbeit gekommen?

2013 hatten wir unseren Programm-Fokus auf die österreichische Avantgarde gelegt. Damals hatten wir bereits mehrere Arbeiten von Valie Export gesichtet und einen Kurzfilm von ihr im Programm. Da wir jedes Jahr eine Hommage an eine/n besondere/n Künstler*in im Festival zeigen und wir schon lange den Wunsch gehegt hatten, Export nach Berlin einzuladen, haben wir dieses Jahr diesen Schritt gewagt und sie eingeladen. Für uns ist das eine große Ehre und wir freuen uns riesig darauf, dass Export kommt. Es gibt wenige Künstler*innen, deren Konzepte, Performances und Filmkunst im Ansatz und in der Ausführung so kompromisslos und radikal waren. Die intensiven körperlichen Grenzüberschreitungen ihrer Kunst, ihr ganz eigenes Verständnis von Filmkunst und die radikale Formsprache hatte und hat klare Einflüsse auf ein experimentelles, queeres Kino und feministische, queere Video- und Performancekunst. Wir freuen uns, ihr Langfilm-Debut "Unsichtbare Gegner" von 1977 zu zeigen, sowie am Sonnabend im Aquarium ein ausführliches Gespräch mit der Künstlerin vor Publikum führen zu können.

Das Aquarium in Kreuzberg ist zum ersten Mal als Veranstaltungsort dabei. Heißt das auch, Ihr Festival wächst kontinuierlich?

Wir sind besonders froh, mit dem Aquarium in der Skalitzer Straße 6 eine neue Location bespielen zu dürfen. Der Raum ist perfekt für das Festival. Es gibt dieses Jahr tatsächlich auch ein wenig mehr Programmpunkte, da wir mehr Langfilme zeigen und auch zwei Gastprogramme von befreundeten Festivals zeigen. Innerhalb des gesetzten Rahmens wächst das Festival also. Vier Tage sind auch die perfekte Zeitspanne für eine Veranstaltung unserer Größe. Wir haben auch nicht vor, das in naher Zukunft zu verlängern.

Das 12. Xposed International Queer Film Festival Berlin findet vom 11. bis zum 14. Mai statt.
Das 12. Xposed International Queer Film Festival Berlin findet vom 11. bis zum 14. Mai statt.

© XPOSED

Wie schwierig ist es für Sie, jährlich Xposed zu realisieren?

Die Anzahl der Programme/Screenings hängt jedes Jahr von vielen Faktoren ab. In diesem Jahr haben wir mittlere und kleine Förderungen von den Bezirkskulturfonds Kreuzberg und des Homosexuellen Selbsthilfe e.V. erhalten. Dies erleichtert die Situation natürlich immens und erlaubt uns, etwas freier in die Programmgestaltung zu gehen. Ganz ohne Förderung ist es inzwischen unmöglich geworden, ein Programm in diesem Ausmaß auf die Beine zu stellen, auch wenn wir immer noch mit einem sehr begrenzten Budget verhältnismäßig viel organisieren können. Im letzten Jahr hatten wir eine gut 80-prozentige Auslastung aller Veranstaltungen. Alle Filme und Programme waren gut besucht. Dies gilt es wieder zu erreichen, vielleicht auch zu übertreffen.

Wird es auch Ihre beliebte "Box" geben, wo ein begleitendes Filmprogramm gezeigt wird?

Ja, die "Box" wird es wieder geben. Dieses Mal kuratiert von unserem guten Freund Toby Ashraf vom Berlin Art Film Festival. Wir werden diesem Konzept weiterhin treu bleiben und jedes Jahr ein anderes Festival einladen, ein Programm für diesen besonderen Raum zu kuratieren. Andere Perspektiven bereichern das Festivalprogramm und schärfen gleichzeitig auch unseren Blick auf Queerness. Auch die Berlin Feminist Film Week wird zum zweiten Mal ein Programm präsentieren. In Berlin passieren gerade in der Festivallandschaft spannende und inspirierende Neuerungen. Xposed ist nicht mehr das einzige jährlich stattfindende Festival mit queerem Fokus, und das ist gut so. 2016 wurde das TransFormations Trans* Film Festival sehr erfolgreich zum ersten Mal durchgeführt, das ist eine sehr willkommene Ergänzung und Abwechslung im Festivalkalender der Stadt. Ein Mitglied des Kurator*innen-Teams des TransFormations-Festivals ist dieses Jahr auch Teil der Xposed-Jury.

Xposed Film Festival, 11. bis 14. Mai, Moviemento Kino, Kottbusser Damm 22, Südblock, Admiralstraße 1-2, und Aquarium, Skalitzer Straße 6.

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