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Freier Raum. Bei der EM in Hamburg gewann am Ende Berlin.

© "philippszyza.com"

Schwul-lesbische Fußball-EM in Hamburg: Eklatanter Spielermangel

Knapp 400 Fußballer nahmen an der schwul-lesbischen Fußball-EM in Hamburg teil. Doch nicht alle Mannschaften haben die gleichen Voraussetzungen.

Sergej macht vorweg eines klar. „Mein kompletter Name darf in keiner Zeitung stehen.“ Sergej versteckt sich schon seit Teenagerzeiten. Er trägt ein Geheimnis in sich, das in seinem Heimatland Russland, so sagt er, besser ein Geheimnis bleiben sollte: Er ist homosexuell. „So verrückt, mich in Russland öffentlich als Schwuler zu bekennen, bin ich nicht.“ In drei Jahren findet in Russland die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Fußball ist in dem Land viel mehr noch als anderswo eine recht exklusive Veranstaltung – und zwar für Heterosexuelle.

Sergej ist einer von knapp 400 Fußballern, die am Wochenende an der schwul-lesbischen Fußball-Europameisterschaft in Hamburg teilgenommen haben. Dabei ist der Titel Europameisterschaft leicht irreführend. Es traten keine Nationalmannschaften an, sondern Teams aus Städten in ganz Europa.

Alexander von Beyme hat das Turnier organisiert. Er hat zwei Jahre harte Arbeit in die Veranstaltung gesteckt, intensive Pressearbeit betrieben und fleißig Sponsorengelder gesammelt. Er habe ein spartanisches Turnier geplant. „Dann wurde es immer größer.“ Am Ende waren es fast 30 Teams, die nach Hamburg reisten. Die Mannschaften waren je nach Leistungsstärke unterteilt in vier Divisionen. In der ersten gewann bei den Frauen der FC Krylya, bei den Männern holte Vorspiel Berlin den Titel.

Die Streetboys München: Der einzige schwule Verein, der am DFB-Ligabetrieb teilnimmt

Prominentestes Team aus Deutschland waren aber die Streetboys München. Der Klub wurde vor mehr als 20 Jahren gegründet und ist der einzige schwule Verein, der im DFB organisiert ist und am Ligabetrieb teilnimmt. „Am Anfang gab es in Folge von Verunglimpfungen mal einen Spielabbruch“, sagt Streetboys-Teammanager Rainer Schweyer. Inzwischen aber werde man größtenteils von den Gegnern akzeptiert und respektiert.

Dass das mit dem Respekt und der Akzeptanz von Homosexuellen nicht überall so weit her ist, veranschaulichten in Hamburg insbesondere Sergej und seine Teamkollegen von den Moscow Minders. Im Gegensatz zu den Mannschaften aus Deutschland, Großbritannien oder Schweden lief der Ball bei den Moscow Minders nicht so gut durch die Reihen. Der Grund: Es herrscht eklatanter Spielermangel an geouteten Homosexuellen in Russland.

In Russland ist ein Outing für Fußballspieler undenkbar

„Ich kenne keinen einzigen Fußballer in Russland, der sich geoutet hat“, sagt Sergej. Aber natürlich gebe es in Russland wie überall auf der Welt Homosexuelle. In seiner unmittelbaren Nachbarschaft zum Beispiel lebe ein ehemaliger russischer Fußballprofi, von dem er wisse, dass er schwul sei, sagt Sergej und erklärt: „Für eine öffentliche Person, noch dazu, wenn sie ein Fußballspieler ist, ist ein Outing undenkbar.“

In nur wenigen anderen Ländern auf der Welt ist Homophobie so stark ausgeprägt wie in Russland. Meldungen von Übergriffen auf Homosexuelle sind dort an der Tagesordnung. Das liegt auch daran, dass sie nicht geschützt werden. Meinungsmacher zum Beispiel fordern in Russland ungestraft, dass man Homosexuelle verbrennen solle, weil sie eine Gefahr für Kinder darstellten. Es ist ein systematisches Schüren von Stimmung gegen Homosexuelle im öffentlichen Raum, das der Kreml duldet und mitunter fördert.

Diskriminierung Homosexueller in Deutschland für Sergej ein Luxusproblem

In den Ohren von Sergej klingen daher die Klagen der sich diskriminiert fühlenden Homosexuellen in Deutschland nach einem Luxusproblem. In Russland sei das Klima für Homosexuelle nahezu unerträglich. Sergej erzählt, dass sein Vater nicht mehr mit ihm redet, seit er 14 Jahre alt ist. „Da hat er zum ersten Mal geahnt, dass ich schwul sein könnte.“

Der junge Mann führt ein Doppelleben in seiner Heimatstadt Sankt Petersburg. Keiner seiner Kollegen in seiner Firma oder im Sportverein weiß von seinen sexuellen Neigungen. Nur seine Mutter und seine Ex-Freunde haben Kenntnis. Er genießt daher seinen Besuch in Deutschland. „Ihr seid viel weiter als wir“, sagt Sergej.

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