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So offen können viele Lesben und Schwule am Arbeitsplatz nicht mit ihrer Homosexualität umgehen.

© Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa

LGBT-Netzwerke in Firmen: "Vorbehalte abbauen? Das ist wie ein Marathon"

Eric Kuisch ist heterosexueller Familienvater - und bei Vodafone für die Belange queerer Mitarbeiter zuständig. Im Interview erklärt er, warum Diversität in Firmen weit oben angesiedelt sein sollte.

Herr Kuisch, Sie sind bei Vodafone in der Geschäftsführung für Technik zuständig – und setzen sich seit einem halben Jahr gleichzeitig für die Belange der LGBT-Mitarbeiter*innen bei Vodafone ein, also für die lesbischen, schwulen, bisexuellen und transsexuellen Arbeitskräfte. Was hat Sie als heterosexuellen Familienvater dazu bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?

Oft ist es tatsächlich so: Die Person, die das übernimmt, ist Teil der LGBT-Community – oder für das Thema Personal im Vorstand zuständig. Beides haben wir im Vorstand besprochen. Der Personalverantwortliche – da haben wir gedacht: Das ist viel zu naheliegend, das kommt vielleicht auch nicht gut an bei den Kolleginnen und Kollegen, weil es oft nur wie ein Lippenbekenntnis wirkt. Nein, es sollte gerade nicht der Personal-Geschäftsführer – oder wie bei uns, die Personal-Geschäftsführerin – machen. Nun haben wir keine LGBT-Kollegen im Vorstand und ich war an dem Thema interessiert.

Warum?

Ich bin schwarz, ich bin Holländer, ich habe eine Weile in Südamerika und immer in einer multikulturellen Umgebung gelebt. Mir ist deswegen bewusst, dass das Thema Diversity einen starken Einfluss auf das Leben von Kolleginnen und Kollegen haben kann, die einer Minderheitengruppe angehören. Es kann die berufliche Entwicklung einschränken. Man fühlt sich vielleicht auch nicht immer gewertschätzt. Ich habe die Idee dann auch mit meinen Kindern besprochen.

Wie haben die reagiert?

Die fanden es total cool. „Papi, dass du das machst, obwohl du schon so alt bist – das ist super.“ Das war die letzte Überzeugung, die ich brauchte, um das zu machen.

Ist es wichtig, dass gerade heterosexuelle Männer sich dafür einsetzen?

Ich glaube schon, dass es der Sache noch mehr Gewicht gibt, weil Frauen hier ohnehin mehr Toleranz unterstellt wird. Noch wichtiger ist es aber aus meiner Sicht, dass es jemand aus der Geschäftsführung ist, der sich des Themas annimmt.

Warum hat sich Vodafone entschieden, dieses Thema auf der Geschäftsführungsebene anzusiedeln?

Es zeigt, dass man es extrem ernst nimmt und eine hohe Priorität darauf legt. Gerade, weil Geschäftsführer normalerweise wenig Zeit für zusätzliche Aufgaben haben. Es gab zwar auch vorher schon einige gute Initiativen wie unsere Teilnahme an CSDs mit eigenen Wagen oder unsere LGBT-Community im Unternehmen. Dennoch wollten wir dem Thema in der Geschäftsführung noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Die Idee war, eine Person im Vorstand zu haben, die quasi Sprecher für alle LGBT-Belange ist. Und die sich mit den Kollegen vernetzt, die tagtäglich damit zu tun haben – damit wir als Geschäftsführung aktive Maßnahmen einleiten können.

Gab es Vorbehalte? Oft wird argumentiert, man bräuchte das gar nicht, weil die Gesellschaft in Bezug auf Homosexualität viel weiter als früher sei.

Dass man das gar nicht bräuchte – da muss ich widersprechen. Wir haben unsere Mitarbeiter anonym befragt: ‚Kann man offen über LGBT-Themen reden, fühlt ihr euch integriert?‘ Ganz ehrlich: Da haben viele gesagt, dass sie die Atmosphäre eben nicht als offen und sicher empfinden, und sich daher nicht outen. Das zeigt uns: Obwohl wir schon gute Signale nach innen und außen senden, haben wir noch einiges zu tun. Das ist wie ein Marathon.

Eric Kuisch (52) ist Geschäftsführer Technik bei der Telekommunikationsgesellschaft Vodafone-
Eric Kuisch (52) ist Geschäftsführer Technik bei der Telekommunikationsgesellschaft Vodafone-

© promo

Haben Sie die Ergebnisse der Umfrage überrascht?

Ja. Es waren schon einige, die sich noch nicht akzeptiert fühlen und offenbar auch schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es war nicht die Mehrheit der Befragten, aber es war signifikant. Mobbing passiert oft unsichtbar, indirekt, manchmal im persönlichen Austausch mit der Führungskraft. Da müssen wir jetzt ganz klar zeigen: Wie stehen wir als Firma zu dem Thema? Noch sprechen wir bei der Ausbildung der Führungskräfte das Thema LGBT nicht spezifisch an. Das wird sich demnächst ändern. Wir werden hier mehr Bewusstsein schaffen. Viele merken ja nicht einmal wirklich, dass sie etwas falsch machen.

Wie wird ihre Rolle wahrgenommen? Kommen queere Mitarbeiter persönlich zu Ihnen und berichten von Missständen?

Absolut. Man muss sichtbar sein, das gehört zu der Rolle dazu. Ich mache oft Runden durch unsere Standorte, um mich vor Ort generell über Probleme aus meinem Geschäftsführungsbereich Technik zu informieren. Neulich kam ein transsexueller Mitarbeiter auf mich zu. Seine Kollegen hatten ihn bei dem Prozess der Geschlechtsangleichung sehr unterstützt. Aber: Es stellte sich heraus, dass es in der Firma gar nicht so einfach ist, im Personalbüro Namen und Personenstand ändern zu lassen. Solche Hürden dürfen nicht sein. Das werden wir jetzt vereinfachen.

Welche Initiativen gibt es in Ihrem Unternehmen für LGBTs insgesamt?

Zentral ist sicherlich unser LGBT-Netzwerk, das sich um alle LGBT-Themen im Unternehmen kümmert und sich wie eine interne Unternehmensberatung versteht. Ich unterstütze sie dabei, dass ihre Empfehlungen umgesetzt werden. Ein weiteres wichtiges Signal ist der LGBT-Award, den wir an Führungskräfte vergeben, die besonders gut als Role Models wirken und LGBT-Mitarbeiter vorbildhaft unterstützen. Vodafone hat sich außerdem als Sponsor für die queere Karrieremesse Sticks and Stones engagiert – auch um zu zeigen: queere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind eine Verstärkung der Mannschaft. Es geht hier also nicht nur um Unterstützung für die, die schon da sind. Wir setzen bewusst auf Vielfalt, weil wir davon überzeugt sind, dass wir als Unternehmen nur davon profitieren können. Um allgemein für mehr Akzeptanz zu werben, haben wir einen TV-Spot dem Thema Transgender gewidmet.

Deutsche Firmen werden tendenziell für ihre geringe Diversität in der Belegschaft kritisiert. Sie sind Niederländer, haben lange in den Niederlanden gearbeitet. Wie weit sind Firmen in Deutschland ihrer Meinung nach?

Man sollte schon vermeiden zu plakativ zu sein. Aber: Holland ist da schon weiter. Holland ist einfach anders geprägt, Diversität ist dort historisch bedingt. In Deutschland gibt es im Vergleich auch noch zu wenige Frauen in den Führungsebenen, zu wenig junge Leute. Trotzdem sehe ich in Deutschland eine positive Grundhaltung, das Thema anzugehen und zu entwickeln. Es braucht einfach noch ein bisschen Zeit und viel Dialog. Wenn wir nicht mehr darüber reden müssen, haben wir es geschafft.

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