zum Hauptinhalt
Auch in der Bundesliga ist Homophobie ein Problem. Fans, wie hier in Düsseldorf, setzen immer wieder ein Zeichen dagegen.

© IMAGO

Homophobie im Fußball: Langsames Umdenken auf dem Platz

Homosexuelle Fußballer haben es im Amateurbetrieb nach wie vor schwer. In Berlin wollen Projekte wie "Soccer Sound" den Amateurfußball vom homophoben Mief befreien.

Ganze 20 Seiten dick ist die Broschüre. Auf dem Cover ist eine Hand zu sehen, die in Schiedsrichter-Manier die Rote Karte zückt. „Rote Karte gegen Homophobie“, lautet denn auch der Titel des Flyers, der ein Leitfaden sein soll für Fußballvereine und Schiedsrichter im Umgang mit Schwulenfeindlichkeit. „Kommuniziert Eure Werte innerhalb des Vereins“, wird da empfohlen. An anderer Stelle heißt es: „Bei homophoben Vorkommnissen während der Spiele: Nicht weghören!“

„Schwuchtel“ noch immer gängiges Kabinen-Vokabular

Werden Homosexualität und Fußball gemeinsam genannt, fällt meist der Name Thomas Hitzlsperger. Nachdem der ehemalige Fußballnationalspieler Anfang 2014 seine sexuelle Orientierung öffentlich gemacht hatte, hofften viele, dass Homosexualität im Fußball mehr Akzeptanz finde. Die Realität schaut gewiss anders aus; bislang hat sich kein weiterer Bundesligaprofi geoutet, und auch im Amateurfußball gehören Beschimpfungen wie „Schwuchtel“ weiter zum gängigen Kabinen-Vokabular.

Der Berliner Fußball-Verband (BFV) vertritt um die 400 Vereine mit insgesamt mehr als 3000 Mannschaften. Von Spandau bis Köpenick sind das zehntausende Fußballspieler. Damit besitzt der Verband recht viel Einfluss in der Welt des Berliner Amateurfußballs. Zusammen mit dem Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) versucht der BFV seit dem Jahr 2010, im Berliner Fußball über sexuelle Vielfalt aufzuklären, kurzum: Den Amateurfußball vom homophoben Mief zu befreien.Allein, es tut sich etwas – wenn auch gemächlich.

Verrohte Sprache auf den Plätzen zurückdrängen

„Was wir bislang geschafft haben, ist eine stärkere Sensibilisierung“, resümiert Gerd Liesegang, der als Vizepräsident des BFV das Kooperationsprojekt „Soccer Sound“ von Anfang an begleitet hat. In Workshops für Jugendliche, Fortbildungen für Trainer und Runden Tischen wird darin seit nunmehr sechs Jahren für mehr Akzeptanz von Geschlechterrollen und Homosexualität geworben. Gleichwohl sich derlei nicht an Zahlen festmachen lässt, hat seiner eigenen Wahrnehmung nach ein Umdenken stattgefunden, bei Spielern wie Trainern gleichermaßen.

Dabei ist das Problem nicht mal einmal die körperlichen Gewalt, wie der BFV-Mann weiter ausführt: „Es gibt zwar Fälle von Übergriffen, aber es ist vor allem die Sprache, die alles kaputt macht.“ Er wirft die Frage auf: „Wie wird damit umgegangen, wenn jemand ‚schwule Sau‘ ruft?“ Die richtige Antwort darauf versuchen BFV und LSVD im nun bald siebten Jahr zu vermitteln. Die Devise dabei: Vorurteile abbauen und Ängste nehmen – die verrohte Sprache auf den Plätzen müsse zurückgedrängt werden, sagt Liesegang.

Hier sind allen voran die Trainer, Schiedsrichter und sonstigen Funktionäre an den Schaltstellen angesprochen, da diese in Notfall eingreifen können.

Er erinnert sich an einen Diskussionsabend aus der Anfangszeit, als sie sich mit 40 Vereinen zusammengesetzt und diskutiert hatten. „Zuerst hörte man deutlich die Berührungsängste und Unsicherheit bei dem Thema heraus“, erläutert Liesegang. Zwei Stunden und intensive Gespräche später, sei, so erinnert er sich, unter den Vereinsleuten dann aber deutlich mehr Sensibilität zu spüren gewesen. „Wir konnten die Ängste mit der Zeit abbauen.“

Wenig Rückenwind durch Profifußball

Diese zarten Pflänzchen – so sehen es BFV und LSVD einhellig – müssen nun weiter gepflegt werden. „Die Anfänge sind gemacht, aber es geht um Überzeugungsarbeit, die kontinuierlich weitergeführt werden muss“, sagt Christian Rudolph, der von Seiten des LSVD das „Soccer Sound“-Projekt betreut. Mit Bannern auf den Fußballplätzen, Aktionstagen und Gesprächsrunden soll die Sensibilisierung gegenüber Homosexualität im Berliner Amateurfußball auch in Zukunft vorangebracht werden.

Auch Unterstützung durch die Profis, daraus machen Liesegang und seine Mitstreiter keinen Hehl, würde sie bei der täglichen Arbeit große Schritte voranbringen. In der Bundesliga aber spielt Homosexualität zumindest fürs erste weiter keine große Rolle. Liesegang: „Ich finde es schade, dass nach dem Fall Hitzlsperger wieder Ruhe eingekehrt ist.“ 

Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an: queer@tagesspiegel.de.

Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter:

Daniel Godeck

Zur Startseite