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Untersucht. Eine Gender-Ausstellung des Jugendmuseums Schöneberg setzt auf partizipative Elemente.

©  Doris Spiekermann-Klaas

Gender-Vielfalt: Berliner Museum will Jugendliche über Geschlechterrollen aufklären

Wie können Ausstellungen Kinder und Jugendlichen unterschiedliche Geschlechterrollen und Identitäten nahe bringen? Das untersuchen Wissenschaftler anhand eines Projektes im Jugendmuseum Schöneberg.

Was sind Regenbogenfamilien? Was bedeutet es, schwul oder lesbisch zu sein? Was heißt intersexuell? All das sind Fragen, die auf spielerische Art und Weise in der interaktiven Ausstellung „All Included“ des Jugend Museums Schöneberg behandelt werden. Ein Modellprojekt, wenn es darum geht, wie Museen Geschlechterrollen und sexuelle Identitäten für Kinder und Jugendliche thematisieren und für die Wertschätzung vielfältiger Lebensweisen eintreten.

„Diversität muss in der Museumsarbeit umfassender gedacht werden und darf sich nicht nur auf kulturelle oder ethnische Vielfalt beziehen“, sagt Tobias Nettke, Professor für Bildung und Vermittlung in Museen an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW). „Auch geschlechtliche und sexuelle Vielfalt müssen einbezogen werden.“

Wichtig: Jugendliche sollen einbezogen, nicht belehrt werden

Gemeinsam mit Kollegen seiner Hochschule und der Alice Salomon Hochschule Berlin (ASH) hat Nettke „All Included“ in den vergangenen beiden Jahren wissenschaftlich begleitet und evaluiert. In dem Forschungsprojekt „VieL*Bar“ untersuchen sie, wie museale Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen zum Thema vielfältige geschlechtliche und sexuelle Lebensweisen gelingen kann. Unlängst stellte das Wissenschaftlerteam erste Forschungsergebnisse vor.

„Eine besondere Stärke von ,All Included' ist sein partizipativer Charakter“, sagt Tobias Nettke. Indem Kinder und Jugendliche in dem Modellprojekt selbst mitentscheiden und mitgestalten könnten und mit den verschiedensten Objekten und Materialien wie Kleidung, Farben, Duftstoffen hantierten, werde ein gelungener spielerischer Zugang zu der Thematik geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen gefunden (lesen Sie hier, wie Tagesspiegel-Kinderreporter die Ausstellung wahrgenommen haben).

Wichtig sei zudem, dass das Projekt Schutz- und Freiräume biete, in denen die Kinder und Jugendlichen ohne Angst vor Fehlern Fragen stellen und sich mit ihrer eigenen Identität auseinandersetzen könnten.

Wird Heterosexualität zu wenig thematisiert?

Doch nicht alles am Konzept von „All Included“ bewerten die Wissenschaftler als gelungen. Jutta Hartmann, Professorin für Allgemeine Pädagogik und Soziale Arbeit an der ASH, kritisiert zum Beispiel, dass sich „All Included“ kaum mit Heterosexualität beschäftige. Dabei gehöre auch diese zur Vielfalt sexueller Identitäten. Sie fordert: „Vielfalt muss noch selbstverständlicher und vielfältiger dargestellt werden als dies bis jetzt der Fall ist.“

Die Studie des Teams um Jutta Hartmann und Tobias Nettke zeigt auch die Schwierigkeiten, denen Museumspädagogen in der Vermittlung vielfältiger geschlechtlicher und sexueller Lebensweisen begegnen. Manchmal stoße man auf eine Abwehrhaltung der Jugendlichen. Dann könnten auch die Inhalte nicht erfolgreich vermittelt werden. Eine allgemeingültige Lösung für dieses Problem gebe es nicht. „Aber häufig ist ein erfolgreicher Ansatz, eine Beziehung zur Erfahrungswelt der Kinder und Jugendlichen herzustellen“, sagt Ute Koop, Mitarbeiterin der ASH im Forschungsprojekt „VieL*Bar“. Auch von persönlichen Erlebnissen zu erzählen, funktioniere oft als Anknüpfungspunkt. Vor allem sei es aber wichtig, dass sich die Pädagogen gut mit wissenschaftlichen Theorien zu Geschlecht und Sexualität auskennen würden, um diese verständlich und altersgerecht vermitteln und gelungene heteronormativitätskritische Bildungsarbeit leisten zu können.

Eine Besonderheit des Forschungsprojekts „VieL*Bar“ ist seine Praxisausrichtung. Bereits während der Untersuchungsphase gab es einen Austausch über Stärken und Schwächen von „All Included“ zwischen den Wissenschaftlern und den Mitarbeitern des Jugend Museums. Nachdem jetzt die ersten Forschungsergebnisse präsentiert worden sind, darf man gespannt sein, wie diese in die zukünftige Arbeit von „All Included“ einfließen werden – das Modellprojekt läuft noch bis Ende 2019

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