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Homo- und transsexuelle Flüchtlinge gelten als besonders schutzbedürftig.

© dpa

Flüchtlinge in Berlin: Neue Unterkunft für homosexuelle Flüchtlinge

Homo- und transsexuelle Flüchtlinge werden in Asylbewerberheimen häufig diskriminiert und geschlagen. Im März eröffnet eine neue Unterkunft. Doch gerade jetzt verschärft sich das Wohnungsproblem für Betroffene.

Habil und Ahmed haben lange, seidenglänzende Haare, ihre Lippen sind rot geschminkt, ihr Lidschatten ist gekonnt gezogen. Aber sie sind Männer, man sieht es, trotz des Make-ups im Gesicht, trotz der Oberweiten. Transsexuelle aus dem Libanon, registriert als Flüchtlinge. Ihre Namen sind geändert. Sie leben in einer Privatwohnung, gemessen an ihren Silvester-Erlebnissen in Neukölln ist das auch gut so. „Wir wurden an einem Imbissstand von arabischen Männern geschlagen“, sagt Habil.

Neben ihnen sitzt Joana Hassoun, beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) zuständig fürs Quartiersmanagement, eine Frau mit verzweifelter Tonlage. „Im Moment“, sagt sie, „weiß ich nicht weiter.“ Wie bringt man homo- und transsexuelle Flüchtlinge sicher unter? Wie verhindert man, dass sie in Heime kommen und damit verbaler und körperlicher Gewalt aussetzt? Diese Frage treibt sie um.

Unkenntnis der Sachbearbeiter

In der Theorie, ja, da ist alles klar. Homo- und Transsexuelle gelten als besonders schutzbedürftige Personen, sie werden bei der Registrierung beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) nicht in Heime eingewiesen, sondern erhalten Hostelgutscheine für Einzel- oder Doppelzimmer.

Die Praxis erlebt die Sozialmanagerin Hassoun täglich in den Büros des LSVD. „Jeder Zweite“, sagt sie, „der beim Lageso einen Hostelgutschein möchte, erhält ihn nicht.“ Rund 150 Betroffene haben sich bei ihr gemeldet, „nur drei haben problemlos einen Gutschein erhalten“. Und diese drei kamen aus anderen Gründen zu ihr.

Die anderen hätten erst mal einen Platz im Heim erhalten, aus Ignoranz oder aus Unkenntnis der Sachbearbeiter, sagt Hassoun. LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert klagt, „dass es beim Lageso anders als bei Polizei oder Staatsanwaltschaft keinen zentralen Ansprechpartner für solche Personen gibt“. Vom Lageso war keine Stellungnahme zu erhalten.

Pro Woche im Schnitt fünf Personen

„In den Heimen muss erst was passieren, bis die Betroffenen, über Sozialarbeiter, über Tipps, zum LSVD kommen“, sagt Hassoun. Der LSVD begleitet die Flüchtlinge dann zum Lageso. Dann erst, mithilfe des LSVD, würden sie als Härtefälle registriert und gesondert untergebracht.

Aber, und das ist der erste Teil von Joana Hassouns Problem, „es gibt immer weniger passende Hostelzimmer“. Also vermittelt der LSVD private Unterkünfte, die dem LSVD von Menschen angeboten werden, die helfen wollen. „50 Wohnungen“, sagt Hassoun, „haben wir inzwischen vermitteln können“. Die Miete zahlt dann das Lageso.

Pro Woche melden sich bei ihr im Schnitt fünf Personen, die Schutz benötigen. Aber, und da beginnt Hassouns zweites Problem, „ich habe zwar noch Wohnungen, aber ich habe kein Geld mehr dafür“. Die Vermieter können ihre Unterkunft nicht kostenlos abgeben, aber bis Geld vom Lageso kommt, dauert es.

Im Notfall bleiben sie auf der Straße

„In der Zwischenzeit bezahlen wir die Kosten aus Spenden“, sagt sie. Nur: Der LSVD-Spendentopf ist fast leer, der LSVD benötigt 9000 Euro, um aktuell zehn Personen unterbringen zu können. Die hat er aber derzeit nicht.

Immerhin: Im März soll in Treptow ein Heim für 120 homo- und transsexuelle Flüchtlinge eröffnet werden. Betreiben soll es die Schwulenberatung. „Die Verhandlungen mit dem Lageso sind ziemlich weit“, sagt Marcel de Groot, der Geschäftsführer der Schwulenberatung.

Für Joana Hassoun ist das einerseits ein Lichtblick. „Ich wünsche mir, dass es bald eröffnet wird“, sagt sie. Andererseits löst es nicht ihre aktuellen Probleme. „Im Notfall müssen die Leute auf der Straße bleiben. In ein Heim wollen und können sie nicht mehr.“ Habil und Ahmed hatten Glück. Sie meldeten sich gleich nach ihrer Ankunft beim LSVD. Kurz darauf zogen sie in eine Wohnung. Joana Hassoun hatte schnell gearbeitet.

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