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Der Motzstraßenkiez ist ein traditionelles queeres Ausgehviertel.

© Doris Spiekermann-Klaas

Berlin-Schöneberg: Wirte im queeren Kiez klagen über Gewalt und Kriminalität

Die "Lieblingsbar" in der Eisenacher Straße musste wegen zunehmender Kriminalität im Kiez schließen. Auch andere Wirte sehen ein Problem in der steigenden Kriminalität.

Ein Hauch von bürgerlichem Flair weht durch die Eisenacher Straße in Schöneberg, um die Mittagszeit ist hier alles ruhig. Nur die Regenbogenfahnen an den Geschäften verraten, dass die Gegend Berlins bekanntester homosexueller Kiez ist. Die Jalousien der Kneipen sind noch unten, viele öffnen erst am Abend. Die „Lieblingsbar“ in der Hausnummer drei hat die Fenster zugeklebt – die Bar ist dauerhaft geschlossen. Der Wirt Thorsten Baumert sagt, die Gäste seien ausgeblieben – wegen zunehmender Kriminalität im Kiez.

Nur ein Haus weiter, in der Eisenacher Straße 2, ist das „Sally Bowles“, eine Kneipe im 20er-Stil. Inhaber Sebastian bestätigt, es gebe in der Gegend immer mehr Diebstähle und Überfälle. „Der Umgang ist aggressiver als früher“, sagt er. Zwar seien seine Mitarbeiter noch nicht überfallen worden. Überfälle auf der Straße seien aber öfter zu beobachten. „Meist sind ältere Männer die Opfer“, sagt Ungruhe. Auch in seiner Bar habe die Situation Einfluss auf das Geschäft, vor allem an wärmeren Tagen. „Wir lassen die zwar nicht herein“, sagt er mit Blick auf kiezbekannte Kriminelle. „Aber draußen an den Tischen können wir das nicht kontrollieren.“ Da würde öfter im Vorbeigehen ein Handy geklaut. Die Probleme hätten auch mit dem nahen Strich zu tun.

Über 2500 Diebstähle im vergangenen Jahr

Immer wieder geriet der Kiez rund um die Motzstraße wegen steigenden Kriminalitätszahlen in die Schlagzeilen. Auch die sogenannte Hasskriminalität, also gezielte Übergriffe auf Homosexuelle, kommt in dem Viertel besonders oft vor.

Alles zu. Der „Lieblingsbar“ wurde es zu gefährlich in Schöneberg.
Alles zu. Der „Lieblingsbar“ wurde es zu gefährlich in Schöneberg.

© Helena Wittlich

Einige Meter weiter in der Fuggerstraße ist die Bar „Tabasco“. Auch Inhaber Uli Menze spricht von steigender Kriminalität im Kiez, die habe allerdings nichts mit dem Strich zu tun. Denn es handele sich vor allem um kriminelle Osteuropäer, die Betrunkene als leichte Opfer aussuchen. Natürlich sei das schädlich fürs Geschäft. „Es hat eine Dimension angenommen, die an die Substanz geht“, sagt Menze. Die Überfälle hätten ein Niveau an Skrupellosigkeit erreicht, das vor einigen Jahren noch nicht da war. Er glaubt aber, dass das an vielen Orten in Berlin ähnlich sei. „Die Polizei gibt sich hier alle Mühe“, sagt Menze.

Mehr als 250 Diebstähle pro Monat zählte die Polizei im Kiez – im Zeitraum von Juni 2015 bis Mitte April 2016. Das sind in gut zehn Monaten 2616 Diebstähle. Im Vergleich dazu hatte es im kompletten Jahr zuvor 2736 Diebstähle gegeben. Fünf Jahre zuvor waren es rund 700 weniger.

Nachbarn halten zusammen

Tatjana Schramm wohnt und arbeitet seit elf Jahren im Kiez. Dass die Kriminalität zugenommen habe, empfindet sie nicht so. Die sei schon immer da gewesen, sagt sie. Die Gegend rund um den Schwulenstrich in der Eisenacher Straße meide sie nachts, wenn sie alleine unterwegs ist. Ansonsten fühle sich sie aber sicher hier. Und vor allem in der Nachbarschaft gut aufgehoben. „Das ist wie auf dem Dorf, man passt aufeinander auf“, sagt Schramm. Der Spätkauf, in dem sie arbeitet, sei zum Glück von Überfällen bisher verschont geblieben. Im Laden gibt es Überwachungskameras.

Auch Barbesitzer Ungruhe hat sich mit den Nachbarn zusammengetan. Einige Anwohner seien auf ihn zugekommen wegen einer Bürgerinitiative, sagt er. „Die halten zusammen und wehren sich ganz toll“, sagt er. Doch das löse das Problem nicht. Oft treffe es Touristen, die freundlich seien, wenn sie angesprochen würden.

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