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Gans oder Brikett? Ades Zabel als verkrachte Hausfrau Edith Schröder in der Trash-Komödie „Ediths Glocken“.

© Xiomara Bender/Edition Salzgeber

Ades Zabels Film "Ediths Glocken": Im Abflussrohr sitzt eine Stolle

Faul, versoffen, herzig: Ades Zabels Kunstfigur Edith Schröder ist Kult – nicht nur in Neukölln. Nun wird sie Heldin eines Weihnachtsfilms.

Der „Zapfhahn“, das wär’s gewesen. Gemütlich mit Edith Schröder in der Bierschwemme unter der Rolltreppe im Souterrain von Karstadt am Hermannplatz picheln. Untergeschoss-Künstlertalk mit dem Underground-Star Ades Zabel, der seine berühmteste Figur, die Trümmertunte Schröder, schon 1981 erstmals in einem eigenen Super-8-Film verkörpert hat. Doch, wie es halt so ist mit den Sternen, sie stehen oben. Und Ades Zabel zieht dann doch das Selbstbedienungsrestaurant fünf Rolltreppen höher vor. Im „Zapfhahn“ sind sowieso kaum Thekenplätze frei. Noch nicht mal dunkel draußen und drinnen schon die Bierchen zischen, das ist alte Neuköllner Schule.

So wie sie auch Edith Schröder pflegt, die Hartz-VIII-Empfängerin aus der Nogatstraße mit der langlebigen Bühnenkarriere. Allein die von Ades Zabel und Company fortlaufend weiterentwickelte Weihnachtsshow „Wenn Ediths Glocken läuten“ wird seit 2004 jeden Advent mehrere Wochen vor vollem Haus im BKA-Theater aufgeführt. Und dieses Mal kommt sie gar im Doppelpack heraus – als Bühnenshow und als Kinofilm mit dem Titel „Ediths Glocken“.

Ja, hat denn Ades Zabel keine Angst, dass sein Universum der Trash-Comedy sich kannibalisiert? Nö, schüttelt er den Kopf. „Live ist ja anders als Film.“ Und beides ist anders als das wirkliche Leben. Da trägt er weder Perücke noch Fummel, sondern Glatze und Jeans und trinkt zum Kaffeeklatsch weder Futschi noch „Prosetscho“, beides wichtige Bestandteile Schröderscher Flüssigkeitszufuhr.

Mit Bad Taste in den Annalen West-Berlins

Geht ja auch nicht. Zabel hat hinterher noch Schicht. Im Tipi am Kanzleramt in der Operette „Frau Luna“, wo er der Rolle des staubsaugerschwingenden Mondgrooms einen deutlichen Edith-Schröder-Touch verleiht. Immer wieder erstaunlich, was die Berliner Unterhaltungsbranche für Karrieren hervorbringt. Dass es Ades Zabel mal in Glitzerpuschen auf den Mond verschlägt, hat ihm an seiner 1963 in Haselhorst stationierten Wiege jedenfalls niemand gesungen. Dem Arbeitermilieu, das er in seinen Travestierollen persifliert, ist er selbst entsprungen. Im KaDeWe hat er in der Herrenkonfektion gelernt und zehn Jahre im Kreuzberger Kino Moviemento als Filmvorführer gejobbt. Früher künstlerischer Höhepunkt ist dann die 1980 gegründete, queere Comedytruppe „Teufelsberger“. Deren Filme wie die „Drei Damen vom Grill“-Persiflage „Drei Drachen vom Grill“ sind als schrille Bad-Taste-Klamotten in die Annalen West-Berlins eingegangen.

Dagegen ist „Ediths Glocken“, mit einem Budget von 16 000 Euro realisiert, die reinste Qualitätsproduktion. Die Liebe zu John-Waters-Filmen, den Spaß am Hässlichen, habe er nicht verloren, weiß Ades Zabel zu beruhigen. Und doch hat sich sein Geschmack verändert. Der Trash ist kalkulierter. Die Zotenquote ist gesunken. „Ich mache mich jetzt lieber über Gentrifizierung und gesellschaftliche Veränderungen lustig.“ Dass Edith Schröders Neukölln, das in den Achtzigern sonst noch gar kein Thema war, ausgerechnet dafür zum Symbol geworden ist, hat ihm quasi in die Hände gespielt.

Eine Weihnachtskomödie mit derben Späßen

Die Weihnachtskomödie ist trotzdem mehr mit derben Späßen zum Themenkomplex Familie, Geschenke, Tannenbaum als mit Gesellschaftskritik gespickt. Wie immer ist bei Edith und ihren Spießgesellinnen – Kneipenwirtin Jutta (Bob Schneider), Legginsboutiquenbesitzerin Biggy (Biggy van Blond) nebst einem befreundeten schwulen Friseurpärchen (Stefan Kuschner und Nicolai Tegeler) – einiges los. Besonders untenrum.

Leopardenschlüpper werden en gros verschenkt. Der Klempner, der eine Stolle aus Ediths verstopftem Abflussrohr zieht, erlebt nebenbei sexuelle Belästigung. Ein Schicksal, das Edith und Biggy, die bei Karstadt nach einem schönen Vibrator für Jutta suchen, auch selber ereilt. Der Kaufhausdetektiv erwischt sie beim Klauen und nutzt die Situation schamlos aus. Die delikate Szene wurde allerdings im, mit einem breiten Dildo-Sortiment ausgestatteten, Buchladen „Brunos“ am Nollendorfplatz gedreht. Der mit der Figur Edith Schröder vertraute Filialleiter von Karstadt hätte den Dreh gern erlaubt, erzählt Ades Zabel, doch die Konzernleitung wollte nicht. Verständlich, wenn man sieht, wie Edith und Biggy in Juttas Kneipe taumeln und entgeistert seufzen „Wir mussten uns lecken – bei Karstadt!“

Klingt krass? Ist aber puppenlustig. Und ebenso wie Ediths ewige Ossi- und Schwulen-Tiraden, so schön unverfroren und gar nicht pc. „Ich will wohl provozieren“, rätselt Zabel auf die Frage, warum Splatter und Scherze unter der Gürtellinie fester Bestandteil der Saga sind.

Ades Zabel ist im aufgeklärten Mainstream angekommen

Die Leute kommen trotzdem oder deswegen. Offensichtlich ist das, was einst Underground war, in Zeiten unablässig purzelnder Tabus im aufgeklärten Mainstream angekommen. „Früher war unser Publikum zu 80 Prozent schwul, seit fünf, sechs Jahren ist es deutlich heterosexueller.“ Bestimmt gelten Kulturtouristen die schrägen Werke der Ades Zabel Company inzwischen als Aushängeschilder eines verrückten, verschlampten, versoffenen, aber liebenswerten Berlins.

Für Ades Zabel, der wie viele seriöse Kulturschaffende ein Häuschen in der Uckermark sein eigen nennt, ist das kein Grund zum Weinen. Er staunt in der Rückschau über das Überkandidelte, die Düsternis seiner frühen Edith Schröder und denkt sich mit Bob Schneider und Biggy van Blond schon wieder das nächste Programm für 2017 aus. „Irgendwas mit Flughafen und Flüchtlingen.“ Es muss ja weitergehen mit Edith, dem Altberliner Bollwerk gegen das von ihr schwer begeisterte Hipstertum. Und außerdem drängt die "Frau Luna".

"Sieben Jahre Neukölln haben mich fertiggemacht"

Ein kleiner Schlenker zur Weihnachtssonderfläche ist aber noch drin. Ein Traum, bei Karstadt nach Glocken für Edith schauen! Zielsicher steuert Ades Zabel im Restaurant die Geschirrrückgabe an. Der kennt sich ja aus. Zeit, zu offenbaren, dass er seit geraumer Zeit in Friedrichshain wohnt. „Gut sieben Jahre Neukölln haben mich fertiggemacht.“ Dabei gibt’s am Hermannplatz so viel Hightech. Bei Karstadt fahren sogar die Kaffeetassen Förderband. Die Weihnachtsartikel zwei Rolltreppen abwärts sind dann aber gar nicht nach Neuköllner Hausfrauengeschmack. Viel zu wenig Glitzer, viel zu zurückhaltende Farben. „Dit is mir allet zu cremig hier“, resümiert Ades Zabel. Spricht’s und sieht auch ohne Perücke ganz wie Edith Schröder aus.

Filmpremiere „Ediths Glocken“ mit der Ades Zabel Company, 24. 11., 20.30 Uhr im Passage Kino, Kinostart: 27. 11.; Bühnenshow „Wenn Ediths Glocken läuten, Vol. 13“, ab 26.11. im BKA-Theater

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