zum Hauptinhalt
Herz für Herz. Seit 15 Jahren gibt es das Lebenspartnerschaftsgesetz.

© dpa

15 Jahre Lebenspartnerschaft: Hat die Homo-Ehe was gebracht?

15 Jahre Homo-Ehe: Im Tagesspiegel diskutierten auf Einladung der Hirschfeld-Stiftung prominente Gäste aus Politik, Wissenschaft und Verbänden, darunter Rita Süssmuth.

Ist die eingetragene Lebenspartnerschaft ein Meilenstein der Emanzipationsbewegung der Homosexuellen? Oder zementiert sie als Abklatsch der Ehe nicht vielmehr die Diskriminierung? Darüber wurde am Donnerstagabend leidenschaftlich im Verlagsgebäude des Tagesspiegels gestritten. Eingeladen zu einer Debatte über „15 Jahre eingetragene Lebenspartnerschaft“ hatte die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., sprach engagiert über das Thema Lebenspartnerschaftsgesetz.
Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D., sprach engagiert über das Thema Lebenspartnerschaftsgesetz.

© Thilo Rückeis

Als „Zäsur“ bezeichnete Volker Beck (Grüne) die Lebenspartnerschaft. „Ich war heilfroh, als sie in Kraft trat.“ Für viele Menschen seien damit viele Probleme gelöst worden, zumal nach den folgenden Interventionen des Bundesverfassungsgerichts. Die Zeiten, in denen Homosexuelle kein Recht hatten, ihre Partnerin oder ihren Partner auf der Intensivstation zu sehen, nicht in den Mietvertrag der oder des Verstorbenen eintreten und nicht erben durften, waren vorbei.

Die heute ungeliebte „Ehe light“ war den Homosexuellen nicht in den Schoß gefallen, sie musste hart erkämpft werden. Sogar gegen Teile der Szene, wie Beck sich erinnerte: „Unter Schwulen und Lesben galt das als Verrat.“ Viele hätten ihren „alternativen lifestyle“ bedroht gesehen und das Engagement für die Lebenspartnerschaft abgelehnt genau wie das Ringen für offen schwule Soldaten in der Bundeswehr oder Auftritte grüner Politiker in bürgerlichen Anzügen. Gerade feministische Lesben konnten einer Institution, die Jahrhunderte lang Asymmetrien festgeschrieben hatte, nichts abgewinnen.

Gespräch im Tagesspiegel-Haus. Sabine Hark, Leiterin des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU, Rita Süssmuth, Christian Lange (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium und Volker Beck (Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Grüne). Tagesspiegel-Redakteur Fabian Leber moderierte.
Gespräch im Tagesspiegel-Haus. Sabine Hark, Leiterin des Zentrum für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU, Rita Süssmuth, Christian Lange (SPD), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesjustizministerium und Volker Beck (Bundestagsabgeordneter Bündnis 90/Grüne). Tagesspiegel-Redakteur Fabian Leber moderierte.

© Thilo Rückeis

Widerstand gegen die Homo-Ehe gab es auch in der SPD

Widerstände gab es auch in der SPD, die doch vor der Bundestagswahl 1998 die Öffnung der Ehe versprochen hatte.  Der heute 81-Jährige Vorkämpfer Manfred Bruns, Bundesanwalt a.D. und engagiert im Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD), bekam nach der Wahl einen wütenden Telefonanruf von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, die versuchte, das Gesetz auszusitzen und ihm bei den folgenden Begegnungen den Handschlag verweigerte, erinnert sich Bruns. Das Gesetz kam trotzdem.

Auf dem Podium. Manfred Bruns (Bundesanwalt a.D.), Barbara Höll (Die Linke) und "taz"-Journalist Jan Feddersen.
Auf dem Podium. Manfred Bruns (Bundesanwalt a.D.), Barbara Höll (Die Linke) und "taz"-Journalist Jan Feddersen.

© Thilo Rückeis

„Die SPD hat es mit Kanzler Schröder gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt“, sagte Christian Lange, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (SPD). Die erhoffte Dankbarkeit bekam Lange bei der Veranstaltung aber nicht zu spüren. Stattdessen schlug ihm Wut entgegen, weil die SPD für diese Legislaturperiode die Ehe nicht im Koalitionsvertrag gegen die Union durchgesetzt hatte.

Bundesverfassungsgericht gibt die Richtung vor

Alfonso Pantisano von der Initiative „Enough is Enough“, der unter den über 100 Zuhörern saß, konnte kaum warten, bis ihm endlich das Wort erteilt wurde. Er warf Lange „Großkotzigkeit“ vor, weil dieser darauf hingewiesen hatte, dass immerhin die Sukzessivadoption im Koalitionsvertrag verankert wurde. „Das war ein Befehl des Bundesverfassungsgerichts, und Sie versuchen uns das als Errungenschaft der SPD zu verkaufen! Das ist der Sache nicht würdig!“, rief Pantisano. Lange beteuerte, gegen den Koalitionspartner sei  bei dem Thema nun mal nicht anzukommen. Volker Beck hält die SPD für nicht durchsetzungswillig genug, was sie selbst beschädige: „Das killt eine Partei! Merkel hat das mit der FDP gemacht, jetzt macht sie es mit der SPD!“

Warum hat Merkel dieses ,Bauchgefühl’ gegen die Ehe und Adoptionen? Warum fällt der Union das Thema so schwer?“, wollte Tagesspiegel-Redakteur Fabian Leber, der die Veranstaltung moderierte, von Rita Süssmuth wissen. Die frühere Bundestagspräsidentin (CDU) engagiert sich seit langem für die Sache der Frau und inzwischen auch als Mitglied der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) für die Sache der Homosexuellen.  Süssmuth hält die Union gemessen an ihren früheren Positionen heute aber in großen Teilen für überraschend aufgeschlossen. „Merkel ist viel näher bei der Bewegung als sie politisch zur Sprache bringt“, sagte sie.

Alexander Vogt vom Bundesvorstand der Lesben und Schwulen in der Union (LSU)
Alexander Vogt vom Bundesvorstand der Lesben und Schwulen in der Union (LSU)

© Thilo Rückeis

So sieht es auch Alexander Vogt, Bundesvorstand der LSU: „Die Union mit ihren verschiedenen Strömungen von sehr liberal bis sehr rechts ist ein Flohzirkus, der schwer zusammen zu halten ist.“

"Die Union ist ein Flohzirkus"

„Merkel ist eine kluge Frau, und sie betreibt ein gefährliches Spiel“, sagte Barbara Höll, Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft Die Linke.queer. Denn eigentlich wisse doch jeder, dass die Lebenspartnerschaft schon fast die gleichen Rechte wie die Ehe sichere. Also benutze Merkel das Thema nur als „machtpolitisches Instrument“, um die Konservativen zu beruhigen. In Zeiten eines möglichen Rollback durch Pegida und die AfD sei das „schlimm“.

Die Homosexuellen warten darauf, dass die „Heiratsbeschränkung, ein Akt der Tyrannei inmitten der Demokratie“ (Sabine Hark, TU Berlin) endlich fällt - könnte es angesichts des Erstarkens der Ultra-Rechten stattdessen tatsächlich zu einem Rollback kommen? Staatssekretär Lange ist davon überzeugt, dass dieser „echte gesellschaftliche Modernisierungsschritt nicht mehr rückholbar ist“, anders als in Slowenien, wo unlängst Fundamentalisten das Rad zurückdrehten. Jan Feddersen von der „Taz“, Mitglied im Kuratorium der Hirschfeld-Stiftung und, wie er zu erkennen gab, SPD-Mitglied, sieht dem Einzug der AfD in die Parlamente mit Gelassenheit entgegen. Die liberalen Parteien würden dadurch gezwungen, ihre Positionen zu klären, um sich abzugrenzen. Das meint auch Volker Beck, versuche der „Mob auf der Straße“ auch, Aufklärung im Schulunterricht als „Rumbumsen im Klassenzimmer“ zu diffamieren.

Rita Süssmuth: Die Lage ist gefährlich

Rita Süssmuth hingegen hält die Lage für „gefährlich“. Für die Union werde es angesichts des Rechtsrucks nur noch schwieriger, sich liberal zu verhalten. Das Parlament werde den Wandel also wohl nicht alleine schaffen. Darum sei „ein Wechsel in der Strategie“ nötig. „Es hängt von uns ab, ob wir uns mobilisieren, um die Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub mehr dulden!“, rief Süssmuth  kämpferisch unter lautem Applaus. 

Wie könnte dieser Strategiewechsel aussehen? „Wir leben in einer Gesellschaft, die von heteronormativer Gewalt gegen Homo- und Transsexuelle bestimmt wird. Da wird uns die Ehe nicht viel nützen“, sagte Sabine Hark, Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. Das Thema müsse breiter angegangen werden. Um dabei in die „politische Offensive“ zu gelangen, dürfe man nicht allein auf die Parteien hoffen, es sei „mehr Phantasie“ nötig. Neue Bündnispartner müssten gesucht werden. Das sei aber nicht leicht, sagte Hark und berichtete von dem Versuch eines Sozialarbeiters, nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln Männer zum Aufstehen gegen sexualisierte Gewalt zu bewegen. Die Petition habe aber kaum Unterzeichner gewonnen.

Wann werden Homosexuelle wirklich heiraten können? Mit der Union auch nach 2017 nicht, sagte Staatssekretär Lange. „Das wollen wir doch mal sehen“, antwortete Rita Süssmuth.

Dieser Text erscheint auf dem Queerspiegel, dem queeren Blog des Tagesspiegels, den Sie hier finden. Themenanregungen und Kritik gern im Kommentarbereich etwas weiter unten auf dieser Seite oder per Email an:queer@tagesspiegel.de.

Folgen Sie dem Queerspiegel auf Twitter:

Zur Startseite