zum Hauptinhalt
 Dustin Hoffman und Dame Gwyneth Jones kamen Mitte Januar zur Premiere des Films Quartett, Hoffmans Regiedebüt. In der deutschen Oper wurden sie begeistert gefeiert.

© dpa

"Quartett"-Premiere: Dustin Hoffman wird in Berlin gefeiert

"Quartett", Dustin Hoffmans Debüt als Regisseur, löst bei der Premiere in der Deutschen Oper Begeisterungsstürme aus. Für Dame Gwyneth Jones, die dort 1966 erstmals in Berlin auftrat, war es ihre erste Filmrolle.

Welch ein Triumph! Es prasselt, es braust, es kocht immer aufs Neue hoch, ohne je wirklich nachgelassen zu haben. Standing Ovations? Was für ein schwaches Wort für diese entfesselte Begeisterung, die schon den ganzen Abspann von „Quartett“ anhielt, von allen Seiten auf Dustin Hoffman, Sir Tom Courtenay, Dame Gwyneth Jones und Sheridan Smith herabschüttete, so dass erste Tränen der Rührung abgetupft werden mussten angesichts der maßlosen Zustimmung. Und auch jetzt, da die vier Hauptpersonen und die anderen aus dem Filmteam auf der Bühne der Deutschen Oper stehen an diesem Sonntagmittag, will das Klatschen, Jubeln, Johlen kaum enden, würde für ein Dutzend anderer Berliner Filmpremieren reichen und gilt doch allein den großartigen Schauspielern und vor allem Hoffmans Debüt als Regisseur.

Obwohl: Regisseur? Eher wie ein Tenor an der Mailänder Scala fühle er sich, schwärmt Hoffman, offenbar ebenfalls wie benommen von diesem anhaltenden Liebesbeweis, dieser Bestätigung seiner neuen Rolle, die zu übernehmen er sich so lange gescheut hatte. Und er preist alle, die jetzt nicht dabei sein können, die alten Musiker und Sänger, die er unbedingt in seinem Film haben wollte, die oft seit Jahrzehnten nicht mehr solch eine Einladung erhalten hätten und dann mit Leidenschaft und Dankbarkeit dabei gewesen seien. „Für uns alle war es nicht ein Job, es war eine spirituelle Reise.“

Eine Reise, die auch das mit Musikliebhabern und Leuten vom Opernfach offenbar gut durchmischte Premierenpublikum ergriffen hat. „Ihr habt das wirklich verstanden“, begeistert sich Dame Gwyneth Jones. „Ich habe so weinen müssen, dass ihr so lachen musstet.“ Für sie ist es ein ganz besonderer Tag: Hier auf der Bühne der Deutschen Oper hat sie 1966 ihr Berlin-Debüt gegeben, in „Fidelio“ mit Karl Böhm als Dirigent. Und sie versichert auch, dass sie das Biest, das sie in „Quartett“ spielen musste, überhaupt nicht sei, aber auf diese Idee ist ohnehin niemand gekommen.

Zu welcher Begeisterung besonders das Berliner Opernpublikum fähig ist, hat sie hier immer wieder erfahren. Gewiss, eines gilt überall: „Wenn die Vorstellung gut ist, ist auch das Publikum begeistert.“ Aber Berlin hat doch etwas Besonderes: „Die sind warmherzig, begeisterungsfähig, kritisch auch, aber das ist gut so. Und sie sind auch treu. Überhaupt ist es wirklich unglaublich, wie treu meine Fans sind.“ So hat es die gebürtige, heute in der Schweiz lebende Waliserin bereits am Vortag erzählt in einer Suite des Waldorf-Astoria. „Als Opernsängerin muss man viele Sprachen singen und sprechen. Man muss die Sprache des Landes sprechen, in dem man arbeitet.“ Und sie hat eben überall gearbeitet an den Opernhäusern der Welt, hat nun auch die deutsche und die italienische Version des Films synchronisiert, die französische folgt.

Das Angebot ihrer ersten Filmrolle erhielt sie unverhofft per Mail. Eines Morgens kam ihr Mann, der Dirigent und Pianist Adrian Müller, im Film mit seinem Klavierspiel dabei, zurück ins Schlafzimmer und begrüßte sie mit einem Kuss: „Guten Morgen, du bist mein Filmstar.“ In seinem Film über eine Residenz für pensionierte Musiker und Sänger wollte Hoffman genau eine wie sie, obwohl: „Ich bin nicht pensioniert, ich singe noch“, sagt sie lachend. Aber die für den Auftritt ihrer Figur vorgesehene Arie „Vissi d’arte“ aus „Tosca“ war eine ihrer Lieblingsarien, da fiel die Entscheidung nicht schwer. Als sie aber den Dokumentarfilm über ein von Verdi in Mailand gegründetes Musikeraltersheim gesehen hatte, der erst ein Bühnenstück und nun den Spielfilm initiiert hatte, war sie doch verunsichert. Die Sängerin, die dort die „Tosca“-Arie darbot, konnte kaum mehr singen. Aber sie fand eine Lösung, bat darum, die Rolle mit Perücke spielen zu dürfen. „Nicht dass meine Fans denken, ich bin jetzt in einem Pensioniertenheim.“

Ans Aufhören denkt sie mit ihren 76 Jahren noch nicht. „Ich habe zu viel Energie.“ Der Philosoph Khalil Gibran habe in dem Buch „Der Prophet“ geschrieben: „Arbeit ist Liebe sichtbar gemacht.“ Das finde sie wunderbar, egal was man für eine Arbeit tue. „Ich habe von den Töchterrollen zu den Müttern gewechselt, aber das ist eine natürliche Entwicklung.“ Auch versucht sie jungen Sängerinnen zu helfen, gibt Meisterkurse, sitzt in Jurys.

Dass Hoffman nun tatsächlich nach Berlin gekommen ist, ist wohl nicht zuletzt auch ihr zu verdanken. Er wusste erst nicht, wie er bei all seinen Verpflichtungen noch Berlin einschieben sollte, doch immer wieder bestürmte sie ihn aus der Ferne, bis er sie glatt zur „Präsidentin meines Fan-Clubs“ erklärte – und gleich ergänzte: „And I’m yours.“ Ein scherzhafter Mailwechsel entspann sich. Man habe sie einst ein Bühnentier genannt, ein Bühnentier sei aber auch er, ging es hin, „See you in the jungle“, kam es zurück. Was sie wiederum zu dem Lockruf trieb, Berlin habe einen tollen Zoo. Möglich, dass das den letzten Kick gab.

Eine weitere Schauspielerkarriere? Sie kann es sich vorstellen, hat sich vor der Kamera wohl gefühlt, was sie nicht verwunderte: „Eine Opernsängerin ist eine singende, tanzende Schauspielerin.“ Und eine mögliche Rolle hat sie bei der Premiere auch gleich in die Runde geworfen. „Ich könnte auch Miss Marple spielen.“

Ein Interview mit Dustin Hoffman und die Rezension des Films lesen Sie am Dienstag im Kulturteil des Tagesspiegels.

Zur Startseite