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Für den Prozess vor dem Kammergericht gegen den mutmaßlichen Späher des IS, Shaas Al M., bestehen hohe Sicherheitsvorkehrungen.

© AFP/ Tobias Schwarz

Prozessauftakt gegen mutmaßlichen IS-Anhänger: Terrorverdächtiger schweigt vor Gericht

Der 20-Jährige Shaas Al M. soll IS-Mitglied sein und Anschlagsziele in Berlin ausgespäht haben. Seit Mittwoch steht er vor Gericht. Seine Verteidigung widerspricht den Vorwürfen.

Der junge Angeklagte verdeckte sein Gesicht mit einer silberglänzenden Mappe vor den Kameras: Shaas Al M., gerade 20 geworden, steht seit Mittwoch vor dem Staatsschutzsenat des Kammergerichts. Sein Platz ist hinter Panzerglas, die Sicherheitsvorkehrungen sind für den Prozess erhöht. Der Syrer soll für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aktiv gewesen sein und Anschlagsziele in Berlin ausgespäht haben – „den Alexanderplatz, das Brandenburger Tor und das Gebiet um den Reichstag“, so die Anklage. Er habe zudem als Kontaktmann für etwaige Attentäter bereitgestanden.

Shaas Al M. war Ermittlungen zufolge über die Balkanroute nach Deutschland gekommen – ohne Familie. Das war im August 2015. Erst Bayern, dann Landkreis Potsdam-Mittelmark. Als Flüchtling und Asylsuchender war er registriert. Doch er soll – als Jugendlicher radikalisiert durch einen Imam in seinem Heimatdorf in Syrien – mit terroristischen Zielen unterwegs gewesen sein. Seit März ist Al M. inhaftiert. Wegen Verdachts auf Mitgliedschaft in einer Terrorvereinigung und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.

Seit Mitte 2013 soll sich der Angeklagte mit dem IS identifiziert haben

Der Angeklagte flüsterte mit seinen Verteidigern. Seine Anspannung schien nicht hoch zu sein. Ein Lächeln huschte über sein glattrasiertes Gesicht. Ob er sich zu den Vorwürfen äußern wolle, fragte der Senatsvorsitzende. „Nicht äußern“, kam die Antwort. Er sei auch nicht bereit, sich von einem Sachverständigen – einem Gerichtspsychiater – untersuchen zu lassen, so die Anwälte. Mit einem Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit wegen des jugendlichen Alters ihres Mandanten zu Beginn der mutmaßlichen Taten scheiterten sie. Das öffentliche Interesse überwiege, so das Gericht.

„Spätestens seit Mitte 2013 identifizierte sich der Angeschuldigte mit den Zielen des IS“, so die Bundesanwaltschaft. Shaas Al M., damals 16, habe eine religiöse und militärische Ausbildung beim IS begonnen, diese dann abgebrochen und mit einer Kalaschnikow in der Hand bei der Belagerung eines Flughafens Wache geschoben. Zudem soll er bei den Kämpfen um die syrische Stadt Deir Ezzor eingesetzt gewesen sein, unter anderem bei der Beschaffung von Lebensmitteln für das örtliche Camp der Miliz.

„Als 18-Jähriger kam er nach Deutschland und distanzierte sich nicht vom IS“, sagte Staatsanwalt Gerwin Moldenhauer. Über sein Smartphone habe Al M. „intensiven Kontakt“ zum IS gehalten. Ab Ende August 2015, also kurz nach seiner Ankunft, habe Al M. bei Besuchen in Berlin mögliche Anschlagsziele ausgespäht. Wie viele Personen und Reisebusse befinden sich zu welcher Zeit am Alexanderplatz, am Brandenburger Tor, am Reichstag? Solche Informationen soll der Syrer an den IS weitergegeben haben.

Auch innerhalb des Gerichtssaals wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.
Auch innerhalb des Gerichtssaals wurden die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

© AFP/ Tobias Scharz

Ein langer Indizienprozess steht bevor, 24 weitere Verhandlungstage vorgesehen

Die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte Al M. festnehmen lassen. Damals soll er einige Fragen beantwortet und wohl zugegeben haben, dass er für den IS tätig war, den Treueschwur aber nicht geleistet habe. Das alles sei falsch, erklärte nun Verteidiger Tarig Elobied. „Seine Angaben im Ermittlungsverfahren waren zum großen Teil ausgedachte Geschichten.“ Der Anklage widersprachen die Verteidiger in Beweisanträgen. Sachverständige wollen die Verteidiger einschalten lassen, um zu belegen: „Der Angeklagte war nicht Mitglied des IS“. Al M. habe sich in Syrien vielmehr einer Vereinigung angeschlossen, die der Freien Syrischen Armee nahegestanden und als Gruppe eines Dorfes Widerstand geleistet habe.

Ein langer Indizienprozess steht bevor – bislang sind 24 weitere Tage bis Ende April vorgesehen. Zunächst werde es um die mutmaßlichen Taten in Syrien gehen, hieß es. Viele Fragen sind offen. Darunter auch die, ob Al M. mit echten Papieren nach Deutschland kam. Die Ermittler scheinen bislang davon auszugehen. So gibt es Angaben zufolge kein Gutachten hinsichtlich seines Alters. Bei einem Schuldspruch würden die Richter nach dem milderen Jugendstrafrecht urteilen.

„Für wie gefährlich halten Sie den Angeklagten?“, wurde einer der Staatsanwälte am Rande des Prozesses gefragt. „Wir müssen die Hauptverhandlung abwarten“, hielt sich der Ankläger bedeckt. Wurde Al M. möglicherweise vom IS nach Deutschland eingeschleust? Eine Antwort gibt es noch nicht. Konkrete Pläne für einen Terroranschlag habe es aber nicht gegeben, hieß es. Als ein wichtiges Beweismittel gilt das Handy. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

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