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Daniel Wesener (Grüne) , Torsten Schneider (SPD) und Stefan Zillich (Linke) (v.l.).

© Lino Mirgeler/dpa

Fall Amri: Koalition informierte Sonderermittler nicht

Im April hatte der Senat Bruno Jost als Sonderermittler eingesetzt. Dass Rot-Rot-Grün nun doch einen Untersuchungsausschuss will, erfuhr Jost vorab nicht.

Sonderermittler Bruno Jost wirkte am Montag im Innenausschuss überrascht, als in der Sitzung durchsickerte, dass die Regierungsfraktionen SPD, Grüne und Linke nun doch einen Untersuchungsausschuss zu den Pannen im Fall Amri fordern. Tatsächlich sei Jost nicht vorab informiert, bestätigte Daniel Wesener von den Grünen am Dienstag. "Jost ist vom Senat eingesetzt, wir sind das Parlament", sagte Fraktions-Geschäftsführer Wesener. Mit seinen Kollegen von SPD und Linkspartei, Torsten Schneider und Steffen Zillich versuchte er am Dienstag, den Sinneswandel zu erklären.

Zu Beginn des Jahres hatten die drei Senats-Parteien einen U-Ausschuss strikt abgelehnt, mit der Hauptbegründung, dieser arbeite zu langsam. Ein Sonderermittler sei schneller. Nur AfD und FDP waren anfangs dafür; den beiden Parteien fehlten wenige Stimmen, um ihn im Parlament durchzusetzen. Denn die größte Oppositionspartei CDU wollte nicht, wohl mit dem Hintergedanken, dass ihr bisheriger Senator Henkel nicht gut dastehen könnte.

Wann der Untersuchungsausschuss startet, ist noch unklar

Die CDU übrigens erfuhr wie Jost ebenfalls nur nebenbei von der plötzlichen Kehrtwende der Koalition. Denn die Parteien verteilten im Innenausschuss Pressemeldungen an Journalisten. Burkard Dregger verkündete sodann, das nun auch die CDU dafür sei. Nun steht der CDU sogar der Vorsitz im Amri-Ausschuss zu.

Hakan Tas von der Linkspartei spottete bereits über Twitter: "Herr Dregger freut sich sicherlich jetzt schon, damaligen Innensenator Henkel im Untersuchungsausschuss Amri Fragen zu stellen."

Wann der Untersuchungsausschuss startet und welche Fragen er klären soll, ist noch offen. Alle Parteien wollen sich nun auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. „Wir müssen unsere Sicherheitsarchitektur“ hinterfragen“, sagte Zillich, um einen bestmöglichen Schutz vor neuen Anschlägen zu gewährleisten. Zunächst sollte der für den 3. Juli angekündigte Bericht des Sonderermittlers abgewartet werden.

Lob für Sonderermittler

Dessen Arbeit lobten die Regierungsparteien am Dienstag erneut. Der U-Ausschuss solle die Untersuchung von Jost „nicht torpedieren“, versicherte Zillich. Wie die Zusammenarbeit aussehen soll, ist unklar. Jost selbst hatte sofort eine Klärung angemahnt. Die drei Fraktionsgeschäftsführer vermittelten am Dienstag den Eindruck, dass Jost die Fälscher im LKA jagen solle, während der Untersuchungsausschuss sich ums große Ganze kümmert. Allerdings lautete der Auftrag des Innensenators Andreas Geisel (SPD) für Jost: "Wir wollen lernen, wie wir uns besser aufstellen können."

Bericht zu Amri wurde abgeschwächt und zurückdatiert

Die Regierungsparteien begründeten ihren Sinneswandel mit den in der letzten Woche von Jost aufgedeckten Manipulationsversuchen im LKA. Geisel hatte am Mittwoch Anzeige erstattet, wegen Urkundenfälschung und Strafvereitelung im Amt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun gegen einen LKA-Beamten. Dieser soll im Januar 2017, also nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz, einen Bericht über Amri völlig umgeschrieben haben. Das Original vom 1. November umfasste zehn Seiten und dokumentierte 73 abgehörte Telefonate, die einen „gewerbs- und bandenmäßigen Drogenhandel“ von Amri belegen sollen. Auch Mittäter würden genannt. Auf dieses Delikt steht ein Jahr Mindeststrafe.

Reichte Verdacht für Haftbefehl?

Der im Januar unter dem gleichen Aktenzeichen verfasste neue Bericht hat nur vier Seiten und nennt sechs Telefonate, die alle nichts mit bandenmäßigen Drogenhandel zu tun haben. Mittäter werden nicht genannt. Amri wird in dem Bericht "möglicherweise Kleinsthändler" genannt. Wieso dieser Bericht im LKA derart abgeschwächt und auf den 1. November zurückdatiert wurde, ist unklar.

Klar ist, dass die Staatsanwaltschaft sehr wohl auch die zehnseitige Variante mit dem Ursprungsverdacht des gewerblichen Drogenhandels kennt. Wiederum unklar ist, wieso die Behörde die Diskrepanz zwischen beiden Berichten nicht selbst entdeckt hat. Empört ist man allerdings in de Justiz vor allem über Äußerungen in der Politik, dass der Ursprungsverdacht für einen Haftbefehl gereicht hätte – und der Anschlag so hätte verhindert werden können. So hatte sich Innensenator Geisel geäußert. „Haftbefehle stellt ein Richter aus, nicht der Innensenator“, sagte eine Richterin.

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