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Vor dem Kino "Moviemento" trafen am Freitag pro-israelische und pro-palästinenische Aktivisten aufeinander.

© Kai-Uwe Heinrich

"Even though my land is burning" in Kreuzberg: Hitlergruß bei Premiere des israelkritischen Films

Das Moviemento zeigt trotz Drohungen einen israelkritischen Film - pro-israelische und pro-palästinensische Aktivisten beharkten sich vor dem Kino. Nun ermittelt der Polizeiliche Staatsschutz.

Am Rande einer Filmpremiere in Kreuzberg ist es am Freitagnachmittag offenbar zu antisemitischen Äußerungen aus einer Gruppe pro-palästinensischer Demonstranten gekommen. Laut Polizei sollen drei bis vier Männer außerdem auf der Straße den Hitlergruß gezeigt haben. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gegen Unbekannt. Die Tatverdächtigen sind noch nicht gefunden.

Der israelische Regisseur Dror Dayan hatte das "Moviemento" am Kottbusser Damm gemietet, um seinen Dokumentarfilm "Even though my land is burning" am Freitag erstmals zu zeigen. Der Film setzt sich kritisch mit der israelischen Siedlungspolitik auseinander.

Zur Premiere hatte der Regisseur nach Angaben von Wulf Sörgel, dem Geschäftsführer des Moviementos, auch Aktivisten von "Boycott, Divestment and Sanctions" (BDS) eingeladen. Die international umstrittene Gruppe wirft Israel eine Politik der Apartheid gegen Palästinenser vor und ruft unter anderem zum Boykott Israels auf, um gegen die Besetzungspolitik zu protestieren.

Pro-israelische Aktivisten organisierten Kundgebung

Die Anwesenheit von BDS-Aktivisten wiederum störte pro-israelische Aktivisten, die nach Angaben des Moviemento-Betreibers zur Gruppe der sogenannten "Antideutschen" gehören. Dabei handelt es sich um einen pro-israelischen Flügel der Linken, die sich gegen israelbezogenen Antisemitismus wenden.

Für 16 Uhr meldeten die Aktivisten am Hohenstaufenplatz eine Kundgebung unter dem Motto "BDS stoppen - bedingungslose Solidarität mit Israel" an. Etwa 80 Personen kamen, auch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde sollen vor Ort gewesen sein. Dayans Film verunglimpfe Israel und verharmlose den Terror gegen Juden, hieß es im Aufruf der Aktivisten.

Kinobetreiber im Vorfeld bedroht

Nach Auskunft von Wulf Sörgel, dem Geschäftsführer des Kinos, soll zuvor mit Drohungen versucht worden sein, die Filmpremiere zu verhindern. "Es fing vor etwa drei bis vier Wochen an. Eine politische Splittergruppe namens Zionistische Antifaschisten wollte, dass wir die Premiere absagen, weil sie antisemitisch sei", sagte Sörgel dem Tagesspiegel. Man habe Anrufe und E-Mails erhalten, auch über Facebook gingen Drohungen ein. Werde die Filmpremiere nicht abgesagt, werde man das Moviemento als "antisemitischen Ort" verunglimpfen, sollen die Aktivisten gedroht haben.

"Es ging um die Forderung, dem israelischen Regisseur den Mund zu verbieten", heißt es in einer am Montag von den Betreibern verbreiteten Erklärung, die auch auf der Internetseite des Kinos veröffentlicht wurde. "Das Moviemento lehnt einen Boykott Israels entschieden ab, ist aber der Überzeugung, dass ein israelischer Jude sehr wohl selbst entscheiden darf, welche politische Meinung zur israelischen Politik er vertreten darf und in welchen Kontext er die Premiere seines Films stellen möchte", heißt es in der Erklärung.

Spontaner pro-palästinenischer Protest

Doch nicht nur Unterstützer Israels kamen zur Premiere - der Protest rief auch eine Gruppe von etwa 50 pro-palästinensischen Gegendemonstranten auf den Plan, die vor dem Moviemento eine unangemeldete Kundgebung abhielten. Nach Tagesspiegel-Informationen hatte die Gruppe "FOR Palestine" gemeinsam mit "BDS"-Aktivisten dazu aufgerufen. "FOR Palestine" fordert die Abschaffung des israelischen Staates.

Beide Gruppen sollen einander beschimpft haben, die Stimmung war laut Polizei "gegenseitig emotional aggressiv." Im Nachgang der Kundgebung soll dann in der Sanderstraße am U-Bahnhof Schönleinstraße von mehreren Männern der Hitlergruß gezeigt worden sein.

Zeugen sprechen von "sehr unangenehmer" Situation

Sörgel, der sich während des Protests im Foyer aufhielt, sprach von "sehr unangenehmen Sprechchören", die die pro-palästinensischen Aktivisten angestimmt hätten.

Ein pro-israelischer Aktivist berichtet von sexistischen Beleidigungen der Gegenseite, auch soll versucht worden sein, den pro-israelischen Aktivisten ihre Israelfahnen wegzureißen. Die gesamte Situation sei "sehr unangenehm" gewesen. "Dass der Film gezeigt wird, muss im Sinne der Kunstfreiheit erlaubt sein. Genauso muss es für mich als zionistischen Juden aber auch möglich sein, mich gefahrlos dazu zu äußern", so der Aktivist. Die Polizei hätte einen überforderten Eindruck gemacht.

Am Samstag gibt es im Kino eine Diskussionsrunde

Das Moviemento will sich laut Sörgel nicht von den Drohungen der pro-israelischen Aktivisten einschüchtern lassen. "Wir lassen uns nicht erpressen. Es gibt eine Meinungsfreiheit und eine Freiheit der Kunst", so Sörgel. Ursprünglich sei geplant gewesen, den Film nur zur Premiere zu zeigen - nach einem Shitstorm in den sozialen Netzwerken habe man sich aber entschlossen, den Film weiter zu zeigen.

Am Samstag werde es im Anschluss an die Vorführung eine Diskussionsrunde geben, so Sörgel: "Wir wollen einen Dialog zu dem kontroversen Thema anstoßen."

Neben dem Regisseur Dror Dayan hätten auch der Autor und Journalist Peter Nowak ("Kurze Geschichte der Antisemitismusdebatte in der deutschen Linken") sowie eine deutsch-palästinensische Anwältin ihr Kommen zugesagt.

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