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1,3 Millionen Notrufe gehen pro Jahr ein.

© Marcel Kusch/dpa

Polizei in Berlin: Ein Drittel der Notrufe sind Quatsch

1,3 Millionen Mal wählten Bürger im vergangenen Jahr die Notrufnummer. Viele Anrufe sind allerdings Unsinn oder Doppelmeldungen.

In spätestens zehn Sekunden soll die Polizei den Hörer abnehmen, wenn es beim Notruf 110 klingelt. Das klappt nicht immer, wie Polizeipräsident Klaus Kandt jetzt vor dem Innenausschuss zugab. Nur drei von vier, also 75 Prozent der Anrufe, konnten innerhalb von zehn Sekunden angenommen werden. Das angestrebte Ziel von 90 Prozent wurde verfehlt. Allerdings: Es klingelt 1,3 Millionen Mal pro Jahr bei der „110“. Pro Tag sind das 3500, pro Stunde 150 und pro Minute immer noch zweieinhalb Anrufe. Und das ist der  Durchschnitt. Tagsüber klingelt es ja häufiger als nachts. Und es gibt noch ein Problem: 450 000 der 1,3 Millionen Anrufe sind Nonsens – oder Doppelmeldungen. Aus den 1,3 Millionen Notrufen resultieren nur 710 000 Funkwageneinsätze. Die Zahl der Anrufe schwankt stark, 2013 waren es 1,4 Millionen. In den 90er Jahren dagegen lagen die Zahlen weit höher, 1997 gab es 1,8 Millionen. Damals gab es auch den Rekord von knapp 900 000 Funkwageneinsätzen.

Der Notruf ist keine Auskunftsstelle

„Planbar“ sei die Belastung der Notrufannahme nicht. Dass der 1. Januar regelmäßig Spitzenreiter eines Jahres ist, ist klar. Dass etwa am 28. August 2014 – ein Tag ohne Großveranstaltung – fast genauso viele Anrufe eingingen wie am 1. Januar, nämlich 4764, sei nicht zu erklären und überhaupt nicht vorherzusehen.

Das Phänomen der Doppelmeldungen kennt die Polizei, seitdem Mobiltelefone in jeder Jackentasche stecken: Ein Unfall wird von fünf Passanten gleichzeitig gemeldet. Anrufe müssen aber entgegengenommen werden. Wenn es irgendwo brennt, vielleicht noch mit viel Rauch, dann klingelt es bei den Notrufen 110 und der Feuerwehr 112 noch öfter. Schlimmer für die Polizei sind die Unsinnsanrufe, ob als „Scherz“ oder mit böswilligem Hintergrund. Mitunter rufen – wie auch bei der Feuerwehr – verunsicherte, einsame Menschen an. Viele nutzen den Notruf auch als Auskunftsstelle, erfragt werden Öffnungszeiten der Wache, die Rufnummer des nächstgelegenen Klempners oder des Tierheims. „Die 110 ist kein Infotelefon“, sagt Polizeisprecher Thomas Neuendorf. Für solche Fragen gebe es die Telefonauskunft oder bei polizeilichen Anliegen das Bürgertelefon des Präsidiums. Dieses hat rund um die Uhr die Nummer 4664 4664, es wurde 2004 geschaltet, um die Zahl der Notrufe zu reduzieren.

Polizeipräsident Kandt hält weiterhin an 90-Prozent-Quote fest

Wie berichtet, hatte die Gewerkschaft der Polizei kürzlich die Überlastung der Polizei kritisiert und als Indiz die auf 75 Prozent gesunkene Quote der Notrufannahmen innerhalb von zehn Sekunden genannt. Doch laut Polizeipräsident Kandt leidet die Sicherheit der Berliner nicht darunter. In den vergangenen beiden Jahren habe die Quote bei über 80 Prozent gelegen. Auch für 2015 strebt Kandt in der internen Zielvereinbarung eine Quote von 90 Prozent an.  „Ziele sollten ambitioniert sein, damit sie sich nicht so nebenbei erledigen lassen“, begründete Kandt dies am Montag im Abgeordnetenhaus. In diesem Jahr sollen 12 zusätzliche Beamte für die Leitstelle geschult werden.

Für die Polizei ist es ein gefährlicher Spagat. Zu sehr darf sie die Berliner nicht animieren, die 110 zu wählen. Doch jeder, der in Not oder Gefahr ist, soll die 110 anrufen, und „jeder, der etwas Verdächtiges sieht“, betont ein Sprecher. Selbst wenn sich ein Anruf oder eine Meldung hinterher als falsch erweise, müsse niemand Konsequenzen befürchten, heißt es. Ärger bekommen nur die böswilligen Störer. Das Delikt nennt sich „Missbrauch von Notrufen“ und wurde 2013 genau 1588 Mal registriert. Die Aufklärungsquote lag bei 43 Prozent, heißt es in der Kriminalstatistik. Sieben Prozent der Taten waren Streiche von strafunmündigen Kindern.

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