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Berlin im Fußballfieber. Am Kirchentags-Wochenende findet auch das Pokalfinale zwischen Dortmund und Frankfurt statt.

© dpa/Frank Bachner

Pokalfinale und Kirchentag: Im Glauben an den Fußballgott

Auf einem Campingplatz in Wedding treffen Fußballfans und Kirchentagsbesucher aufeinander. Wie kommen beide miteinander aus?

Frank Jung sitzt aufrecht in seinem Bett, grünes T-Shirt, die Füße unter der Decke, da sieht er es. Das glaubt er jetzt nicht, nein, das gibt’s doch nicht. Dann ein Satz, verkündet wie eine  Anklageschrift: „Der Typ da drüben trägt eine gelbe Gießkanne.“ Eine gelbe Gießkanne, das muss man sich mal vorstellen.

Die anderen im Wohnmobil glauben’s auch kaum. Sie liegen in ihren Betten, gleich neben dem Fenster ihres Wohnmobils entfernt, aus dem ein Schal von Eintracht Frankfurt hängt. Gelbe Gießkanne, da sieht man mal, wie Dortmund-Fans ticken. Der Typ da drüben hat ja auch einen Wimpel an seinem Außenspiegel hängen, von Borussia Dortmund natürlich, Vereinsfarben schwarz-gelb. „Die trinken auch warmes Bier“, schiebt Frank Jung hinterher. Gelächter.

Der Stellplatz „Wohnmobil Oase“, gleich neben dem S-Bahnhof Gesundbrunnen, hat 80 Stellplätze. Einen Teil belegen gerade Fußball-Fans. Heute ist ja das Pokalfinale, Dortmund gegen Frankfurt. Den anderen Teil haben Kirchentagsbesucher in Beschlag genommen, die wiederum oft an ihren orangefarbenen Schals erkennbar sind. Hier treffen Welten aufeinander. In der Stadt verteilen sich die Gruppen weitläufig, auf den 8000 Quadratmetern des Campingsplatzes bilden sie eine dichtbevölkerte Insel.

Rivalität ist hier Nebensache

Wie funktioniert dieser Mikrokosmos? Gibt es böse Blicke zwischen Dortmund- und Frankfurt-Fans? Argwohn von Seiten der Kirchentagsgäste? Aggressiver Sportsgeist gegen friedfertige Gebete? Alles nur Klischees, zumindest hier. Realität ist der sanfte Kommentar von Angela Vogel, die im gleichen Bett wie Frank Jung liegt und sagt: „Natürlich gibt es zwischen den Fans Rivalität, aber doch keinen Hass.“ Und aus dem oberen Bett verkündet Frank Beck: „Wer mit mir über Gott reden möchte, bitte.“ Aber eigentlich hat er mit dem Kirchentag nichts am Hut.

Donnerstagabend saßen viele zusammen, Fans beider Teams, Kirchentagsbesucher, es gab Bier, Witze, Gemüsesuppe, Gelächter. Gemeinsame Grillabende gehören zum Programm am Freitag und Sonnabend.

Eine halbe Stunde später steht Frank Jung vor seinem Wohnmobil, als der Camper von nebenan ruft: „Na, gut geschlafen?“ Jungs Nachbar trägt ein Dortmund-Shirt, legt bei jedem BVB-Spiel einen Fan-Schal über den Fernseher und trinkt dann nur aus einem ganzen bestimmten Becher, als Garantie für den BVB-Sieg. Und natürlich legt Mario Himmelreich, der Nachbar, jetzt Caillou ein BVB-Halstuch um den haarigen Hals. Caillou ist ein zehn Jahre alter Kromfohrländer, eine Hunde-Rasse aus dem Siegerland. Sein Herrchen war auch beim gemütlichen Abend der Camper dabei. Auf der Rückseite seines Wohnmobils hängt ein großes BVB-Transparent. Es flattert leicht im Wind, als sich Klaus Huber mit seinem Handy nähert. „Darf ich das fotografieren“, fragt er. „Ich möchte meine Freunde ärgern.“

Klar darf er, seine Begleiterin darf sogar die Hand an Caillous Nase halten. „Der macht nichts“, sagt Sandy, Mario Himmelreichs Gattin. „Nur Schalke-Fans lässt er nicht zu nahe.“ Natürlich nicht, alles andere hätte in Dortmund eine personenbezogene Erhöhung der Hundesteuer zur Folge. Dortmund- und Schalke-Fans sind erbitterte Feinde.

Fußball-Fans sind in der Minderheit

Klaus Hubers Freunde sind Frankfurt-Fans, er selber schaut das Spiel in Berlin beim Public Viewing, aber eigentlich ist der Architekt ja wegen des Kirchentags da. In Frankfurt-Oberrad sitzt er im Kirchenvorstand, er will die Atmosphäre des Fests erleben. Gleichzeitig kann er in Berlin noch ein wenig gegen Verkehrslärm protestieren. Zu Hause ist das ein großes Thema. Passt für ihn also, dass es beim Kirchentag einen Stand gibt, der über Verkehrslärm infomiert. Der 52-Jährige genießt die Stimmung in der Stadt, diese Ruhe und Entschleunigung, vor allem bei den Kirchentagsbesuchern. „Die Leute hier sind alle sehr entspannt, das gefällt mir.“

Das hätte er auch über die Leute auf dem Stellplatz sagen können. Die meisten Besucher sind wegen des Kirchentags gekommen, die Fußball-Fans sind in der Minderheit. Erstere sind meistens schon früh unterwegs, da ordnen die Fans noch ihre Fahnen, Schals und Wimpel an den Wohnmobilen. Frank Jung hätte gerne von einem Seitenspiegel einen BVB-Wimpel abgemacht. Ein Spaß natürlich, die üblichen Witzeleien. Susanne Müller, Teil von Jungs Wohnmobil-WG und Frankfurt-Fan, verkündet lässig: „Wir würden mit jedem etwas trinken.“ „Ja, wenn er bezahlt“, sagt Jung. Wieder Gelächter.

Auch die Fans aus Frankfurt sind bereit für das Pokalfinale am Sonntag.
Auch die Fans aus Frankfurt sind bereit für das Pokalfinale am Sonntag.

© dpa/Frank Bachner

„Die Chancen stehen 80 zu 20 für Dortmund“

Aber dann geht’s um Eintrachts Chancen, jetzt wird’s ernst. „Die Chancen stehen 80 zu 20 für Dortmund“, sagt Jung. „Aber sollten wir gewinnen, wäre das unbeschreiblich.“ Susanne Müller sagt nichts, sie hört nur zu, dabei verfügt sie über Fachwissen. Die 33-Jährige ist Redakteurin beim Fachmagazin „Kicker“. Aber hier ist sie nicht neutral, hier hängt sie an ihrem Eintracht-Schal wie Hund Caillou an seinem Schmusekissen.

Sein Herrchen wird das Spiel beim Public Viewing verfolgen. Und wenn Dortmund siegt, ist Mario Himmelreich natürlich beim Autokorso dabei. 1997 hatte Dortmund in München die Champions League gewonnen, die Sieger rollten ebenfalls im Autokorso durch die Stadt. Zehntausende feierten in glückseliger Freude. Einer der begeisterten Fans war Mario Himmelreich. „Ich durfte sogar kurz den Pott berühren.“

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