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Alkoholische Gärung. „Die Feuerzangenbowle“ wurde Heinz Rühmanns größter Erfolg. Einigen NS-Größen war die Schulkomödie aber zu frech, und sie wollten sie verbieten. Erst Hitler gab sie zur Aufführung frei. Foto: pa/KPA

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Pfeiffer mit drei F: Rühmanns beste Schnapsidee

Vor 70 Jahren feierte „Die Feuerzangenbowle“ Premiere in Berlin. Wenige Stunden zuvor war die Stadt bombardiert worden.

Was bedeuten schon exakte Zahlen nach solchen Stunden des Grauens. Einen Angriff auf Berlin mit 530 Bombern verzeichnet das RAF Bomber Command Campaign Diary für die Nacht auf den 28. Januar 1944. Auch Heinz Rühmann erwähnt in seinem Buch „Das war’s“ den Angriff, mit einer noch höheren Zahl von Flugzeugen – gut möglich, dass er nachträglich propagandistischen Übertreibungen aus dem Hause Goebbels aufgesessen ist: „In der Nacht zuvor hatten 1077 englische Flugzeuge 3715 Tonnen Bomben auf Berlin abgeworfen.“ Aber wie viele Bomber es auch wirklich gewesen sein mögen – es war kein Tag der Heiterkeit für Berlin und schon gar keiner für eine glamouröse Filmpremiere. Und doch fand am 28. Januar 1944, in den wenigen Stunden ohne Fliegeralarm, die Erstaufführung von Rühmanns berühmtestem Film „Die Feuerzangenbowle“ statt – erst um 10.45 Uhr im Tauentzien-Palast an der Ecke Nürnberger Straße, dort, wo sich heute Peek & Cloppenburg befindet, und um 13.30 Uhr im Ufa-Palast Königstadt in der Schönhauser Allee 10-11, wo jetzt ein Neubau mit Bio-Supermarkt steht.

Beides damals Orte von grauer Trostlosigkeit. Allein das Nachbarhaus des Tauentzien-Palasts in Trümmern, das nahe KaDeWe ausgebrannt, seit zwei Monate zuvor ein US-Bomber in den Lichthof gestürzt war. So blieb die Feier unspektakulär, und es bleibt sogar ungewiss, wer von den Beteiligten überhaupt gekommen war. Rühmann immerhin muss da gewesen sein, berichtete später von einem großen Erfolg: „Die Leute haben gelacht, als sei es die letzte Gelegenheit.“

Titelstiftend für die Schulkomödie wurde der in der Eröffnungsszene servierte Punsch aus Rotwein und Gewürzen, über dem auf der Feuerzange, einem gelochten Blech, ein mit hochprozentigem Rum getränkter Zuckerhut angezündet wird. Heute gilt „Die Feuerzangenbowle“ als Sternstunde des Ufa-Humors. erreichte Rühmann mit seinem vielzitierten „Pfeiffer mit drei F“ den Höhepunkt der Popularität. Im Fernsehen wird sie immer mal wieder gezeigt, und Generationen deutscher Studenten haben Aufführungen im Audimax ihrer Universität zur „Rocky Horror Rühmann Show“ verwandelt, wie „Der Spiegel“ einmal schrieb. Zu einer in Göttingen kam Rühmann persönlich.

Schon 1933 hatte Rühmann den Pennäler Pfeiffer gegeben

Der Film erfüllte zwar prima Goebbels’ Auftrag an die Filmschaffenden, zu unterhalten, vom Kriegsalltag abzulenken, blieb aber ansonsten weitgehend ideologiefrei und war daher ohne schlechtes Gewissen zu genießen – von dem zackigen Junglehrer Dr. Brett und seinen auf Parteilinie liegenden pädagogischen Thesen zu „Disziplin“ und dem darauf erblühenden „schönen, geradem Wachstum“ der Jugend mal abgesehen. Die Umstände, unter denen der Film gedreht und zum ersten Mal gezeigt wurde, dürften den lachlustigen Zuschauern ohnehin kaum bekannt gewesen sein – und auch nicht, dass es ein Remake war. Schon 1933 hatte Rühmann den Pennäler Pfeiffer gegeben, unter Regisseur R.A. Stemmle in „So ein Flegel“ – die erste Kinoadaption des zunächst als Filmskript geplanten, dann, bei Desinteresse der Ufa, zum Roman umgegossenen Stoffs von Heinrich Spoerl und seinem Co-Autor Hans Reimann. Es war noch eine klassische Verwechslungskomödie mit Rühmann in einer Doppelrolle als Berliner Theaterautor und dessen jüngerer Bruder. Bereits diesen Film feierte das Premierenpublikum am 13. Februar 1934 im U. T. am Kurfürstendamm enthusiastisch, Spoerl aber tat ihn als „billiges Schnitzelwerk“ ab, reagierte daher hoch erfreut, als Rühmann 1942 erneut auf ihn zukam, um „Die Feuerzahngenbowle“ zu verfilmen.

Die Dreharbeiten in Babelsberg, von Regisseur Helmut Weiss geleitet, von Rühmann dominiert, fanden von März bis Juni 1943 statt, kurz nach der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad. Der Krieg blieb stets im Hintergrund präsent. Mehrfach musste die trotz allem mit viel Gelächter stattfindende Arbeit wegen Bombenalarm unterbrochen werden, dessen Folgen die Berliner Schauspieler abends auf der Heimfahrt besichtigen konnten. Einige der Jungdarsteller waren direkt von der Front abkommandiert worden, auch erwähnt Rühmann, möglicherweise nicht ganz zutreffend, beteiligte „Primaner einer Berliner Schule, die alle hofften, dass sie recht lange mitarbeiten durften, um den Termin ihrer Einberufung so weit wie möglich hinauszuschieben.“

Dazu gab es Widerstand aus Partei und Regierung. Im Prozess der Vorzensur war das Manuskript von der Propagandaabteilung der NSDAP zwar für lustig, aber zersetzend befunden worden, als „Herabsetzung der Schule und der Lehrerschaft“, was deren Autorität, gerade der älteren, nicht mehr fronttauglichen Lehrer, gefährde. In der Filmabteilung von Goebbels’ Propagandaministerium scherte man sich nicht darum, der Film bekam grünes Licht. Der düpierte Parteizensor wandte sich daraufhin an Goebbels direkt, der den fertigen Film zwar nicht verbot, aber Änderungen wünschte. Auch Bernhard Rust, Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, meldete sich und lehnte den Film ab, der daraufhin verboten wurde.

Die Nachricht erreichte Rühmann im Allgäu, bei Dreharbeiten zur Fortsetzung von „Quax der Bruchpilot“. Selbst begeisterter Flieger, hatte er seit diesem Film gute Kontakte ins Luftfahrtministerium, suchte über einen Bekannten Hermann Göring als Verbündeten zu gewinnen und erhielt tatsächlich die Aufforderung, ihm den Film im Führerhauptquartier zu präsentieren. Also fuhr Rühmann nach Berlin, schnappte sich die fünf Filmrollen, nahm den täglichen Sonderzug vom Lehrter Bahnhof zur Wolfsschanze.

Die Vorführung wurde ein voller Erfolg, wie Rühmann schrieb: „Mittags kam die Meldung, Göring habe beim Frührapport berichtet und auch erzählt, dass der Film verboten sei. Warum, wüsste er nicht, gestern hätten jedenfalls alle schallend gelacht. Darauf Hitler: ,Ist er wirklich so komisch?’ Göring: ,Wir haben uns auf die Schenkel geschlagen.‘ Hitler: ,Dann soll er sofort anlaufen.‘“

Jubiläumsaufführung am Dienstag

Auch Rochus Misch, kürzlich verstorbener Leibwächter Hitlers, erwähnt, er habe Rühmann in der Wolfsschanze getroffen, dieser wiederum will Hitler zumindest aus der Ferne gesehen haben. Und Goebbels wunderte sich, dass alle Bedenken gegen den Film plötzlich hinfällig waren und schrieb am 25. Januar 1944 ins Tagebuch: „Der neue Rühmann-Film ,Die Feuerzangenbowle‘ soll unbedingt aufgeführt werden. Der Führer gibt mir Auftrag, mich nicht durch Einsprüche von Lehrerseite oder von Seiten des Erziehungsministeriums einschüchtern zu lassen.“

Im Zuge der Paukerfilm-Welle kam es 1970 zu einer dritten Verfilmung des Stoffes, mit Walter Giller als Pfeiffer. Dabei war auch Hans Richter, ehemals Klassenprimus Ackermann, nun Dr. Brett. Auch Rühmann fragte man, bot ihm den Direktor an, er lehnte ab. Seinen Ruhm als „Pfeifer mit drei F“ durch so eine Klamotte selbst beschädigen? Undenkbar. Der nachhaltige Erfolg seiner „Feuerzangenbowle“ wird ihn darin bestätigt haben. Natürlich wird sie auch an diesem Dienstag, 70 Jahre nach der Premiere, gezeigt – in einer Aufführung vor geladenen Gästen im Filmkunst 66, die der Berliner Produzent Hanns Eckelkamp, seit 1970 Inhaber der Rechte an dem Film, veranstaltet. Auch Rühmanns Sohn Heinz-Peter wird erwartet, ebenso Oliver Ohmann, Autor von „Heinz Rühmann und ,Die Feuerzangenbowle’“ (Lehmstedt). Nach dem Film wird zum fröhlichem Beisammensein gebeten. Zu trinken gibt es… Na was wohl?!

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