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Osteraufstand. In Dublin begannen 1916 die Kämpfe um die Unabhängigkeit am Ostermontag. Der Aufstand dauerte nur fünf Tage. Dann mussten sich die Freiheitskämpfer geschlagen geben.

© dpa

Osteraufstand vor 100 Jahren: Der Berliner Traum von der Irischen Freiheit

Beim Osteraufstand vor 100 Jahren wollten die Iren die Unabhängigkeit erreichen. Pläne dazu wurden auch in der deutschen Hauptstadt gemacht. Eine aus Kriegsgefangenen gebildete, in Zossen stationierte Irische Brigade sollte eingreifen.

Der Neujahrstag 1916 sollte im Kriegsgefangenenlager Zossen-Weinberge ganz im Zeichen der Waffenbrüderschaft stehen. Das Fußballteam der Irischen Brigade trat gegen die Auswahl eines Brandenburgischen Regiments an, ein noch friedliches Kräftemessen der neuen Verbündeten, und auch die anschließende Feier versprach zunächst ein Erfolg zu werden. Aber der Friede war nur dünne Tünche, die bei zunehmendem Alkoholgenuss rasch zerbröselte. Eine Schlägerei brach aus, die erst ein Sergeant Major durch einen Revolverschuss in die Decke stoppte. Beide Parteien wurden vom Lagerkommandanten zu zwei Wochen Stubenarrest verdonnert.

Eine eher komische, fürs Weltgeschehen belanglose Episode aus dem Ersten Weltkrieg – und auch wieder nicht, zeigt sich in ihr doch symptomatisch, wie unrealistisch der Versuch war, die Iren unter den britischen Kriegsgefangenen dazu zu bewegen, auf der Seite der Deutschen gegen das Empire zu kämpfen, also ihren auf nationale Unabhängigkeit pochenden Patriotismus auszunutzen zum Wohle des Kaiserreichs. Ein paar Gläser zu viel, schon ging das Bündnis flöten.

Nebenkapitel dieser Geschichte

Die in Zossen stationierte Irische Brigade, quantitativ eher eine Kompanie, ist heute fast vergessen, gehört aber zur Vorgeschichte des irischen, vor allem auf Dublin konzentrierten Osteraufstands von 1916. In ihm versuchten nationalgesinnte Gruppen die als Fremdherrschaft empfundene Zugehörigkeit zum britischen Reich militärisch zu beenden und Irland als unabhängige Republik auszurufen. Die britische Armee zerschlug den Aufstand nach wenigen Tagen unter großem Blutvergießen, er wurde aber trotz seines Scheiterns zum Wendepunkt in der Geschichte Irlands, ein Meilenstein auf dem Weg in die Unabhängigkeit.

Ein für den Ausgang unerhebliches, gleichwohl hochdramatisches Nebenkapitel dieser Geschichte wurde aber in Berlin und Brandenburg geschrieben, mit Sir Roger Casement als Hauptfigur. Ein 1864 in Dublin geborener Ire, hochgeehrter britischer Diplomat, der mit seiner Arbeit erst entscheidend dabei half, die unter der Verantwortung des belgischen Königs Leopold II. im Kongo verübten Gräuel aufzudecken, und danach erfolgreich gegen das brutale System der Zwangsarbeit einer britisch-peruanischen Firma im Amazonasgebiet vorging.

Zentralfigur des irischen Freiheitsstrebens

1912 verließ Casement den diplomatischen Dienst, doch die Erfahrungen in Afrika und Südamerika hatte ihn gegen den Kolonialismus sensibilisiert. Und diesem, so erkannte er nach seiner Heimkehr, war letztlich auch Irland ausgesetzt. Er wurde zum glühenden Patrioten, warb in Reden und Vorträgen für die Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien und war bald eine Zentralfigur des irischen Freiheitsstrebens.

Sir Roger Casement.
Sir Roger Casement.

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Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges überraschte Casement in den USA, der darin eine Chance für sein Land sah. Er nahm Kontakt zum deutschen Botschafter in Washington auf und reiste mit Unterstützung irischstämmiger Amerikaner über Norwegen nach Berlin, um der deutschen Regierung ein überraschendes Angebot zu unterbreiten: Er wolle aus irischen Kriegsgefangenen eine Freiwilligenbrigade aufstellen, die an der Seite deutscher Truppen in den sich anbahnenden irischen Aufstand eingreifen sollte. Das Kaiserreich hingegen möge die neue Republik anerkennen und militärisch unterstützen, durch einen flankierenden Angriff auf die britischen Truppen in Irland und durch Waffenlieferungen.

Ein Vorschlag, der im Auswärtigen Amt in der Berliner Wilhelmstraße, vertreten durch Staatssekretär Arthur Zimmermann, und bei der deutschen Heeresleitung durchaus auf Interesse stieß, obwohl eine Invasion auf der irischen Insel nie ernsthaft erwogen wurde. Aber Casement konnte bereits Ende Dezember 1914 als Erfolg eine Vereinbarung mit der deutschen Regierung erzielen, in der die Unterstützung der Unabhängigkeit Irlands versprochen und die Aufstellung einer Irischen Brigade samt Waffenlieferungen nach Irland zugesagt wurden.

Zahl der Freiwilligen blieb kümmerlich

Um die Rekrutierung der Freiwilligen zu erleichtern, wurden irische Kriegsgefangene in einem Lager bei Limburg an der Lahn zusammengezogen. Als Casement es Anfang 1915 erstmals besuchte, waren dort bereits 2200 Landsleute interniert, die ihm aber einen abweisenden Empfang bereiteten. „Wie viel haben dir die Deutschen bezahlt?“, tönte ihm entgegen, für viele Soldaten war der Schulterschluss mit dem Feind purer Verrat.

Die Zahl der Freiwilligen blieb denn auch kümmerlich, mancher dürfte nicht aus Patriotismus unterschrieben haben, sondern weil er sich eine bessere Behandlung erhoffte. Gerade mal 56 Soldaten wurden es nach wiederholtem Werben durch Casement und seine Helfer. Da auch diese kleine Truppe in Limburg angefeindet wurde, entschloss man sich im Juni 1915, die Irische Brigade nach Zossen zu verlegen. Erste Station war das so- genannte Halbmondlager in Wünsdorf. Dort hat man erst kürzlich die Überreste der ersten Moschee Deutschlands ausgegraben, die für die vielen muslimischen Gefangenen gebaut worden war.

Die Iren waren über die Nachbarschaft zu den vielfach verachteten „Halbwilden“ aus den Kolonien nicht gerade erfreut, erst im August ging es weiter nach Zossen ins Lager Weinberge. Auch dort war mancher bald ernüchtert. Anfangs mussten die irischen Soldaten mit Zelten statt Baracken vorlieb nehmen, auch die versprochenen irischen Uniformen ließen auf sich warten. Immerhin waren sie wie vereinbart ihren eigenen Vorgesetzten unterstellt, mit dem ehemaligen britischen Offizier Robert Monteith an der Spitze, der sich bei Kriegsausbruch geweigert hatte, für die Krone zu kämpfen, und eigens auf Umwegen aus Irland nach Deutschland gekommen war.

Ein Plan, der auf ganzer Linie schiefging

Die Mini-Brigade begann also zu trainieren, hatte einige Maschinengewehre und Gewehre samt Bajonett erhalten, übte unter Anleitung deutscher Instrukteure den Grabenkampf. Aber der von Casement erhoffte patriotische Enthusiasmus wollte sich nicht einstellen. Die Deutschen beklagten Disziplinlosigkeit, die Iren dagegen fühlten sich nutzlos und demotiviert, was sich noch verstärkte, als Casement ihnen im Dezember 1915 in Aussicht stellte, erst einmal auf einem anderen Kriegsschauplatz, vielleicht Ägypten, eingesetzt zu werden.

Seine Gespräche mit der deutschen Regierung hatten sich nicht wie erhofft entwickelt. Mittlerweile war auch Casement klar, dass es bei einem irischen Aufstand zu keinem Eingreifen Deutschlands kommen würde. Auch wurden keineswegs so viele Waffen zugesagt wie er gefordert hatte.

Der Tiefpunkt war erreicht, als er Anfang März 1916 erfahren musste, der Aufstand sei bereits für den 23. April geplant. Nicht nur dass die Deutschen darüber früher als er informiert worden waren, die Planer in Dublin wollten ihn auch nicht dabeihaben. Aber ein Aufstand ohne deutsche Unterstützung konnte nur im Blutbad enden, da war Casement sich sicher. Er lehnte daher ab, seine Brigade in Irland verheizen zu lassen, bestand aber für sich darauf, nach Irland gebracht zu werden. Dass er die militanten Patrioten vom Aufstand abhalten wollte, dürfte er den Deutschen kaum verraten haben.

Ein Plan, der auf ganzer Linie schiefging: Casement und zwei Mitstreiter, Robert Monteith und ein Sergeant namens Daniel Julian Bailey, der später im Prozess gegen ihn aussagte, wurden mit dem U-Boot U 19 zur Tralee Bay an der Südwestküste Irlands gebracht und dort am 21. April 1916 in einem Schlauchboot ausgesetzt.

Der Osteraufstand war da schon Geschichte

Sie erreichten die Küste nur mit Mühe, Casement, erschöpft, musste in einer Ruine zurückgelassen werden und wurde von britischer Polizei gefangen genommen. Auch der Waffentransport misslang. Das U-Boot hatte sich mit dem Blockadebrecher „Libau“ treffen sollen, man hatte sich verpasst, auch die irischen Rebellen waren nicht rechtzeitig zur Stelle. Als die Royal Navy das Schiff entdeckte, ließ dessen Kapitän es versenken, 20 000 Gewehre, zehn Maschinengewehre, Sprengstoff und jede Menge Munition gingen den Aufständischen verloren.

Mit der Irischen Brigade ging es nach Casements Verhaftung rasch zu Ende. Erst wurden ihnen die Waffen weggenommen, dann verlegte man sie in ein Lager bei Danzig, teilte sie später auf. Der Osteraufstand war da schon Geschichte, hatte nur von Ostermontag, dem 24. April bis 29. April 1916 gedauert.

Casement, dessen Leben der peruanische Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa in dem Roman „Der Traum des Kelten“ nachgezeichnet hat, wurde noch im selben Jahr vor Gericht gestellt, zum Tode verurteilt und am 3. August im Londoner Petonville-Gefängnis gehängt. In der Öffentlichkeit spielte während des Prozesses auch Casements Homosexualität eine Rolle, die er in Tagebüchern geschildert haben soll. Noch immer ist umstritten, ob es sich nicht um Fälschungen des britischen Geheimdienstes handelte, um den Freiheitskämpfer zu diskreditieren. Die sterblichen Überreste Casements wurden erst 1965 nach Irland überführt und in einem Staatsbegräbnis auf dem Dubliner Glasnevin Cemetery beigesetzt.

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