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Die alten Züge sollen durch die technische Überarbeitung deutlich zuverlässiger werden.

© DAVIDS/David Darmer

Öffentlicher Nahverkehr in Berlin: Lebensverlängerung für alte S-Bahn-Züge

Für 150 Millionen Euro saniert die Berliner S-Bahn ihre alten Wagen, damit sie bis 2023 halten. Komfortabler werden sie nicht - aber zuverlässiger.

Mit angeblich sieben Leben liegen Katzen wie gehabt vorn, aber S-Bahn-Wagen bringen es immerhin auf bis zu drei. Das erste endete kurz nach der Jahrtausendwende, als die damalige Geschäftsführung – eine Kostendrückerkolonne – die zur Wendezeit angeschafften Fahrzeuge teilweise ausrangieren ließ, zur späteren Verschrottung. Dann, nach Chaos und Besinnung, wurden sie reaktiviert, sodass sie bis heute halten.

Ersatz sollte ab Ende 2017 anrollen, aber kommt wegen der vom alten Senat vermurksten Ausschreibung bekanntlich nun doch erst ab 2021. Deshalb werden die alten Züge nun noch einmal gründlich aufgemöbelt.

150 Millionen Euro kostet das 50-Punkte-Programm, das die Baureihen 480 (die einst für die BVG entwickelte West-Baureihe mit den trapezförmigen Frontscheiben) und 485 (das früher „Coladose“ genannte DDR-Pendant) fit machen soll für die Zeit bis 2023. „Der Kunde sieht davon relativ wenig“, sagte S-Bahn-Chef Peter Buchner, als das Projekt am Freitag in der Werkstatt in Schöneweide (die übrigens auch schon mal geschlossen werden sollte) vorstellte.

Die Züge werden leiser

Aber hören sollen es die Kunden, vor allem bei den 70 Doppelwagen der Baureihe 480: Deren Fahrwerke werden komplett erneuert, wobei auch die Getriebe ersetzt werden. Deren verschleißbedingtes, teils enorm lautes Aufheulen beim Beschleunigen und Bremsen soll dann verschwunden sein.

Ersetzt werden auch die Klapprampen, die am Rollstuhlabteil die Lücke zwischen Zug und Bahnsteig überbrücken – und manchmal klemmen, weil sie verrostet sind. Zusätzlich wird die Elektrik der Züge erneuert, weil in Steckverbinder oft Feuchtigkeit eindringt. Und die Technik unterm Wagenboden wird künftig mit Wasser statt Luft gekühlt, was Ausfälle durch Schmutz und Flugschnee vermeiden soll.

Apropos Ausfälle: Zwei Kleinigkeiten mit großen Auswirkungen werden ebenfalls angegangen. Zum einen bekommen die Züge LED-Rücklichter, damit sie nicht mehr – so verlangt es die Vorschrift – während des Betriebs wegen einer durchgebrannten Glühlampe geräumt und aus dem Verkehr gezogen werden müssen, bis der Reparaturtrupp mit der Ersatzbirne kommt. Zum anderen wird der Einfüllstutzen fürs Scheibenwaschwasser im Führerstand so verändert, dass möglichst nichts mehr verkleckert. Bisher ging regelmäßig etwas daneben, das dann auch noch just in den Behälter mit dem Bremssand lief, woraufhin der verklumpte und der Zug ausfiel.

6000 S-Bahn-Fahrten im vergangenen Jahr fahrzeugbedingt ausgefallen

Den gravierenden Effekt solcher Lappalien illustrierte die ebenfalls nach Schöneweide gekommene Susanne Henckel, Geschäftsführerin des Verkehrsverbundes VBB: 6000 S-Bahn-Fahrten seien im vergangenen Jahr fahrzeugbedingt ausgefallen. Hinzu kämen 44000 Verspätungsminuten aus demselben Grund, und die im Verkehrsvertrag geforderte Pünktlichkeitsquote von 96 Prozent habe die S-Bahn zuletzt im Februar 2015 erreicht.

Finanziert wird das Programm großenteils von Berlin und Brandenburg, die den S-Bahn-Verkehr bestellen. „Natürlich wäre es viel eleganter gewesen, jetzt schon die neuen Fahrzeuge einzuführen“, sagte Verkehrsstaatssekretär Jens-Holger Kirchner (Grüne), der die Entscheidung zur teuren Aufarbeitung der verschlissenen Züge verteidigte. Die demnächst fällige Verkehrsprognose für 2030 werde zeigen, wie sehr der Bedarf an öffentlichem Verkehr wachse.

Während von den alten West-Zügen schon rund die Hälfte aufgearbeitet ist, beginnt die Sanierung der DDR-Baureihe 485 erst jetzt. 70 Doppelwagen davon hat die S-Bahn seit der ersten Verschrottungswelle noch; alle werden erhalten. Auch sie bekommen teilweise neue Radsätze und eine besser abgedichtete Elektrik.

Keine Klimaanlage und Videoüberwachung

Komplett ersetzt werden die Heizungen, die die Fahrgäste bisher mal frieren lassen und mal garen. Auf Kosmetik in den Innenräumen wird dagegen ebenso verzichtet wie auf eine Grundsanierung der sehr störanfälligen Türen. Die legen immerhin nicht den ganzen Zug lahm, sagte Buchner zur Begründung. Und Videoüberwachung wird ebenso wenig nachgerüstet wie Klimaanlagen. Beides gibt’s erst in den Neufahrzeugen, die ab 2021 startklar sein sollen.

Die Beschränkung aufs technisch Notwendige ist auch eine Kapazitätsfrage: Einerseits sollen nie mehr als 40 Doppelwagen in der Werkstatt stehen, damit der Fahrplan erfüllt werden kann. Andererseits muss das Sanierungsprogramm für die alten Modelle bis Ende 2019 erledigt sein, denn danach folgt der nächste Kraftakt: Die Sanierung der um die Jahrtausendwende angeschafften Baureihe 481, die mit 500 Doppelwagen den weitaus größten Teil der S-Bahn-Flotte ausmacht.

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