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Uwe Hübner ist Deutscher, verkauft aber trotzdem alles, was man frittieren kann.

© Doris Spiekermann-Klaas

Niederländische Küche in Berlin: Die Waffel-Lobby

Kipkorn mit Joppiesaus, Kaaskroket und Speculoos – die niederländische Küche ist den wenigsten bekannt. Dabei kann man sie in der ganzen Stadt probieren.

Probieren Sie mal Kipkorn mit Joppiesaus“, ruft Uwe Hübner von hinter der Verkaufstheke herüber. Klingt abenteuerlich, aber gut, rein in die Fritteuse. Nicht nur auf der Grünen Woche, wo die Niederlande in diesem Jahr Partnerland sind, gibt es bis zum kommenden Sonntag viele Spezialitäten aus Holland zu probieren. Über die Stadt verteilt bleibt von Fritten bis Waffeln kaum ein Wunsch unerfüllt. Zum Beispiel bei „De Molen“: In der Neuen Bahnhofsstraße am Ostkreuz betreibt Uwe Hübner die einzige niederländische Snackbar Berlins.

Orange dominiert seine etwa achtzig Quadratmeter: Von den Wänden bis zu den Wachstuchdecken ist alles in der Lieblingsfarbe der Niederländer gehalten. Auf den Tischen Plastiktulpen und Heineken-Bierdeckel, quer durch den Raum hängen blauweißrote Flaggen und Wimpel. Das Foto der Fußball-Nationalmannschaft von 1988 (Europameister!) und ein großer Flachbildfernseher deuten auf Public-Viewing-Abende. „Aber nur, wenn die Niederlande spielen!“, sagt Hübner. „Beim deutschen Fußball interessiert mich nur Hertha.“ Der 54-Jährige ist zwar in Berlin geboren, aber in Amersfoort im Zentrum der Niederlande aufgewachsen. Hübner, leicht untersetzt, grauer Schnauzbart im geröteten Gesicht, bezeichnet sich als niederländischen Berliner – oder umgekehrt. Wenn er nicht gerade niederländisch spricht, berlinert er, beides einwandfrei.

Von Joppiesaus bis Hagelslag

Hübner nimmt das Sieb aus dem heißen Fett, lässt es kurz abtropfen. Kipkorn entpuppt sich als etwa zehn Zentimeter langes Geflügel-Stäbchen mit einer Panade aus Cornflakes, sieht ein bisschen aus wie ein Fischstäbchen, nur nicht so wabbelig. Er serviert es auf einem länglichen Plastikteller ohne Besteck, dafür, natürlich, mit orangefarbener Serviette. Die Bestandteile der Joppiesaus einer gelben dickflüssigen Soße sind nicht so leicht zu identifizieren: Curry? Farbstoff? Ananas? „Das ist ein Geheimrezept“, sagt der Chef. Seit einigen Jahren sei das der Renner in Holland. „Hier sind die holländischen Snacks noch ein Geheimtipp. Was ich anbiete, gibt’s nicht mal im KaDeWe“, sagt er stolz.

Doch es gibt nicht nur Frittiertes. Aufs Brot kommt den Niederländern nämlich nicht nur Gouda oder Edamer, sondern allerlei Zuckriges wie Speculoos, ein Brotaufstrich mit Spekulatiusgeschmack, Pindakaas, holländische Erdnussbutter, oder Hagelslag.

Auch Stroopwafels aus der Produktion seines Kumpels Paul de Haan, besser bekannt als der „Waffelpaul“, hat Hübner im Sortiment. Die klebrig-süße Spezialität besteht aus zwei dünnen etwa handtellergroßen runden Waffeln, die durch eine ordentliche Portion Sirup, „Stroop“, aneinandergeklebt sind. Der gebürtige Amsterdamer de Haan lebt seit zehn Jahren in Mitte. De Haan, wenig Haar, Dreitagebart, Brille und ein fröhliches Lachen, bereitet in seiner kleinen Küche zu Hause den Waffelteig zu. Die Waffeln selbst backt der 56-Jährige dann frisch an seinem mobilen Verkaufsstand. Der besteht, wie könnte es anders sein, aus einem Hollandrad mit Anhänger, den er bei Veranstaltungen der Niederländischen Botschaft, Firmenfeiern, Hochzeiten oder Stadtfesten aufstellt. Oder wie jetzt auf der „Grünen Woche“, in Halle 18. Bis zu 700 Waffeln können es an guten Tagen schon mal werden, schätzt der ehemalige Lehrer und hauptberufliche Stadtführer.

Matjes, Lakritz und ein Bild von Königin Beatrix

Als Waffelpaul ist de Haan stets in voller Montur unterwegs: Holzschuhe, blau-weiß-rote Mütze, holländische Flagge, Tulpe, Schneidebrettchen mit Bild von Königin Beatrix und Rudi-Carrell-Akzent.Und warum ausgerechnet Waffeln? „Dass die Deutschen Süßigkeiten mögen, ist kein Geheimnis. Und die Stroopwafels kannte hier noch keiner“, sagt Paul de Haan. „Ich betrachte es als eine Art Entwicklungshilfe: Alle Berliner sollen sie kennenlernen.“ Früher brachte er die Stroopwafels von seinen Reisen in die alte Heimat mit nach Berlin, 2007 fing er an sie einfach selbst zu backen.

Waffelpauls Spezialität: Die Stroopwafel, außen knusprig, innen weicher Sirupkern.
Waffelpauls Spezialität: Die Stroopwafel, außen knusprig, innen weicher Sirupkern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Ähnlich ging es Menno Rijst mit einer anderen niederländischen Süßigkeit: Seine Berliner Bekannten beauftragten den gebürtigen Alkmaarer stets damit, ihnen Lakritz zu besorgen. Vor gut fünf Jahren entstand daraus ein Beruf: Menno Rijst gab seinen Job im Callcenter auf und verkauft seither Lakritz, viermal die Woche auf verschiedenen Wochenmärkten. Auf der Seite „lecker-lakritz.de“ kann man süßes, salziges und saures Lakritz in sämtlichen Formen und Härtegraden bestellen. „Am besten gehen Salmiak-Rondos, außen harte, innen weiche Kugeln“, erklärt Rijst, der mittlerweile seit 15 Jahren in Berlin lebt. „Und ’dubbel zouts’, das sind extra salzige, harte Lakritzdrops.“

Auch typisch holländisch: Matjes

Auch Waffelpaul und Lakritz-Menno sind befreundet, man scheint sich zu kennen in der Szene der niederländischen Spezialitäten. Und alle spielen sie ein wenig Klischee-Holländer. So auch „Nico van Matjes“. Der Zandfoorter, der eigentlich Wever mit Nachnamen heißt, verkauft samstags auf dem Markt am Karl-Augustus-Platz in Charlottenburg, na was schon, Matjes. Nicht nur der Geruch von Hering mit Zwiebel und Dillgurke verrät schnell den Weg zu ihm, auch seine typisch blau-weiß-rote „Matjeskarre“ führt Fischfreunde schon von Weitem unverkennbar zu ihm.

Das Spielen mit den Klischees kommt offenbar gut an. Uwe Hübner schüttelt immer noch ungläubig den Kopf, wenn er erzählt, dass sonntags manchmal die Leute bis vor die Tür Schlange stehen, um seine Pommes und ein Kaaskroket zu ergattern. Hübner war acht Jahre lang arbeitslos, eher er vor fünf Jahren all seinen Mut zusammennahm und das „De Molen“ eröffnete. Nun steht er an sechs Tagen in der Woche in seinem Laden und die Deutschen rennen ihm die Türen ein. Sogar der stellvertretende Regierungssprecher der Bundeskanzlerin esse hier öfter Frikandel speziaal, sagt er stolz.

Sein Kipkorn mit Joppiesaus ist allerdings gewöhnungsbedürftig: außen kross, innen saftig, irgendwie eklig, irgendwie lecker, auf keinen Fall gesund, aber auf jeden Fall einen Versuch wert.

Snackbar De Molen, Neue Bahnhofstr. 26a,Friedrichshain, www.demolen.de

Waffelpaul, bis 27.1 Grüne Woche, Halle 18 und vom 7.-13.3. ITB, Messegelände, Westend, www.waffelpaul.de

Van Matjes, samstags Wochenmarkt am Karl-August-Platz, Charlottenburg (8-14 Uhr), www.vanmatjes.de

Lecker-Lakritz: dienstags und freitags Markt am Maybachufer, Neukölln (11-18 Uhr), donnerstags Wochenmarkt am Hackeschen Markt, Mitte (10-18 Uhr), sonnabends Wochenmarkt am Südstern, Kreuzberg (10-16 Uhr). www.lecker-lakritz.de

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