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Herthas Heimat: das Olympiastadion.

© picture alliance / dpa

Update

Neues Stadion in Brandenburg: Woidke: "Wir freuen uns über jeden, auch Hertha"

Der Klub prüft den Bau eines neuen Stadions am Stadtrand. Andere Klubs machen es vor. Potsdam zeigt auch Interesse. Und was sagt der Fahrgastverband?

Hertha BSC prüft den Bau eines neuen Stadions - nur wo? Im Frühjahr 2017 will der größte Berliner Fußballklub (32.000 Mitglieder) eine Studie vorstellen, die seit Monaten intern erarbeitet worden ist. Der Inhalt? Geheim. Nur so viel, sagte Präsident Werner Gegenbauer. „Der Auftrag an die Architekten ist nicht nur raus, es gibt erste Vorstudien.“ Man wolle „nicht in Konkurrenz“ treten zum Wohnungsbau und Gewerbe-Neubauten. Ein Investor wird gesucht, auch in Asien. Das Stadion soll kleiner sein, enger (ohne Laufbahn) und damit stimmungsvoller als das Olympiastadion. Die Debatte um ein neues Stadion gab es schon vor einem Jahrzehnt - Hertha meint es ernst.

Welche Standorte im Gespräch sind

Sagt Hertha nicht. Nach Informationen der "Bild" läuft es aktuell auf drei Standorte hinaus, die in der Vergangenheit auch immer wieder genannt worden sind: Oranienburg (am Autobahnkreuz nahe Velten), Dreilinden (neben dem Avus-Zubringer am "Europarc" bei Ebay, wo es allerdings ganz schön eng ist) - und eine bisher unbekannte Fläche zwischen Ludwigsfelde und Stahnsdorf, also kurz hinter der Stadtgrenze im boomenden Umland.

Es gab zuletzt noch mehr Orte, über die diskutiert worden ist: die Industriebrache am ehemaligen Flugplatz Staaken (zwischen Heerstraße und dem einstigen S- und heutigen Regionalbahnhof Staaken), über diverse brachliegende Eisenbahnflächen oder auch andere Industrieareale, die gut und schnell zu erreichen sind (wie beispielsweise ein Businesspark im Südosten der Stadt, der ja ab 2017/2018 nicht nur via S-, Regional- und Autobahn erreichbar sein soll, sondern auch aus der Luft). Wenige Chancen werden Hertha ausgerechnet, auf den Flughäfen Tempelhof oder Tegel zu bauen, auch wenn es viele Fans wegen der Lage bevorzugen (und ebenso viele wegen eben jener attraktiven Lage ablehnen).

Wie sind die Standorte zu erreichen?

Wichtig ist die Bahn-Anbindung, die heute schon die größte Last trägt bei Hertha-Spielen. Oranienburg ist an Regionalbahn und S-Bahn angebunden, Velten nur an die Regionalbahn. Und diese fährt von Velten nicht direkt nach Berlin, sondern nur mit Umstieg in Hennigsdorf. Auch im Süden von Berlin gibt es nur begrenzt Eisenbahnstrecken. Ludwigsfelde ist schnell und direkt von Berlin aus zu erreichen. Aber: Die Trasse der Anhalter Bahn muss bis auf weiteres einen Teil des Verkehrs zum BER aufnehmen, sie gilt als ausgelastet. Eine Anbindung des Stadions an den Außenring, zum Beispiel über den Bahnhof Ludwigsfelde-Struveshof , hätte eine direkte Anbindung nach Potsdam oder Schönefeld. Der "Europarc Dreilinden" kann via Stammbahn (Regionalbahn) angebunden werden; über den Wiederaufbau wird derzeit intensiv debattiert. Die S-Bahn rollt dort nicht.

Wie es andere Klubs machen

Hertha am Stadtrand? Damit wäre der Klub in guter Gesellschaft. Das Münchener Stadion steht weit draußen an der Autobahn, auch die Neubauten von Borussia Mönchengladbach, Hoffenheim oder Augsburg sind weit draußen an Ausfallstraßen entstanden. Der Charme des Umfelds tendiert gen Null.

Was Verkehrsexperten sagen

Skeptisch ist der Fahrgastverband IGEB, der die Interessen der S-Bahn und BVG-Kunden vertritt. Der Nachteil der kolportierten Standorte sei, dass dort auf eine Regionalbahn gesetzt werde, die aber nicht leistungsfähig genug sei. So sei es nicht möglich, Sonderzüge im dichten Takt zu fahren, weil die meisten Fernbahn-Trassen schon jetzt stark belastet seien, sagt IGEB-Sprecher Jens Wieseke. Das dürfte den Standort Staaken ausschließen - der Bahnhof Spandau ist ein Nadelöhr und jetzt schon sehr störungsanfällig. Schon ein verspäteter ICE würde die Anfahrt der Fans durcheinander bringen. "Die S-Bahn hingegen ist autark", sagte Wieseke. Ein neues Stadion müsste auf jeden Fall S-Bahn-Anschluss haben. "Man sieht ja, wie grauenvoll das Stadion an der Alten Försterei angebunden ist", sagt der Nahverkehrsfachmann. Das Stadion des 1. FC Union ist direkt nur mit der Straßenbahn zu erreichen, der nächste S-Bahnhof liegt einen Kilometer entfernt - im Sommer mag der Spaziergang durch den Wald ganz schön sein, bei Matsch, Kälte und Dunkelheit ist es was für Liebhaber.

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Für den Fahrgastverband IGEB gibt es nur einen Standort, der so gut an den Nahverkehr angebunden ist wie das Olympiastadion: das Maifeld, die Wiese hinter dem Stadion nämlich. Allerdings sei selbstr dieser Standort von der U-Bahn fast schon zu zu weit weg, sagt Wieseke. Das Olympiastadion sei mit U- und S-Bahn hervorragend angebunden, "so etwas mache ich doch nicht kaputt". Der S-Bahnhof mit vier zusätzlichen breiten Bahnsteigen für zehntausende Hertha-Fans oder Papst-Pilger sei schlicht perfekt.  Wenn überhaupt, sei ein Standort an der - leistungsfähigen - Ringbahn denkbar für ein neues Stadion, zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld. Aber auch dort würde niemand mehr einen solch leistungsfähige Infrastruktur wie am Olympiastadion bauen.

Was Brandenburg sagt

Nach Tagesspiegel-Informationen war Woidke informell in Kontakt mit der Hertha-Spitze, dass ein neues Stadion möglichst in Brandenburg gebaut wird. Auf Anfrage, wie er die Sondierungen sehe, etwa erste mögliche konkrete Standorte in Brandenburg wie Oranienburg, Dreilinden oder Ludwigsfelde, sagte Woidke am Mittwoch dem Tagesspiegel: "Als Ministerpräsident freut es mich, dass sich die Hinweise verdichten, dass Hertha plant, dass Hertha mit Brandenburg plant. Das scheint als Option immer wahrscheinlicher. Genaueres wissen wir allerdings noch nicht. Aber nach allem, was ich bisher gehört habe, bin schon ein bisschen fröhlich, weil Hertha ernsthaft auch mit Brandenburg rechnet." Wird Brandenburg Hertha den roten Teppich auslegen? "Brandenburg freut sich über jeden, der in Brandenburg investiert. Das gilt natürlich auch für Hertha BSC."

Landeschef Dietmar Woidke (SPD) hatte schon nach Bekanntwerden der ersten Ideen schnell für Brandenburg geworben. „Wir würden uns freuen, wenn Hertha sich dafür entscheiden sollte. Das Angebot steht“, hatte Woidke damals gesagt. „Was wir bieten können, das wissen auch viele Berliner Firmen bereits, die sich in den letzten zehn, zwanzig Jahren aus Berlin herausbewegt und vor den Toren der Hauptstadt investiert haben“, sagte er. „Wir haben eine funktionierende Infrastruktur, eine wunderschöne Umgebung, motivierte Mitarbeiter und es gibt Hunderttausende Fans in Brandenburg.“ Auch international sei es ja mittlerweile üblich, dass Großstadien nicht mitten in der Stadt gebaut werden. Hertha selbst profiliert sich ohnehin als berlin-brandenburgischer Verein, pflegt gute Kontakte in Umland Berlins, wie etwa nach Ludwigsfelde oder Werder (Havel). Und das Havelland mit Falkensee, wo viele Berliner hingezogen sind, ist eines der Mitglieder-Hochburgen von Hertha.

Neben der Autobahn: der ehemalige Kontrollpunkt Dreilinden.
Neben der Autobahn: der ehemalige Kontrollpunkt Dreilinden.

© Andreas Klaer

Was Berlin sagt

In der Landespolitik wird die Debatte ernst genommen. Die Spitzenpolitiker - durchaus eng vernetzt mit Hertha - versuchen Details über die Studie herauszubekommen. Berlins scheidender Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel sagt: "Es ist schade, wenn Hertha das Olympiastadion verlässt, weil dann die Wirtschaftlichkeit nicht mehr vorhanden ist." Hertha ist der Ankermieter des Stadions, das ohne verlässliche Einnahmequellen im 14-Tage-Takt in finanzielle Schwierigkeiten geraten wird. Es gebe aber „keine Gespräche über Standorte“, sagte Geisel.

Woidke wirbt um Hertha.
Woidke wirbt um Hertha.

© imago/Martin Müller

Die Finanzverwaltung weist darauf hin, dass "erster Ansprechpartner" in dieser Frage der Innen- und Sportsenator sei. Also Frank Henkel (CDU), ab 8. Dezember dann Andreas Geisel (SPD). Außerdem gebe es für 2025 noch keine Finanzplanung des Senats, die reiche momentan bis 2020. Finanzhilfen des Landes Berlin für einen Stadion-Neubau waren senatsintern bisher kein Thema. Auch der neue Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen befasst sich weder mit dem Olympiastadion noch mit Hertha BSC.

Was Potsdam sagt

Ludwigsfelde? Dreilinden? Auch Potsdam bietet sich als Standort für das neue Stadion des Berliner Fußballklubs Hertha BSC an. "Wir könnten uns einige Flächen als Platz für das Stadion vorstellen", sagte Stadtsprecher Stefan Schulz am Mittwoch. Denkbar sei zum Beispiel das Areal neben dem Friedrichspark in Marquardt. "Zu den Varianten kann sich Herr Preetz gerne bei uns im Rathaus beraten lassen", so Schulz in Richtung Hertha-Manager Michael Preetz. Der Friedrichspark liegt selbst für Potsdamer Verhältnisse in der Ödnis; es gibt keine S-Bahn, nicht mal einen Bahnhof (allerdings den Berliner Außenring).

Was Ludwigsfelde sagt

"Es ist bekannt, dass derzeit mehrere Standorte rund um Berlin untersucht werden, möglicherweise ist auch Ludwigsfelde darunter", sagte der Bürgermeister von Ludwigsfelde, Andreas Igel (SPD). Aus seiner Sicht gebe es durchaus Argumente, die für Ludwigsfelde (25.000 Einwohner) sprächen - etwa die Nähe zu Berlin und die Regionalbahnanbindung (22 Minuten bis Berlin-Hauptbahnhof). "Wir sind offen für Gespräche." In Ludwigsfelde besteht Anschluss an den Berliner Ring; über zwei starke Landstraßen ist die Stadt zudem mit Berlin-Marienfelde und Potsdam (Nutheschnellstraße) verbunden.

Wie die Finanzierung geplant ist

Hertha sucht einen Investor, schweigt aber sonst vehement. Die Kosten des Stadionneubaus sollen laut "Bild" bei 250 Millionen Euro liegen. Wie die Anbindung finanziert werden soll - unklar.

Was die Fans sagen

Die Debatten auf den Tagesspiegel-Portalen sind leidenschaftlich - ob via Twitter, Facebook oder auf unserer klassischen Internetseite. Tenor 1.: Hertha soll im Olympiastadion bleiben. Tenor 2: Kann sich der Klub eh nicht leisten. Tenor 3: Zahlt der Steuerzahler etwa die Infrastruktur? Tenor 4: Im Olympiastadion gibt's keine Zukunft für den Verein.

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