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Neu in Berlin. Spart der neue Volksbühnen-Intendant Chris Dercon das Personal zusammen? Eher nicht.

© imago/Emmanuele Contini

Neuer Streit um Berliner Volksbühne: Vorwürfe gegen Dercon halten Faktencheck nicht stand

Gegen Volksbühnen-Intendant Chris Dercon gibt es neue Vorwürfe. Sein Wirtschaftsplan für 2018 ist dabei nur eine Anpassung an die Castorfsche Realität.

Die Schlammschlacht um die Volksbühne und ihren neuen Intendanten Chris Dercon geht weiter. Auch nach dem friedlichen Saisonstart mit den Tanzprogrammen von Boris Charmatz auf dem Tempelhofer Feld, nach der Übergabe der Petition „Zukunft der Volksbühne neu verhandeln“ mit 40.000 Unterschriften Anfang September an Kultursenator Klaus Lederer (Linke), nach Hasstiraden im Netz und ebenfalls dort kursierenden vagen Aufrufen zu einer Besetzung des Hauses. Nun mischt sich der „Spiegel“ ein und positioniert sich klar auf Seiten der Dercon-Gegner, mit der Veröffentlichung vermeintlich korrekter, allerdings missverständlicher und missverstandener Zahlen.

Mit Verweis auf den Wirtschaftsplan des Theaters am Rosa-Luxemburg-Platz, der dem Haushaltsausschuss des Abgeordnetenhauses vorliegt, schreibt das Nachrichtenmagazin, Dercon treibe „den Umbau des traditionsreichen Theaters in eine Abspielstätte von Fremdproduktionen konsequent voran“. Er plane die „Streichung sämtlicher Stellen für Regie und Dramaturgie, insgesamt mehr als zehn“, auch solle das Ensemble von 27 auf 12 Stellen reduziert werden. Verdoppelt werde die Besetzung der Pressestelle, auch die Marketingabteilung werde verstärkt.

Intendant wirft Magazin mangelnde Recherche vor

Die Zahlen finden sich tatsächlich so im öffentlich zugänglichen Wirtschaftsplan – man muss sie allerdings auch lesen können. So sind noch 2017 in der Tat 27 Ensemblestellen im Plan eingeschrieben, über die Hälfte davon ist jedoch seit Jahren nicht besetzt. Bereits Castorf setzte das dafür vorgesehene Geld für Gastauftritte von Schauspielern ein, auch für ehemalige Ensemblemitglieder. Der Wirtschaftsplan 2018 passt die Zahlen also lediglich der Castorfschen Realität an. Dies betont auch Chis Dercon in einer Stellungnahme, in der er dem „Spiegel“ mangelnde Recherche vorwirft. Sein Vorgänger habe das Ensemble „von 27 fest engagierten Schauspielerinnen und Schauspielern auf 11 reduziert“, schreibt er darin.

Auch werden unter Dercon keineswegs weniger Dramaturgen und Regieassistenten beschäftigt als bisher. Sie heißen lediglich anders, statt Regieassistenten beispielsweise Produktionsleiter, ihre Aufgaben werden erweitert. Deshalb sind sie im Wirtschaftsplan an anderer Stelle aufgeführt. Bisher gab es unter den Stichworten Dramaturgie, Regie und Produktion insgesamt 16,75 Stellen, ab 2018 sind sie neu unter „Programm“ und „Produktion“ sortiert, mit insgesamt 21 Stellen für Dramaturgen, Regieassistenten, Kuratoren und Programmmacher. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Schwund, sondern einen Aufwuchs.

Die Verdoppelung der Presseabteilung von 2 auf 4 Mitarbeiter wiederum erklärt sich durch eine zusätzliche Online-Kraft und durch die Tatsache, dass die bisherige, unkündbare Archivarin nun hier arbeitet: Das Archiv wurde kurz vor Dercons Amtsantritt komplett an die Akademie der Künste übergeben. Bleibt die Personalaufstockung bei Vertrieb, Marketing und Sponsoring: ein Skandal?

Der „Spiegel“ schreibt auch, dass Dercon 2018 mit einem Rückgang um 40.000 Zuschauer rechnet, 25 Prozent weniger als 2017. Im Wirtschaftsplan prognostiziert die Volksbühne einen Rückgang der Kartenverkäufe um 11 Prozent. Ein staatlich subventioniertes Theater ist gehalten, realistisch zu kalkulieren. Würde Dercon davon ausgehen, dass der Sturm gegen die neue Volksbühne folgenlos bliebe, müsste man ihm zu Recht Traumtänzerei vorwerfen.

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