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Einsatz in Morbidistan. Man braucht noch viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie hier in ein paar Jahren Ateliers und Studios entstehen. Noch locken die Heilstätten in Beelitz eher die Ruinen-Touristen aus Berlin an.

© Maurizio Gambarini/dpa

Neue Ideen für alte Klinik in Brandenburg: Beelitzer Heilstätten sollen Kunstateliers werden

Einst erholten sich hier Lungenkranke, später sowjetische Soldaten: Die Beelitzer Heilstätten haben eine bewegte Geschichte. Seit Jahren herrscht Verfall, doch jetzt sollen wieder Menschen einziehen - und die Kunst.

„Genau das ist es“, sagt Frank Duske, als er in die Gesichter der Umstehenden schaut. Gerade noch hat er davon gesprochen, wie Besucher auf das Gelände reagieren. „Das führt zu so einer gewissen Entzückung“, hatte der 46-jährige Immobilienentwickler gesagt. Jetzt wiederholt sich genau das: strahlende Gesichter, offene Münder beim Anblick des langen dunklen Flurs, an dessen Ende die Sonne durchs Fenster bricht.

Im alten Sanatorium blättert die lindgrüne Farbe von den Wänden ab und gibt die Farbwahl der Vergangenheit preis: grün, blau, beige. „Die russischen Streitkräfte haben Ölfarbe verwendet. Deshalb pellt das ab“, sagt Duske und pult an einem Stück Farbe. „Daher der morbide Charme.“

Duskes neuestes Projekt hat eine sehr bewegte Vergangenheit: Im Quadrant D der Beelitzer Heilstätten, etwa eine Autostunde südwestlich des Berliner Zentrums, wurden einstmals Tuberkulosepatienten behandelt. Heute sind die drei Gebäude mit insgesamt rund 6200 Quadratmetern Nutzfläche verlassen und verwahrlost.

Duske möchte das ändern. Wenn er mit seinem Partner Jan Kretzschmar bis Ende Oktober genügend Käufer zusammenbekommt, werden sie das Gelände von den jetzigen Eigentümern kaufen und zum Kreativzentrum umbauen: das Refugium Beelitz Heilstätten. Rund 50 Parteien sollen dann ab Sommer 2016 in die Studios und Ateliers einziehen.

Das sei etwas für Leute, die gerne in oder bei Berlin arbeiten, sich aber mehr Natur wünschen, sagt Duske. Hier, zwischen Wald, Gärten und Lindenalleen, sollen sie beides haben. Alle paar Stunden rollt ein Güterwaggon an den benachbarten Gleisen vorbei. Die Heilstätten haben einen eigenen kleinen, idyllischen Bahnhof.

Über die Jahrzehnte haben sich Plünderer über das Gelände hergemacht

„Es herrscht so eine ruhige Betriebsamkeit“, sagt Duske. Ein Rentnerparadies könne er sich hier nicht vorstellen – ihm schweben offene Bewohner mit kreativer Geisteshaltung vor. „Wenn die erste Frage ist: Wo sind denn hier die Gartenzäune? Dann weiß ich: Das passt nicht.“

Nachdem er sich schon mit dem Umbau des Krematoriums Wedding zum Kreativhaus kein einfaches Projekt gesucht hatte, ist es auch jetzt kein leichtes Ziel, das sich Frank Duske mit seinem Partner gesteckt hat. Die drei Gebäude – Küche, Wäscherei und Sanatorium – sind ziemlich heruntergekommen.

Das Gelände in Brandenburg ist geplündert worden

Über die Jahrzehnte haben sich außerdem Plünderer über das Gelände hergemacht. „Jedes Eisenteil, jedes Schild, jedes Waschbecken ist weg“, sagt Duske. Zuletzt haben die Diebe sogar die Dächer abgedeckt und die Bleche herausgezogen. Große Löcher prangen zwischen den Ziegeln. Duske schüttelt den Kopf. „Was bekommt man für so ein Blech? Kaum etwas, aber der Schaden, der dabei angerichtet wird, ist enorm.“

Dabei hat es der Quadrant D durch seine Lage etwas weiter hinten noch gut getroffen. Im Quadrant A etwa ist die Zerstörung noch viel größer. Dort haben nächtliche Einsteiger, Sprayer, wilde Partygänger und angeblich sogar Pornodreharbeiten ihre Spuren hinterlassen.

Erich Honecker flüchtete im April 1990 in die Beelitzer Heilstätten.

Immer herein. Besucher können sich das Gelände immer an den Wochenenden ansehen.
Immer herein. Besucher können sich das Gelände immer an den Wochenenden ansehen.

© Maurizio Gambarini/dpa

1902 hatten die Beelitzer Heilstätten einst eröffnet – großzügig geplant und umgesetzt von Baumeister Heino Schmieden, ausgestattet mit Ornamenten, schönen Fliesen, verzierten Fenstern, weitläufigen Räumen. Im ersten Weltkrieg dienten die Gebäude als Militärlazarett. Gegenüber von Quadrant D lag 1916 auch der Gefreite Adolf Hitler. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Heilstätten wieder zum Lazarett, dann nutzten es die russischen Truppen bis 1994 als ihr größtes Militärhospital im Ausland. Erich Honecker flüchtete sich im April 1990 in die Heilstätten, um sich in der Chefarztvilla unter russischem Schutz vor der deutschen Justiz in Sicherheit zu bringen. Am 13. März 1991 wurde er mit seiner Frau Margot nach Moskau ausgeflogen. Später ging das Areal an einen Bauträger, der Insolvenz anmeldete. 2006 kauften die heutigen Besitzer das 200 Hektar große Gelände.

Heute ist im künftigen Refugium Beelitz Heilstätten jede Ecke, jedes Zimmer in einem anderen Zustand. Im ehemaligen Esszimmer und zukünftigen gemeinsamen Kaminzimmer etwa lässt sich der Parkettboden nicht mehr retten. Dafür ist er zu nass geworden. Mal ist ein Zimmer einfach nur leer, mal übersät von Staub, Spinnweben oder Holzresten.

Szenen von "Operation Walküre" wurden hier gedreht

Aber wo kommen Stroh und ausgeblasene Eier her? Frank Duske lacht. „Hier wurde so ein Fantasyfilm gedreht“, sagt er – offenbar Fantasy im Hühnerstall. Es ist eben doch so ziemlich alles dankbar in den alten Gemäuern. Schließlich wurden hier auch Szenen für "Männerpension“ mit Detlev Buck und Til Schweiger, für Roman Polanskis Film „Der Pianist“ oder für "Operation Walküre" mit Tom Cruise gedreht.

Ein Interessent ist mit einem Freund gekommen, um sich das Gelände zum zweiten Mal anzusehen. Er ist Koch für vegane Rohkost und hat eine extravagante Wohnidee: „Meine Traumwohnung besteht aus einer Küche mit Bett.“ Damit entspricht er Duskes Wunschvorstellung eines Käufers: jemand mit einer Vision, der Spaß an unkonventionellen Überlegungen hat. Die Voraussetzungen für die Räume sind vielfältig: Zwischen rund 50 und 250 Quadratmetern gibt es unterschiedlichste Wohndimensionen, mal sind die Wände acht Meter hoch. Mal findet man aber auch wie im alten Küchengebäude gut erhaltene Glasursteine an den Wänden, die dort auch bleiben sollen.

Besonders schwierig wird es werden, für das Dachgeschoss im Sanatorium eine Gestaltungslösung zu finden. Doch Frank Duske hat schon einen Interessenten: sich selbst. Es ist dunkel da oben, aber Duske hat natürlich eine Vision. „Das wird mal ganz schön“, sagt er. „Auch wenn das jetzt noch keiner sieht.“

Für Kaufinteressenten und Neugierige gibt es individuelle Besichtigungen, immer samstags sind Gruppentermine geplant, um Anmeldung wird gebeten unter der Telefonnummer 0177 506 86 53 . Weitere Informationen unter www.refugium-beelitz.de.

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