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Eins, zwei oder drei? Jan Stöß, Raed Saleh und Michael Müller (von links nach rechts) treten um Wowereits Nachfolge an.

© dpa

Nachfolger von Klaus Wowereit: SPD sucht Berlins neuen Regierenden Bürgermeister im Trio Fatale

Unsere Autorin Hatice Akyün wünscht sich eine Berliner SPD, die sozialdemokratischer regiert und sich nicht als Macht-nix-Partei selber zerlegt.

Es wäre wesentlich übersichtlicher, wenn sich in der SPD lediglich die zu Wort meldeten, die nicht Klaus Wowereits Nachfolger werden möchten. Bald gibt es mehr Kandidaten, als die FPD noch Mitglieder hat. Wobei mich auch die Frage umtreibt, ob die Frauen einfach nur zu bescheiden sind oder dank ihrer weiblichen Intuition längst ahnen, dass sie gegen die omnipotenten Alpha-Tierchen sowieso keine Chance haben.

Kann man sozialdemokratisch ticken, ohne in der SPD zu sein? Und wie. Fortschritt, Gerechtigkeit, Entwicklung und Freiheit verbinden viele in der Stadt schon lange nicht mehr mit der Partei Willy Brandts. Stattdessen eine Kuschelmentalität wie ein eingelaufener Angora-Pullover, der nirgendwo mehr so richtig sitzt und passt. Könnte es sein, dass Klaus Wowereit nicht am Flughafen gescheitert ist, sondern an der Tatsache, dass Veränderung auch mit Mühen und Opfern verbunden ist, die man aber nur unumkehrbar durchführen kann?

Dazu ist ganz einfach niemand bereit, weil Sicherung des eigenen Bestandes vorgeht. Die Berliner SPD hat einen Landesvorsitzenden, der manch willigen Genossen eher in den Tiefschlaf versetzt als begeistert. Einen Fraktionsvorsitzenden, der alles tut, um bloß keine Fehler zu machen. Und einen Bausenator, der von privaten Investoren bauen lässt, die sich ihr Kapital mit Steuersparmodellen zusammengerafft haben. Mittel, die dem Staat fehlen, um im öffentlichen Interesse staatlich bauen zu können.

Drei Formen der politischen Wahrnehmung

Wie groß muss die Angst vor uns Wählern sein, dass man uns ja nicht entscheiden lassen will und uns so wie unmündige Bürger behandelt? Das Trio Fatale organisiert die Mehrheiten lieber hinter verschlossenen Türen. Jene, die vorgeben zu wissen, was für andere am besten ist, entscheiden im Klüngel. Das Ergebnis wird anschließend mit einem pseudodemokratischen Mitgliedervotum bemäntelt. Die CDU kann dem gelassen zuschauen, weil sie als Tu-nix-Partei auf dem zweiten Platz abwartet, bis die Macht-nix-Partei sich selber zerlegt. Und die Grünen würden ja gerne, aber nur selbstversessen mit dem Finger auf andere zu zeigen, reicht als Alternative nicht. Eine Chance für die Linke? Die haben den Milleniumknall nicht gehört und tasten sich immer noch mit unrealistischen Forderungen an der realen Außenwelt ab.

Das alles erinnert mich an die drei Formen der politischen Wahrnehmung. In der ersten Phase merkt man selbst etwas, die anderen aber noch nicht. In der zweiten merken es die anderen und man selbst auch. Und in der dritten merkt man selbst nichts mehr, dafür nur noch die anderen. So ähnlich verhält es sich mit der Berliner SPD, die längst in der dritten Phase steckt. Jede Stadt bekomme den Bürgermeister, den sie verdiene, höre ich von Freunden aus anderen Städten. Was haben wir Berliner eigentlich Böses getan, dass alles in dieser Stadt im Kuddelmuddel endet?

Als Ruhrpottkind wusste ich mal, dass es da draußen eine Partei gibt, die oben und unten zusammenhält, für alle kämpft, nicht ausgrenzt und für Fortschritt steht. „Sozialdemokratisch ist das, was vernünftig ist“, sagte deren letzter Kanzler einmal und schraubte anschließend ein gutes Stück Sozialstaat ab. Oder wie mein Vater sagen würde: „Tilki tilkiligini anlatincaya kadar post elden gider.“ Bis der Fuchs sich als Fuchs ausweisen kann, hat er seinen Pelz schon verloren.

Hatice Akyün ist in Anatolien geboren, in Duisburg aufgewachsen und in Berlin zu Hause. An dieser Stelle schreibt sie immer montags über ihre Heimat.

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