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Feuergefährlich. Im Chemieunterricht ist Vorsicht geboten.

© Kitty Kleist-Heinrich

Nach schwerem Unglück am Schliemann-Gymnasium: Chemie-Versuch "Pharaoschlange" war Schuld an Unfall

Ein 17-Jähriger verletzte sich bei einem an sich harmlosen Experiment schwer. Eigentlich passieren in Berlin aber kaum Unfälle im Chemieunterricht. Es gelten starke Sicherheitsvorschriften. Viel häufiger sind Unfälle in den Schulpausen.

Wie konnte das passieren? Um diese Frage kreiste am Mittwoch in vielen Schulen der Chemieunterricht nach dem schweren Unglück, das sich tags zuvor im Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Prenzlauer Berg ereignet hatte: Ein 17-jähriger Schüler trug von einem als harmlos geltenden Experiment schwere Verbrennungen an Armen, Oberkörper und Gesicht davon und liegt noch auf der Intensivstation des Unfall-Krankenhauses Marzahn. Acht bis neun Prozent seiner Haut sind betroffen.

Nach bisherigen Erkenntnissen wurde in der Chemiestunde der 13. Jahrgangsstufe versucht, die sogenannte Pharaoschlange zu erzeugen. Sie entsteht, wenn man Emserpastillen in Holzasche einbettet, mit Brennspiritus beträufelt und anzündet: Aus den Pastillen „wachsen“ dann gekrümmte schwarze schlangenförmige Wülste aus Kohlenstoff, der beim Verbrennen des Pastillenzuckers entsteht. Der Effekt ist so verblüffend, dass er auch bei Tagen der offenen Tür gern gezeigt wird, um für den Chemieunterricht zu werben.

„Das ist ein üblicher Showversuch“, lautet auch die Einschätzung von Uwe Müller, Chemielehrer am Walther-Rathenau-Gymnasium im Grunewald. Er kann sich lediglich vorstellen, dass zu viel Brennspiritus verwendet wurde, weil die Pastillen nicht genug brannten. „Ich habe mit meinen Schülern heute darüber gesprochen und ihnen gesagt, wie wichtig die Einhaltung von Mengenangaben ist.“ Generell müsse man natürlich immer auf der Hut sein, zumal oftmals über 30 Schüler in einer Klasse seien.

Offenbar nehmen es die Berliner Chemielehrer mit der Sicherheit sehr genau. Die Unfallkasse verzeichnet so wenig Unfälle im Chemieunterricht, dass sie nicht einmal zahlenmäßig erfasst werden – ganz anders als bei den Sportunfällen, die an Gymnasien sogar 60 Prozent aller Unfälle ausmachen. Die restlichen Unfälle passieren beispielsweise in den Pausen.

Verblüffender Effekt. Die „Pharaoschlange“ ist ein beliebtes Experiment.
Verblüffender Effekt. Die „Pharaoschlange“ ist ein beliebtes Experiment.

© chids.de

An den Grundschulen, wo die Kinder mehr herumtoben, ereignet sich jeder dritte Unfall in der Pause und rund ein Viertel im Sportunterricht, weil Schüler stürzen, zusammenprallen, von Geräten herunterfallen oder von einem Ball hart getroffen werden. An den Sekundarschulen geht jeder zweite Unfall auf das Konto des Sportunterrichts. „Im Sport passiert viel mehr als im Chemieunterricht“, ist auch die Erfahrung von Uwe Müller, der beide Fächer unterrichtet.

Je nach Gefährlichkeit gibt es drei Möglichkeiten für Chemieversuche, erläutert die Leiterin des naturwissenschaftlich orientierten Herder-Gymnasiums in Westend, Cornelia Ansprenger: Der Lehrer führt den Versuch allein vor, er lässt ihn von einem Schüler durchführen oder aber in mehreren Schülergruppen. Das letztgenannte Szenario ist nur für gefahrlose Versuche geeignet. Zudem gibt die Unfallkasse Berlin Positiv- und Negativlisten von Stoffen heraus, die für den Chemieunterricht geeignet beziehunsgweise völlig ungeeignet oder verboten sind.

In welcher Form das Experiment an der Schliemann-Schule durchgenommen wurde, war am Mittwoch nicht zu erfahren. Schule und Schulverwaltung verwiesen auf die Polizei, die allerdings noch keine Angaben machen wollte. Sie ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Lehrer. Bei dem Unfall hatte der schwerverletzte Schüler auch ein Trauma durch das Einatmen eines Gases erlitten. Einige Mitschüler wurden ebenfalls verletzt, aber nur leicht.

Der letzte bekannt gewordene schwere Unfall mit dem Experiment „Pharaoschlange“ ereignete sich 2013 in Wien. Der dabei verletzte Schüler war ebenfalls17 Jahre alt und erlitt Verbrennungen zweiten und dritten Grades. Die Polizei ging davon aus, dass zu viel Brennspiritus verwendet worden war. Der Versuch gehört zum Stoff der Mittelstufe (Klasse 7 bis 10). Im Mittelpunkt steht das Element Kohlenstoff.

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