zum Hauptinhalt
Hoch hinaus? Im Moment ist ungewiss, was aus dem Steglitzer Kreisel wird. Am Mittwoch wurde über die Zukunft des Baus vor Gericht verhandelt.

© Thilo Rückeis

Nach Leerstand: Amtsgericht entscheidet über Steglitzer Kreisel

Am Mittwoch wurde vor dem Amtsgericht in Lichterfelde über den Steglitzer Kreisel verhandelt. Dem Land gehört der Turm, Privaten der Sockel – nun streiten die Partner von einst über Verkaufspläne.

Wenn Nachbarn über die Höhe der Hecke streiten oder Enterbte das Testament anfechten, trifft man sich wieder vor dem Amtsgericht. Dass am Mittwoch weit draußen in Lichterfelde auch über eine 118 Meter hohe Investruine verhandelt wurde, ist hingegen einmalig. Denn eigentlich endet die Zuständigkeit des Amtsgerichts bei einem Streitwert von 5.000 Euro, im Krimi um den Kreisel geht es aber um gewaltige Millionensummen.

Aber beim Steglitzer Kreisel sind die üblichen Gesetze scheinbar ohnehin außer Kraft gesetzt. Schon dessen Errichtung in den 1970er Jahren mündete in einer Politaffäre mit allen für Berlin irgendwie typischen Zutaten: Eine Architektin mit sehr viel Nähe zur Behördenspitze, explodierende Kosten und eine nie endende Bauphase. Erlöst wurde das Land von der Firma einer vermögenden Familienstiftung (Becker und Kries), die sich wohl nicht mit der Bauruine abfinden mochte in Berlins behaglichem Südwesten, das Haus zu Ende baute und dafür Eigentümer des Sockels wurde. Das Land aber bekam den Turm – und alles war gut. Bis der Streit begann.

Worum es geht? Becker und Kries wollen den Sockel verkaufen, das will das Land aber verhindern, obwohl dieser Teil des Gebäudes ihm gar nicht gehört. Warum die Blockade (bisher) trotzdem gelingt? Weil Turm- und Sockelbesitzer schicksalhaft miteinander verbunden sind in einer „Wohnungseigentümergemeinschaft“, kurz: WEG, und bei anhaltenden Streitfällen in WEGs sind die Amtsgerichte zuständig, unabhängig vom Streitwert.

Dass der Besitz am Steglitzer Kreisel zerlegt in zwei Teile und in eine WEG verpackt wurde, ist ein Kuriosum. Denn WEGs sind sonst nur üblich bei Mehrfamilienhäusern, wo es mehrere Wohnungseigentümer gibt, Fassade, Keller sowie Leitung aber allen gemeinsam gehören. Was bei Wohnhäusern sinnvoll ist, ist beim Kreisel fatal: Seit Jahren steht der Turm leer, wodurch dem Land Hunderttausende Euro an Mieteinnahmen entgehen. Nur wenn die getrennten Bauteile endlich in eine Hand kommen, damit ohne Abstimmung umgebaut und umgenutzt werden kann, so heißt es im Bezirk, passiert wieder etwas.

Eskalation vor dem Amtsgericht

Und das verzwickte WEG-Recht führte auch zur Eskalation des Streits vor dem Amtsgericht. Das Land, Turmeigentümer, kann aus „wichtigem Grund“ zwielichtige oder nicht solvente Kaufwillige des Sockels ablehnen. Dies zu erläutern hob der Rechtsanwalt des Landes in dem von der Frühlingssonne durchfluteten Gerichtssaal gerade an, als er sich wortlos wieder setzte. Die gegnerischen Anwälte rissen das Fenster auf, der Richter reichte Wasser – „auch das macht die Justiz“, so seine Worte – und ein ganz junger Kollege übernahm den Fall.

Der machte seine Sache gut, krittelte an der Seriosität des Sockelkäufers herum, sähte Zweifel an dessen Zahlungsfähigkeit und daran, ob Hotel, Textilmultis und andere Sockelnutzer die Mieten immer und pünktlich zahlen. Dass der ungeliebte Kaufinteressent (CG-Gruppe) zehn Millionen Euro bei Notaren eingezahlt hat und Kreditzusagen der Sparkasse und eines Schweizer Finanzinvestors besitzt, beeindruckte ihn nicht. Mit welchen weiteren Belegen die Zweifel denn zerstreut werden könnten, wollte der Richter wissen. Die Antwort blieb im Ungefähren. Da will einer einfach nicht, dieser Eindruck entstand, ganz wie in einer zerrissenen Ehe – so gesehen ist das Amtsgericht genau der richtige Ort, um diesen Fall zu verhandeln.

Oder will das Land vielleicht doch, aber unbedingt an jemand anderes verkaufen? 13 weitere Interessenten gibt es angeblich. Und die Wette gilt: Keiner will den Turm ohne Sockel!

Zur Startseite